Mutzels Sieg gegen Boldt – So lief die HSV-Schlammschlacht vor Gericht
Das Urteil ist gesprochen – und ist nach einer Offenbarung zahlreicher pikanter Vereins-Interna zugunsten Michael Mutzels ausgefallen: Die Kammer des Arbeitsgerichts Barmbek hat am Dienstag die Freistellung des HSV-Sportdirektors für unwirksam erklärt. Eine Entscheidung, der eine einstweilige Verfügung durch Mutzel sowie eine regelrechte Schlammschlacht vorausgegangen war. Und die wiederum ist noch lange nicht beendet.
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Das Urteil ist gesprochen – und ist nach einer Offenbarung zahlreicher pikanter Vereins-Interna zugunsten Michael Mutzels ausgefallen: Die Kammer des Arbeitsgerichts Barmbek hat am Dienstag die Freistellung des HSV-Sportdirektors für unwirksam erklärt. Eine Entscheidung, der eine einstweilige Verfügung durch Mutzel sowie eine regelrechte Schlammschlacht vorausgegangen war. Und die wiederum ist noch lange nicht beendet.
Michael Mutzel ist schon eine Viertelstunde da, als Jonas Boldt um 9.10 Uhr den Gang entlang und auf ihn zuschreitet. Eine kurze Begrüßung per Handshake, dann würdigt keiner mehr des anderen Blick. Während Boldt mit seinem Anwalt flüstert, herrscht auf der anderen Seite reger Austausch, Mutzel hat seine Frau mitgebracht, es gibt auch mal ein Gelächter. Als dann um Punkt 9.30 Uhr beide Teams Saal 320 betreten, geht es zur Sache. Ohne den abwesenden Dr. Thomas Wüstefeld.
HSV-Führungsstreit: Arbeitsgericht hebt Mutzel-Freistellung auf
Eine außergerichtliche Lösung kam im Vorfeld nicht zustande. Der HSV bot Mutzel (verdient 27.896 Euro pro Monat) als Abfindung die Hälfte seines Jahresgehalts sowie die Fortzahlung seines Salärs bis zum Vertragsende am 30. Juni 2023. Die Mutzel-Seite wiederum forderte mindestens das 2,5-fache Jahresgehalt – rund 840.000 Euro – plus erfolgsabhängige Prämien, womit die Abfindung in den siebenstelligen Bereich angestiegen wäre. HSV-Prokurist Dr. Philipp Winter stellte vor Gericht klar: „Das ist für uns absolut undenkbar.“
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Wenig später kamen die Kündigungsgründe aus Sicht des HSV auf den Tisch. Es hieß, Mutzel sei in der Endphase der Saison von der Mannschaft abgerückt und habe sich auf die Seite von Boldts Vorstands-Kollegen Wüstefeld geschlagen. Mithilfe dieser Nähe zu Wüstefeld habe sich Mutzel als etwaiger Nachfolger von Boldt im Amt des Sportvorstands in Stellung bringen wollen. Diesen Vorwurf nennt Mutzels Anwalt „hanebüchen“, Mutzel selbst schüttelt ironisch lächelnd den Kopf und erklärt später, er habe lediglich Informationen geteilt.
HSV vor Gericht: Boldt wirft Mutzel vor, ihn als Sportvorstand ablösen zu wollen
Der nächste Vorwurf: Mutzel habe eine E-Mail „hinsichtlich eines Transfers“ auch an Wüstefeld geschickt – ohne die Abstimmung mit Boldt, der in der Verhandlung betont: „Von deren Inhalt hatte ich keine Kenntnis.“ Im Anschluss an diese E-Mail habe der Sportvorstand den Sportdirektor angewiesen, eine derartige, mit Boldt unabgestimmte Kommunikation künftig zu unterlassen. „Ich bin sein weisungsbefugter Vorstand“, erinnert Boldt vor Gericht.
Weil Mutzel im Anschluss aber Interna über die Höhe des Sommertransfer-Budgets erfahren haben soll, die sich letztlich bewahrheiteten, sah Boldt eine weitere Weisungsverletzung. Mutzel hingegen erklärt: „Das war ein kommunikatives Problem über mir.“ Zudem, so ein weiterer Vorwurf, soll Boldt „mehrfach“ Einblick in den E-Mail-Kalender Mutzels verlangt haben – was dieser seinem Vorgesetzten aber verwehrt haben soll. „Herr Boldt hatte seine Gründe dazu“, erklärt Dr. Winter.
Mutzel verweigerte Boldt den Einblick in seinen E-Mail-Kalender
Alle diese Weisungsverletzungen seien Ausdruck eines „erheblichen Vertrauensverlusts“ zwischen Mutzel, Boldt und letztlich auch Trainer Tim Walter. Im Sinne des sportlichen Erfolgs dürfe es das nicht geben, sagt Dr. Winter. Und: „Das kann bei Mitarbeitern in exponierter Stellung ein valider Ansatzpunkt für eine Freistellung sein. Das ist hier der Fall.“
Das sah das Gericht anders – und verkündete knapp drei Stunden später das Urteil, dass Mutzels Freistellung unwirksam gewesen sei. Die Kammer habe „keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien“ gesehen, „weil allein interne Abstimmungsschwierigkeiten und die Verweigerung der Teilung des Outlook-Kalenders hierfür nicht genügten“.
Der HSV kann gegen die Entscheidung vor dem Landesarbeitsgericht Berufung einlegen, ist rein juristisch nun aber erst mal dazu verpflichtet, Mutzel (in welcher Form auch immer) weiter zu beschäftigen – weshalb der nächste Schritt nun beim Verein liegt. Möglich, dass es doch noch auf eine Abfindung hinausläuft. So mancher denkt auch bereits an Verhältnisse wie bei Hannover 96, wo geschasste Verantwortliche in der Vergangenheit ein Büro im Keller bekommen haben – die Schlammschlacht jedenfalls hat noch kein Ende.
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Für den Moment stellt sie neben Boldt den ganzen HSV als Verlierer dar. Die Art und Weise, wie Boldt Mutzel degradiert und dessen Reputation in der Öffentlichkeit zerstört hatte, fiel ihm an diesem Dienstagvormittag vor die Füße. Doch nicht nur das: Boldts größter Vorwurf, Mutzel habe sich auf die Seite Wüstefelds geschlagen, um sich als etwaiger neuer Sportvorstand in Stellung zu bringen, zeugt davon, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Boldt und Wüstefeld tief zerrüttet ist. Der Zwist im HSV-Vorstand ist in der Öffentlichkeit angekommen.