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  • Dieter Hecking gibt beim HSV die Richtung vor.
  • Foto: WITTERS

Klartext-Interview: HSV-Trainer Hecking: Verpasster Aufstieg wäre kein Scheitern

Für viele ist Dieter Hecking der größte Star und Hoffnungsträger beim HSV. Bei weit über 500 Spielen stand der 55-Jährige als Coach in der Ersten und Zweiten Liga an der Seitenlinie. Nun soll er den HSV zurück nach oben führen. Im Wintertrainingslager in Lagos traf die MOPO den HSV-Trainer zum Exklusiv-Interview.

MOPO: Herr Hecking, Sie gehen in Ihr 20. Jahr als Trainer und leiten zurzeit wahrscheinlich schon Ihr 40. Trainingslager. Wie schafft man es, dass man sich dabei nicht abnutzt und immer noch mit so viel Feuer dabei ist?

Dieter Hecking: Das darf man nicht davon abhängig machen, wie lange man im Geschäft ist. Wenn dieses Feuer, dass man den Jungs etwas beibringen will, nicht mehr da wäre, dann wäre es vorbei. Ich versuche ja, mit meiner Art  auch immer etwas auf die Mannschaft zu übertragen. Die Mannschaft ist ein feinfühliges Element. Die Spieler würden sofort merken, wenn der Cheftrainer nur ein Stück nachlassen würde oder auf dem Platz nicht mehr die Präsenz hat. Gerade in diesen Tagen braucht die Mannschaft diese Präsenz, weil wir ein großes Ziel vor Augen haben. Dafür müssen wir alles tun. Ich muss mich dafür nicht neu motivieren. Wir haben noch viel zu tun. Es gibt noch viel zu verbessern. Und das will die Mannschaft auch. Die Spieler verstehen auch, wenn es mal ein bisschen lauter wird.

Entwickelt man sich als Trainer immer weiter?

Ja, das glaube ich schon. Man muss auch Entwicklungen mitgehen. Gerade heute habe ich beim Mittagessen erlebt, dass da acht Mann an einem Tisch saßen. Vor fünf bis zehn Jahren hätte jeder Nudeln mit Fleisch auf dem Teller gehabt, heute hatten alle Salat. Das ist schon eine gravierende Veränderung zu früher. So sieht es in vielen Bereichen aus.

Wie unterscheidet sich das Arbeiten als Trainer zwischen der Ersten und der Zweiten Liga?

In der Ersten Liga kannst du mehr voraussetzen. Die individuelle Qualität der einzelnen Spieler ist besser. Dadurch hast du ein noch höheres Trainingspensum, weil weniger Fehler passieren. Das Spiel wird noch schneller. Die Passqualität ist hoch, die individuelle technische Qualität ist sehr hoch. Wenn man zum Beispiel mal Bakery Jatta nimmt. Das ist ein Spieler, der uns unglaublich guttut, trotzdem ärgere ich mich jedes Mal, wenn ich sehe, wie er mit dem ersten Ballkontakt umgeht. Wenn der perfekt wäre, würde er vielleicht gar nicht mehr hier spielen. Dann wäre es ein Spieler, der aufgrund seiner athletischen Voraussetzungen wahrscheinlich in jeder Bundesligamannschaft bestehen könnte. In der Ersten Liga geht alles gedanklich schneller. Als Trainer in der Zweiten Liga musst du mehr Geduld haben, manchmal geht es mir zu langsam in den Entwicklungsschritten.

Beim HSV wurde oft über die Qualität im Kader gesprochen. Zu Bundesligazeiten hieß es, dass die Mannschaft viel zu viel Qualität hat, um abzusteigen. Letzte Saison hatten sie dann eigentlich viel zu viel Qualität, um nicht aufzusteigen. Am Ende kam es doch oft anders. Was ist das Entscheidende neben der Qualität?

Mentalität. Ich glaube, in der Rückrunde kommt es jetzt gar nicht mehr so auf unsere fußballerischen Qualitäten an. Fußballerisch haben wir eine gute Mannschaft. Es geht jetzt aber darum, diese Mentalität zu entwickeln, dass du jeden Punkt, jedes eigene Tor, jedes Gegentor als wichtig erachtest. Du musst dem Gegner zeigen, dass du den Kampf annimmst. Wenn man nur darauf hofft, dass man sich irgendwann mal durchspielt, wird es eine enge Geschichte. Sind wir aber bereit, den Meter mehr zu gehen, dann haben wir im Vergleich zum Großteil der Zweitligisten eine bessere Mannschaft. Und wenn nicht, dann sind wir eine ganz normale Mannschaft, die überall stolpern kann.

Jordan Beyer und Dieter Hecking

Das Wiedersehen beim HSV: Jordan Beyer und Dieter Hecking

Foto:

WITTERS

Sehen Sie den HSV aktuell denn gut aufgestellt für die zweite Saisonhälfte?

Wir haben gesagt, dass wir in dieser Transferperiode die Augen offen haben werden und gucken wollen, wo wir  noch Qualität dazubekommen können. Das haben wir mit Louis Schaub und Jordan Beyer gemacht. Damit sind wir noch flexibler aufgestellt. Jordan kann rechts, links, in der Innenverteidigung und auch vor der Abwehr spielen. Er gibt uns in der Defensive sicher noch mal neue Stabilität. Er ist zudem total klar im Kopf. Wir hatten ihn von Anfang an im Hinterkopf. Wir bekommen zwei Bundesligaspieler dazu. Das ist sicher nicht so schlecht.

Viel wurde in der Vorbereitung bislang an der Defensive und Kompaktheit gearbeitet. Zum Ende der Hinrunde waren aber auch die fehlenden Tore ein Problem.

Das stimmt. Wir haben bewusst jetzt aber erst mal den Schwerpunkt auf die Arbeit an der Defensive gelegt. Spätestens ab nächster Woche werden wir auch am Offensiv-Spiel arbeiten müssen. Am Ende ist aber auch beides voneinander abhängig. Es steht und fällt damit, wie wir das Spiel von hinten aufbauen.

Auf der Mitgliederversammlung am Sonntag hat Vorstandsboss Bernd Hoffmann ambitionierte Ziele für die nächsten Jahre formuliert. Teilen Sie seine Ausrichtung?

Er denkt groß und möchte diesen Verein wieder fest etablieren in der Bundesliga. Diesen Anspruch muss jeder beim HSV haben, wenn man in seiner Position ist. Er muss dafür stehen, dass es vorangeht. Er muss Visionen haben. Ich habe auch immer ambitionierte Ziele und will immer das Maximale herausholen. Wenn der HSV sich irgendwann mal davon verabschiedet, mit maximalem Leistungsanspruch zu denken und die Zweite Liga als normal ansieht, dann hätte Bernd Hoffmann sicher nicht seinen Herzenswunsch erfüllt. Ich finde ambitionierte Ziele gut.

Wäre es für Sie persönlich ein Scheitern, wenn in dieser Saison der Aufstieg erneut nicht geschafft wird?

Ich weiß nicht, ob man das dann immer als Scheitern betrachten muss. Ich mag das Wort scheitern nicht. Ich sehe, dass alle im Verein alles dafür tun, dass wir es schaffen. Mehr als arbeiten können wir nicht. Das ist die Grundvoraussetzung. Aber wir sind auch nur Menschen. Die Zweite Liga ist eine schwierige Liga. Ich würde es nicht als scheitern bezeichnen, wenn wir den Aufstieg verpassen würden. Es wäre aber sicherlich eine sportliche Enttäuschung.

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