„Ich verdanke ihm die Liebe meines Lebens“: Hamburger trauern um Uwe Seeler
Vorsichtig drapiert Detlef Neiseke eine mexikanische Flagge auf die Fläche vor dem Uwe-Seeler-Denkmal am Volksparkstadion. Es ist Neisekes ganz persönliches Abschiedsgeschenk an das verstorbene HSV-Idol. Andere der rund 5000 Besucher der Trauerfeier brachten Blumen, zündeten Kerzen an oder stellten selbstgebastelte Schilder auf. Bei vielen flossen Tränen.
„Ich bin heute hier, um mich von Uwe Seeler zu verabschieden, weil er eine ganz persönliche Bedeutung für mich hat – ich verdanke ihm die Liebe meines Lebens“, erzählt Detlef Neiseke. Der Rentner aus Ronnenberg bei Hannover hat nicht nur die mexikanische Flagge mitgebracht, er trägt auch ein T-Shirt und eine Schirmmütze mit Aufdrucken, die an die Weltmeisterschaft in Mexiko 1970 erinnern.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Vorsichtig drapiert Detlef Neiseke eine mexikanische Flagge auf die Fläche vor dem Uwe-Seeler-Denkmal am Volksparkstadion. Es ist Neisekes ganz persönliches Abschiedsgeschenk an das verstorbene HSV-Idol. Andere der rund 5000 Besucher der Trauerfeier brachten Blumen, zündeten Kerzen an oder stellten selbstgebastelte Schilder auf. Bei vielen flossen Tränen.
„Ich bin heute hier, um mich von Uwe Seeler zu verabschieden, weil er eine ganz persönliche Bedeutung für mich hat – ich verdanke ihm die Liebe meines Lebens“, erzählt Detlef Neiseke. Der Rentner aus Ronnenberg bei Hannover hat nicht nur die mexikanische Flagge mitgebracht, er trägt auch ein T-Shirt und eine Schirmmütze mit Aufdrucken, die an die Weltmeisterschaft in Mexiko 1970 erinnern.
Trauerfeier in Hamburg: Viele Besucher haben eine persönliche Beziehung zu Uwe Seeler
Damals war Neiseke in das Land der Maya und Azteken gereist, um Uwe Seeler und die deutsche Nationalmannschaft im Stadion von León anzufeuern. Und das half: Im Viertelfinale, das Neiseke besuchte, gewann Deutschland gegen England 3:2, auch dank eines Treffers von Uwe Seeler. „An dem Abend nach dem Spiel hab‘ ich meine Frau kennengelernt. Sie ist Mexikanerin“, berichtet der 77-Jährige. „Wenn Uwe und die Mannschaft nicht gewonnen hätten, hätten wir nicht gefeiert und ich wäre meiner Frau nie begegnet.“
Dafür ist Neiseke „dem Uwe“ bis heute dankbar. Deshalb ist er heute hier. Seine Frau Alicia ist allerdings zu Hause in Ronnenberg geblieben. Neiseke zuckt die Schultern. „Naja. Muss ja jeder selbst wissen.“
Nicht wenige Besucher haben eine persönliche Verbindung zu dem Verstorbenen. „Als Kind bin ich immer zum Rothenbaum gegangen, um Uwe Seeler beim Training zuzusehen“, erzählt der Rentner Hans-Jürgen Wanger (72). Man habe oft ein paar Worte mit dem HSV-Torjäger wechseln können. An einen Dialog kann Wanger sich noch erinnern: „Ich hab‘ ihm gesagt: ,Ich komme nicht wegen dem Fußball, sondern wegen Ihnen.‘ Das hat ihn gefreut. Er hat sich bedankt und mir auf die Schulter geklopft.“
Uwe Seeler als Tattoo auf dem Oberschenkel
Für ihn als Eisenbahnerkind sei das sehr bedeutsam gewesen. „Der Fußball, die berühmten Spieler – das war ja eine ganz andere Welt für mich. Uwe Seeler ist auf mich eingegangen. Auf Augenhöhe. Und das, obwohl ich noch ein Kind war. Mir war es wichtig heute herzukommen, um Abschied zu nehmen.“
Anne-Katrin Döhrer zieht die Shorts ein wenig nach oben und zeigt auf ihren Oberschenkel. Dort ist ein Tattoo zu sehen, das ein Porträt des jungen Uwe Seeler zeigt. Vor fünf Jahren hat die 27-jährige Erzieherin sich die Tätowierung stechen lassen. „Er war für mich immer das größte Vorbild. Nicht als Fußballer, sondern als Mensch. Weil er so geblieben ist, wie er ist. Weil er nicht abgehoben war.“
Viele Besucher reisten von weit her nach Hamburg
Schon ihr Vater, der Uwe Seeler als DDR-Bürger nur aus dem West-Fernsehen kannte, sei immer ein großer HSV-Fan gewesen. Deshalb haben Tochter und Vater sich am Mittwoch um sechs Uhr morgens in ihrem Heimatort in Thüringen ins Auto gesetzt, um fünf Stunden lang zur Trauerfeier nach Hamburg zu fahren. „Das war es uns wert. Er ist es uns wert.“
Auch Eckard Doll kannte Uwe Seeler viele Jahre lang nur aus dem West-Fernsehen. Der Rentner aus Neubrandenburg hat kein großes Interesse an Fußball. „Mir geht es um den Menschen Uwe Seeler. Er ist trotz seines Erfolgs ein einfacher Mensch geblieben. Das hat uns in der DDR imponiert“, sagt der 68-Jährige. Doll verbindet mit Uwe Seeler einen Charaktertyp, der aus seiner Sicht im Aussterben begriffen ist. „Auch bei uns im Osten zählte früher nur der Mensch. Wir waren alle gleich, jeder war für den anderen da. Heute zählt nur noch: Haste was, biste was.“ Uwe Seeler sei jemand Besonderes gewesen. Jemand, den man nicht vergessen dürfe.
Hamburger schätzen Uwe Seelers Treue zur Stadt
Während den Ostdeutschen besonders die Uwe Seelers Bescheidenheit wichtig war, so schätzen die Hamburger vor allem seine Treue zur Heimatstadt. „Er war kein Verräter“, meint Tanja Först (49) aus Eppendorf. Die Verwaltungsangestellte hat extra einen Tag Urlaub genommen, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können. Dass Seeler 1961 nicht nach Mailand gewechselt sei, stelle ihn besonders heraus. „So etwas gibt es heute nicht mehr“, sagt auch Försts Freundin Anette Petereit (62), Pflegerin aus Eppendorf. „Heute sind die Spieler alles Söldner. Es zählt nur das Geld.“
Der gleichen Ansicht sind Ingrid (65) und Gerd (71) Wilck, Pensionäre aus Lokstedt. „Diese Verbundenheit zur Stadt und zum Verein ist es, die Uwe Seeler besonders auszeichnet“, sagt Ingrid Wilck. „So etwas gibt es heute nicht mehr.“ Als sie von Seelers Tod erfahren habe, habe sie geweint. „Er gehört zu Hamburg. Er ist einer von uns“, sagt Gerd Wilck.
Schüler aus Billstedt informierte sich bei Wikipedia über Uwe Seeler
Gabriele Hanitsch (66) aus Harburg, die von ihrem Enkel Marvin (19) zur Trauerfeier begleitet wurde, macht vor allem eines traurig: „Dass er nun den Aufstieg des HSV gar nicht mehr miterleben wird.“ Denn dass der HSV bald wieder aufsteigen wird – da ist die Rentnerin ganz sicher. An Seeler selbst habe ihr imponiert, „dass er die Klappe aufgemacht hat. Das passt zu Hamburg.“
Nur die ganz jungen Besucher verbindet nicht mehr viel mit dem Menschen Uwe Seeler: „Ich weiß, wer er ist und kenne das Denkmal“, sagt Patryk Reginis (21), Schüler aus Billstedt. Aber er sein kein Fußballfan. Zurzeit habe er seinen Freund Kacper aus Polen zu Besuch. Der sei Fußballfan und wollte das Volksparkstadion anschauen. „Die Trauerfeier heute war ein guter Anlass. Ich hab‘ Kacper heute morgen den Wikipedia-Eintrag über Uwe Seeler vorgelesen. Das hat uns schon beeindruckt.“