„Ich hatte Angst“: Der lange Kampf des HSV gegen Nazis im Volksparkstadion
Sie wollen auch an diesem Samstag wieder ins Stadion gehen. Ein paar Mitglieder des früheren Fanklubs „Die Löwen“ lassen sich nicht vertreiben aus dem Volkspark, sichtbar aber wird für die allermeisten Stadionbesucher nichts von ihnen sein. Ob sie tatsächlich „keinerlei extremistische oder radikale Ansichten vertreten“, wie „Die Löwen“ unter der Woche in einem Statement verkündeten, lässt sich schwer überprüfen. Klar aber ist: Organisierte, rechtsextreme Umtriebe gibt es im Stadion des HSV nicht mehr. Ein krasser Gegensatz zu den 1980er Jahren, als die Nazis in der Kurve den Ton angaben. Wie hat man es geschafft, diese zu vertreiben?
Sie wollen auch an diesem Samstag wieder ins Stadion gehen. Ein paar Mitglieder des früheren Fanklubs „Die Löwen“ lassen sich nicht vertreiben aus dem Volkspark, sichtbar aber wird für die allermeisten Stadionbesucher nichts von ihnen sein. Ob sie tatsächlich „keinerlei extremistische oder radikale Ansichten vertreten“, wie „Die Löwen“ unter der Woche in einem Statement verkündeten, lässt sich schwer überprüfen. Klar aber ist: Organisierte rechtsextreme Umtriebe gibt es im Stadion des HSV nicht mehr. Ein krasser Gegensatz zu den 1980er Jahren, als die Nazis in der Kurve den Ton angaben. Wie hat man es geschafft, diese zu vertreiben?
Es waren Erlebnisse, die Geneviève Favé geprägt haben. Die gebürtige Bretonin, die Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland kam, musste sich gewissen Verhaltensregeln unterwerfen, wenn sie damals das Volksparkstadion besuchte. „Dort, wo die Skinheads waren, habe ich versucht, möglichst leise zu reden. Aus Selbstschutz. Ich hatte Angst“, sagt die heute 65-Jährige im Gespräch mit der MOPO. „Ich hatte ja mitbekommen, was mit Fans passiert, die nicht so aussahen wie ich, die nicht so weiß waren.“
Rechtsextreme dominierten die Westkurve im Volkspark
Es ist eine Zeit, in der der HSV zu den erfolgreichsten Mannschaften Europas zählt. Und in der die Fanszene für Angst und Schrecken sorgt. Rechtsextreme Parteien und Organisationen wie die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) oder die Wiking-Jugend versuchen, im Volksparkstadion junge Leute zu rekrutieren. „Ausländer raus“-Rufe, verbale und physische Gewalt, Hitlergrüße, Reichskriegsflaggen. So sieht Hamburgs Westkurve aus.

Favé hatte das Stadion damals noch nicht als Fan besucht, sondern in ihrer Arbeit als Sozialpädagogin für das HSV-Fanprojekt. Ihre Arbeit habe sie dort aufgenommen, „weil ich gesagt habe, es muss etwas passieren. Es kann nicht sein, dass Gewalt, Rassismus und Homophobie die Kurve beherrschen.“ Drei Jahre zuvor war die Gruppe von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen gegründet worden – als Reaktion auf den von Mitgliedern der „Löwen“ getöteten Werder-Fan Adrian Maleika. An diesem Samstag feiert das Fanprojekt seinen 40. Geburtstag.
HSV feiert am Samstag den 40. Geburtstag des Fanprojekts
Die Spieler werden sich gegen Fürth mit Shirts, auf denen „Love Hamburg – Hate Racism“ steht, aufwärmen. Ein Zeichen. Vielleicht auch ein kleines Dankeschön an das Projekt, dessen Mitarbeiter betonen, dass sie sehr wohl einen Anteil haben, es aber nicht sie alleine waren, die die Neonazis aus dem Stadion drängten.

Ole Schmieder ist einer dieser Mitarbeiter. Er sieht für den Gesinnungswandel im HSV-Stadion neben der Arbeit des Fanprojekts drei Punkte als entscheidend an: die Gründung des Supporters Clubs (1993), das Aufkommen der Ultra-Bewegung mit ihren Gruppierungen Poptown (1998) und Chosen Few (1999) und den Stadionumbau (1998 bis 2000). „Der Supporters Club hat eine ganz starke Message ausgesendet“, führt Schmieder aus, „nämlich, dass der HSV ein großer Klub in einer weltoffenen Stadt ist. Und dass es zu einem solchen Klub nicht passt, ausgrenzend und diskriminierend zu sein.“ Die Ultras lebten diese Worte von Anfang an vor. Ihre Mitglieder führten und führen Flüchtlinge ins Stadion, helfen diesen bei Behördengängen und haben auch „dazu beigetragen, die Stadionordnung neu schreiben zu lassen“, wie Favé erklärt, „und dort eben festzuhalten, dass bestimmte Symbole und Klamotten im Stadion nichts zu suchen haben“. Mit dem Stadionumbau wurden sie zu den „Anführern der Stehplätze“, wie Schmieder sagt. „Und der Block E in der Westkurve war nicht mehr da“, fügt Favé hinzu. „Auch dadurch ist die Macht dieser Gruppe gesprengt worden.“
Ole Schmieder sieht beim HSV wachsenden Zusammenhalt
Ist das Volksparkstadion heute nazifrei? „Garantiert nicht“, antwortet Schmieder. „Es wäre statistisch vollkommen irre, das zu behaupten. Aber es gibt keine sichtbaren Nazis. Und es gibt ein immer größeres Bewusstsein beim HSV und bei seinen Fans, dass Nazis bei uns nichts zu suchen haben.“
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Das Erstarken der AfD, der Rechtsruck, das Auseinanderdriften der Gesellschaft, es sind gesellschaftliche Entwicklungen, die vor dem Volkspark nicht haltmachen. In der Fanszene des HSV aber stelle er etwas Gegenteiliges fest, sagt Schmieder: „Dort gibt es einen immer größeren Zusammenhalt. Es wird immer selbstverständlicher, sich gegen Diskriminierung zu äußern. Es herrscht eine große, positive Aufbruchstimmung.“