HSV-Strategie im Vuskovic-Prozess: Lief der Doping-Test nicht sauber ab?
Hat Mario Vuskovic gedopt? Oder kann der HSV-Profi seine Unschuld beweisen und die drohende Sperre von bis zu vier Jahren umgehen? Völlig offen. Zumindest offenbarte der erste Verhandlungstag vor dem DFB-Sportgericht in Frankfurt, mit welcher Strategie der HSV und sein Abwehrspieler vorgehen: Die Anwälte zweifeln die korrekte Ausführung der Probe durch den zuständigen Kontrolleur Markus Jungbluth an, der sich teilweise in Widersprüche verstrickte.
Hat Mario Vuskovic gedopt? Oder kann der HSV-Profi seine Unschuld beweisen und die drohende Sperre von bis zu vier Jahren umgehen? Völlig offen. Zumindest offenbarte der erste Verhandlungstag vor dem DFB-Sportgericht in Frankfurt, mit welcher Strategie der HSV und sein Abwehrspieler vorgehen: Die Anwälte zweifeln die korrekte Ausführung der Probe durch den zuständigen Kontrolleur Markus Jungbluth an, der sich teilweise in Widersprüche verstrickte.
Als DFB-Richter Stephan Oberholz die Verhandlung um 15.21 Uhr für beendet erklärte, entspannten sich die Gesichtszüge aller Beteiligten sichtbar. Rund vier Stunden lang wurde im Konferenzsaal 5 des neuen, schnieken DFB-Campus ausgesagt, nachgefragt und erläutert. Das schlauchte. Als all das vorbei war, lächelte auch Vuskovic. Zum einen, weil er problemlos seinen Flieger erreichen konnte, der ihn um 18 Uhr nach Zagreb bringen sollte. Zum anderen, weil der Tag, in aller Vorsicht formuliert, nach seinen Wünschen verlief.
Vuskovic: HSV will Fehler bei Doping-Probe nachweisen
Können der Anti-Doping-Agentur NADA Fehler bei der Entnahme, der Aufbewahrung oder dem Versand der am 16. September im Volkspark entnommenen Probe nachgewiesen werden? Darauf fußte am Freitag die Verteidigung der Vuskovic-Anwälte.

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An Unterstützung mangelte es dem Abwehrspieler, der den Campus um 10 Uhr – rund eine Stunde vor Beginn der Verhandlung betrat – nicht. Drei Anwälte begleiteten ihn. Neben HSV-Justiziar Philipp Winter noch Joachim Rain (aus dem Anwaltsbüro des renommierten Sport-Anwalts Christoph Schickhardt) und Rainer Tarek Cherkeh. Auch Vuskovic‘ Freundin Barbara und Berater Damir Smoljan waren anwesend. HSV-Sportvorstand Jonas Boldt verfolgte die Angelegenheit allein sitzend, aus der letzten Reihe des Raumes. „Wie früher in der Schule“, flachste er zum Start der Anhörung.
Vuskovic, der der Einnahme von EPO beschuldigt wird und von Dolmetscher Alexander Miladinovic unterstützt wurde, begann seine Ausführungen mit den Worten: „Ich möchte aussagen und meine Unschuld beweisen.“ Detailliert schilderte er, wie er gemeinsam mit seinem HSV-Kollegen Xavier Amaechi zur Dopingprobe gebeten wurde und diese dann durchführte. Was ihn störte: „Man hat uns davor, soweit ich es erinnere, nicht über unsere Rechte aufgeklärt. Die Papiere waren in Deutsch. Ich bin Kroate und habe es größtenteils nicht verstanden.“ Zu diesen Rechten, so erklärten es seine Anwälte, gehöre auch, auf einen Dolmetscher zurückgreifen zu dürfen.
HSV-Profi Vuskovic hatte nicht genug Urin produziert
Wie aber lief die Probe ab? Vuskovic gab an, zunächst nicht genügend Urin produziert zu haben, sondern nur zwei Drittel der geforderten 90 Milliliter. Er habe dann eine Pause einlegen müssen. Was genau dann aber mit der angefangenen Probe passierte, darüber gab es im Verlauf des Tages sehr unterschiedliche Aussagen der betroffenen Parteien. Während der später per Video zugeschaltete Doping-Kontrolleur Jungbluth beteuerte, er habe die Probe versiegelt und für alle ersichtlich auf den Tisch gestellt („Der Becher wurde verschlossen und mit einem Siegel beklebt“), beteuerte Vuskovic: „Soweit ich mich erinnere, wurde kein Deckel draufgemacht.“
Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass zumindest der Eindruck entstand, dass Jungbluth, der als Facharzt im Klinikum Bad Bramstedt arbeitet und seit geraumer Zeit die Doping-Kontrollen beim HSV durchführt, sich in Widersprüche verstrickte. Ein Beispiel: Behauptete er zunächst, Vuskovic sei mit seiner vollständigen Probe fertig gewesen, ehe auch Amaechi erstmals Wasser lassen konnte, war er sich Minuten später nicht sicher, ob es zwischenzeitlich „von beiden eine Teilprobe gab“.
Genau auf diese Momente warteten Vuskovic‘ Anwälte. Wurden die Proben möglicherweise vertauscht? Oder vermischt? Jungbluth verneint das. Aber ging er womöglich zu lax mit allem um und war nicht voll bei der Sache?
HSV-Arzt Götz Welsch kennt Jungbluth schon lange
HSV-Arzt Götz Welsch, der aus Hamburg zugeschaltet war und wie sein in Frankfurt anwesender Kollege Wolfgang Schillings aussagte, kennt Jungbluth seit Jahren – und sagte: „Er ist sicherlich jemand, der versucht, eine Wohlfühlatmosphäre herzustellen. Ob das dann immer alles nach Vorschrift war, kann ich nicht beurteilen.“ Ganz grundsätzlich stellte Welsch klar: „Ich kenne den Doping-Kontrolleur, weil er seit einigen Jahren hier ist. Ich gehe davon aus, dass alles ordentlich durchgeführt wird.“ Dennoch: „Wie bei allem im Leben, gibt es sicherlich eine Fehleranfälligkeit, dass etwas verwechselt werden kann.“
Fragen wirft auch der Zeitraum zwischen der Entnahme der Probe und dem Versenden nach Kreischa auf, wo der Urin ausgewertet wurde. Jungbluth erklärte, er habe die versiegelten Proben Freitagabends direkt bei sich daheim in einen Kühlschrank gelegt und drei Tage später an den DHL-Service übergeben. Ein Protokoll für die Tage dazwischen gibt es nicht. Auch sei der Kühlschrank daheim nicht explizit gesichert gewesen. Wasser auf die Mühlen der HSV-Anwälte, die darauf verwiesen, dass das NADA-Regelwerk eine lückenlose Dokumentation zwischen Entnahme der Probe und Versand erfordere. „Sie sind sich dieser Verpflichtung bewusst, aber nicht bereit, diese einzuhalten“, warf Winter Jungbluth vor.
Vuskovic suchte vor Gericht Blickkontakt zu seiner Freundin
Vuskovic verfolgte all das konzentriert und hörte seinem Dolmetscher in jeder Sekunde aufmerksam zu. Immer wieder suchte er den Blickkontakt zu seinem Berater und seiner Freundin.
Richter Oberholz befragte den Junioren-Nationalspieler vor allem zu einem privaten Trip in seine Heimat Split, der in den Tagen vor der Doping-Probe stattfand – ganz offensichtlich, um herauszufinden, ob dem Kroaten dort EPO gespritzt worden sein könnte. Lückenlos schilderte der HSV-Verteidiger seinen Aufenthalt. HSV-Doc Schillings bestätigte: „Mario hat mir gegenüber glaubhaft versichert, dass er nicht in Kroatien beim Arzt war.“ Überhaupt sei der Kroate ein Spieler, „der alles hinterfragt und nicht irgendetwas tut, was man ihm sagt“, versicherte Welsch.
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Viele Fragen, kein Ergebnis. Kommenden Donnerstag wird die Verhandlung fortgesetzt, dann steht die Analyse der Probe im Fokus. Der HSV soll hierzu ein Gutachten in Kanada erstellt haben, wonach die Rechtmäßigkeit des positiven Ergebnisses anhand von Fotos infrage gestellt wird. Am Ende werden die Richter entscheiden müssen, ob ihnen die Ungereimtheiten genügen, um Vuskovic freizusprechen. Durchaus möglich, dass auch noch weitere Verhandlungstage angesetzt werden. Der Kampf des Kroaten um seine Karriere ist in vollem Gange.