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  • Die jüngsten Niederlagen haben HSV-Präsident Marcell Jansen nachdenklich gemacht.
  • Foto: WITTERS

HSV-Präsident über die Krise: Fürchten Sie sich schon vor Werder Bremen, Herr Jansen?

Es gibt wenig, was er als Profi nicht erlebt hat. Marcell Jansen wurde mit Deutschland Vize-Europameister und WM-Dritter, er bestritt 242 Bundesligaspiele für Gladbach, die Bayern und den HSV. Mehr Höhen als Tiefen. Klar, dass der Präsident und Aufsichtsrat des HSV sich nach der Bundesliga sehnt. Doch nach den Niederlagen gegen St.Pauli und in Aue sind die Zweifel groß: Verspielt der HSV wieder alles? Jansen kennt die Situation aus dem Vorjahr – und schätzt die aktuelle Lage im Gespräch mit der MOPO ein.

MOPO: Herr Jansen, viele Fans machen sich Sorgen, dass den HSV das gleiche Schicksal wie in der Vorsaison ereilen könnte. Sie auch?

Marcell Jansen (34): Es ist auf jeden Fall eine neue Situation. Ich hätte nicht erwartet, dass nach dem so guten Start ins neue Jahr nun plötzlich zwei solche Spiele kommen. Mal abgesehen von den ersten 20 Minuten gegen St.Pauli haben wir in beiden Partien überhaupt keine Torgefahr ausgestrahlt. Das gab es vorher so nicht und es ist ein großes Warnsignal. Aber so eine sportliche Herausforderung macht mich ganz sicher nicht total nervös.

Sie hätten aber allen Grund dazu, angesichts der Leistungen.

Aber uns war doch immer klar, dass es schwer wird. Da sind wir ja auch nicht die Einzigen, Stuttgart erlebt das ja auch. Einen Spaziergang hat hier niemand erwartet. Aber man muss natürlich die richtigen Schlüsse aus den jüngsten Leistungen ziehen.

Was ist jetzt gefragt?

Im Fußball entscheidet sich fast alles über Entscheidungsmanagement in schwierigen Situationen. Es ist jetzt gefragt, diese Lösungen zu finden. Das unterscheidet am Ende immer die guten von den weniger guten Mannschaften – in jeder Liga. Wer das hinbekommt, wächst daran. Wer es nicht schafft, verfehlt seine Ziele. So einfach ist das.

Jansen Hoffmann

HSV-Präsident Marcell Jansen und Bernd Hoffmann trafen sich im Februar mit Klaus-Michael Kühne.

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HSV: Die Mannschaft darf nicht in Ängsten denken

Was macht Ihnen denn Hoffnung, dass der HSV genau das schafft? In der Vorsaison ging es schließlich auch schief.

Die Basis ist erstmal, dass wir eine aus meiner Sicht gute Mannschaft haben. Was sie nun braucht, ist die Fähigkeit, in Chancen zu denken – und nicht in Ängsten. Sie muss begreifen, was sie erreichen kann und wie groß das wäre, so ein Aufstieg. Daraus muss sich jetzt eine Geilheit entwickeln. Wenn du das hinbekommst, im Spiel nach vorn, wie man verteidigt oder anläuft, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Dennoch: Wie bekommt man die bösen Geister der Vorsaison aus dem Kopf?

Für mich ist das nicht vergleichbar, ich erkenne keine Parallelen. Weil diese Mannschaft besser ist und in dieser Saison auch schon ganz anderen Fußball gezeigt hat, als es in der Vorsaison der Fall war. Außerdem haben wir sehr viel Erfahrung im sportlichen Bereich, mit Leuten, die wissen, was sich in den Köpfen der Spieler abspielt. Das ist schon ein großer Vorteil.

Ein Vorwurf lautet, dass der HSV überwiegend fußballerische Lösungen sucht. Mangelt es nicht an dem einen oder anderen Drecksack im Team, der auch mal dazwischen fegt?

Die Mannschaft ist nun mal so zusammengestellt worden. Und ich habe die Galligkeit, die Sie meinen, in dieser Saison auch schon gesehen. Aber die klare Stärke dieses Teams ist es, ein Spiel zu bestimmen und sich Chancen herauszuarbeiten.

HSV-Präsident Marcell Jansen hier als Nationalspieler für Deutschland

Insgesamt 46 Spiele machte Marcell Jansen für Deutschland. Er wurde zwei Mal WM-Dritter und Vize-Europameister.

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Müsste in dieser Phase ein Signal aus der Mannschaft kommen? Salopp gefragt: Müssen die Spieler mal zusammen einen saufen gehen? Das wäre zu Ihrer aktiven Zeit vermutlich ein Rezept gewesen.

Mag sein, dass das helfen kann. Aber man muss auch akzeptieren, dass sich Generationen verändern. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass es in der Truppe nicht stimmt. Klar ist aber, dass der eine oder andere nun auf dem Platz Flagge zeigen muss.

Jansen: „Zwischen HSV-Fans und Mannschaft wird es keinen Bruch geben

In Aue wurde die ohnehin verunsicherte Mannschaft von Teilen der Fans zur Rede gestellt und wüst beschimpft. Bei allem Verständnis für den Frust: Macht es das für einige Profis nun nicht noch schwerer?

Soweit ich es weiß, ist da ja nichts aus dem Ruder gelaufen. Es war ein emotionaler Austausch. Und man muss auch mal die Fan-Seite verstehen. Die haben die Mannschaft trotz der Derby-Niederlage gegen St.Pauli total unterstützt. Sie hätten ja auch schweigen können. Haben sie aber nicht. Zwischen Fans und Mannschaft wird es keinen Bruch geben. Unseren Fans geht es immer um den Zusammenhalt.

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Das Horror-Szenario vieler Anhänger wäre eine Relegation gegen den großen Nordrivalen Werder Bremen. Ihres auch? Sie waren schon vor elf Jahren bei den „Werder-Wochen“ dabei, als der HSV binnen 19 Tagen drei Titel gegen die Bremer verspielte.

Ganz ehrlich: Diese Szenarien sind mir komplett egal. Das ist eines der großen Probleme des HSV, dass viel zu oft in die Vergangenheit geschaut wird. Es geht darum, Chancen zu erkennen und keine Angstgebilde zu bauen. Und selbst wenn es zu einer Relegation käme: Der Zweitligist steht niemals stärker unter Druck als der Erstligist.

Dennoch: Als Aufsichtsrat und Präsident des Vereins haben Sie auch immer das große Ganze im Blick. Mal angenommen, es ginge in dieser Saison alles schief und der HSV würde den Aufstieg erneut verpassen …

…dann wäre das sportlich gesehen vielleicht eine Katastrophe, grundsätzlich aber nicht. Weil der HSV als Verein auf einem sehr guten Weg ist.

Wie lautet Ihre Prognose?

Ich glaube natürlich daran, dass wir unser Ziel erreichen und unter die ersten Drei kommen. Fußballerisch hat die Mannschaft allemal das Zeug dazu. Nun aber muss sie beweisen, dass sie auch mental dazu in der Lage ist. Das wird der Schlüssel sein.

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