Boss des nächsten Gegners staunt: „HSV hat wie vom anderen Stern gespielt”
Der Blick auf die Tabelle bringt allen HSV-Fans in dieser Woche ganz besonders viel Spaß. Als Spitzenreiter bereiten sich die Profis auf den Nord-Kracher bei Hannover 96 vor. Aber: Nur zwei Punkte trennen beide Teams, mit einem Sieg würden die Niedersachsen sogar vorbeiziehen. Doch 96-Boss Martin Kind sieht den HSV vor dem Derby fast schon in einer anderen Liga. In der MOPO spricht er auch über seinen öffentlichen Knatsch mit Trainer Stefan Leitl.
Der Blick auf die Tabelle bringt allen HSV-Fans in dieser Woche ganz besonders viel Spaß. Als Spitzenreiter bereiten sich die Profis auf den Nord-Kracher bei Hannover 96 vor. Aber: Nur zwei Punkte trennen beide Teams, mit einem Sieg würden die Niedersachsen sogar vorbeiziehen. Doch 96-Boss Martin Kind sieht den HSV vor dem Derby fast schon in einer anderen Liga. In der MOPO spricht er auch über seinen öffentlichen Knatsch mit Trainer Stefan Leitl.
Als der 79-Jährige am Samstagabend seinen Fernseher einschaltete, traute er zunächst seinen Augen nicht. Nachdem Hannovers Geschäftsführer zuvor noch der Beerdigung des früheren Landesbischofs Horst Hirschler beiwohnte, suchte er ein wenig Entspannung, da kam die Live-Übertragung des HSV-Spiels gegen Hertha BSC gerade recht. Was Kind dann beim 3:0-Erfolg der Hamburger sah, ließ ihn in den höchsten Tönen schwärmen: „Was der HSV da gespielt hat, war ja fast wie vom anderen Stern.“
96-Boss Kind mit Kritik an Trainer Leitl
Es ist ein Fußball, den Kind wohl auch gern bei 96 sehen würde. Das 2:1 in Rostock war zumindest mal der erste Saisonerfolg der „Roten“, zuvor aber steckte der Wurm drin. Zwei Unentschieden gegen Aufsteiger Elversberg und Nürnberg (jeweils 2:2), dazu das Pokal-Aus in Sandhausen. Kind hatte bereits nach dem Elversberg-Spiel seinem Unmut öffentlich Luft gemacht, die Weiterentwicklung der Mannschaft und damit die Arbeit von Trainer Stefan Leitl kritisiert. Das alles gipfelte in der Aussage: „Wenn ich alles sagen würde, was ich denke, dann hätten wir Krieg!“

Rund zwei Wochen später lenkt Kind zumindest darauf bezogen ein, dass seine Wortwahl diskutabel war. „Ich habe da ein Wort benutzt, das nicht wirklich glücklich war“, gibt er zu. „Und wenn ich solche Dinge sage, dann muss ich im Gegenzug auch mit Kritik leben.“ Eines aber stehe genauso fest: „Unser Saisonstart lief nicht so, wie ich es mir erhofft habe. Und der Fußball ist nun mal keine Wohlfühl- sondern eine Leistungsgesellschaft. Wir haben nicht unendlich Zeit, sondern werden an Leistungen und Ergebnissen gemessen.“
„Der HSV ist allen anderen Vereinen der Liga weit voraus“
Das gilt auch für den HSV. Die von Tim Walter trainierte Mannschaft kam blendend aus den Startlöchern, holte sieben Punkte aus den ersten drei Spielen und bestach vor allem daheim gegen die Bundesliga-Absteiger Schalke (5:3) und Hertha. Kind hat es wahrgenommen und blickt anerkennend in den Volkspark. „Der HSV ist allen anderen Vereinen der Liga weit voraus“, stellt er fest. „Auch uns, ganz klar.“
Tatsächlich sind die Hamburger ihrem Rivalen aus Niedersachsen in einigen Bereichen enteilt – und das, obwohl 96 erst 2019, ein Jahr nach dem HSV, zuletzt in die Zweite Liga abstieg. Während es in Hannover immer wieder zu Querelen zwischen Bossen und Fan-Szene kommt, hat der HSV zu großer Einheit gefunden. Eine der Folgen ist die sportliche Stabilität.
Eine andere der Fan-Zuspruch. Während 96 im Vorjahr einen Schnitt von knapp 31.000 Fans aufwies (angesichts des zehnten Tabellenplatzes in der Liga immer noch eine anständige Zahl), stellte der HSV mit knapp 53.500 Fans pro Spiel einen neuen Zweitliga-Weltrekord auf. Der könnte in dieser Saison allerdings von Schalke 04 geknackt werden.

„Der HSV hat den Vorteil, dass die Mannschaft im Kern seit zwei Jahren zusammen spielt“, sagt Kind. „Sie spielen erfolgreichen, attraktiven Fußball, der Trainer pusht sie. Es bringt Spaß, dem HSV zuzusehen.“ Worte, die allerdings nicht im Umkehrschluss als neuerliche Kritik an Leitl zu verstehen seien, sagt Kind und muss schmunzeln. Ein sensibles Thema. Es knirscht weiterhin zwischen Boss und Coach, das weiß in Hannover jeder.
Aufstieg von 96 ist für Kind „momentan unrealistisch“
Geht es nach dem 96-Chef, führt der Aufstieg in dieser Saison nur über den HSV. „Wenn sie ihre Leistungen bestätigen, dann gehen sie hoch“, legt er sich fest. Und Hannover? „Ein Anfang wurde in Rostock gemacht“, sagt Kind. „Aber es bleibt deutlich Luft nach oben. Unsere Mannschaft hat Potenzial. Wenn wir das umsetzen, können wir in dieser Saison überraschen.“ Auf den Aufstieg zu hoffen, sei „momentan aber unrealistisch. Fußball ist kein Wunschkonzert. Aber ich hätte natürlich nichts dagegen.“
Immerhin, für den Samstag garantiert Kind dem HSV einen heißen Tanz: „Wenn unsere Mannschaft den Kampf annimmt, kann sie es zumindest schaffen, nicht zu verlieren.“ Worte, die eines verdeutlichen: Noch sind es die kleineren Brötchen, die bei 96 im Vergleich zum HSV momentan gebacken werden.