96-Boss Kind: „Man kann Probleme nicht lösen, wenn man Tennisbälle wirft”
Martin Kind steht seit Langem in der Kritik. Die Tennisball-Proteste der Hertha-Fans bezogen sich auch auf den Boss von Hannover 96 und seine Rolle beim geplanten Investoreneinstieg in die DFL. In der MOPO äußert sich Kind dazu – und zu den Aussichten von Freitagsgegner HSV und Spitzenreiter St. Pauli.
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Als der Vorsänger der Hertha-Ultras versuchte, die 30-minütige Spielunterbrechung vor der Mannschaft zu rechtfertigen, tat er das auch mithilfe des Namens von Martin Kind. „Und dann stimmt man auch noch anders ab als einem das der Verein gesagt hat“, kritisierte der Capo den Präsidenten von Hannover 96, der die Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 36 Profi-Klubs pro Investoren-Einstieg bei der DFL mit seiner Stimme ermöglicht haben soll. Im Interview mit der MOPO bestätigt der 79-Jährige nicht, entgegen dem Klub-Wunsch gehandelt zu haben. Er äußert aber Unverständnis für die aktuelle Form des Protests – und spricht auch über den HSV und den FC St. Pauli.
MOPO: Herr Kind, die Kritik, die von Verantwortlichen anderer Vereine sowie von Fans dieser Tage auf Sie einprasselt, ist enorm. Was macht das mit Ihnen?
Martin Kind: Da kann ich entspannt und gelassen mit umgehen.
Sie sagten kürzlich, dass das Zustandekommen des Investoren-Deals absolut sauber gewesen sei.
Ich kann nur zusammenfassen: Die DFL hat ein Konzept erarbeitet. Sie hat – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, denn das ist eine hohe Hürde – zwei Drittel der Gesellschafter, also eine deutliche Mehrheit, überzeugt, diesem Konzept zuzustimmen.
Kind über geheime Abstimmung zum Investoren-Einstieg
Jetzt müssen die Geschäftsführer verhandeln und eine Strategie vorlegen. Das DFL-Präsidium hat ja immer noch den Vorbehalt der Zustimmung. Dann wird es umgesetzt oder nicht – warten wir mal ab.
Es gab bei der Abstimmung zehn Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Und zwölf Klubvertreter haben später öffentlich bekundet, nicht mit Ja gestimmt zu haben. Sollten alle die Wahrheit gesagt haben, hätten Sie mit ja gestimmt – entgegen dem Wunsch des Muttervereins Hannover 96 e.V..
Ich bin ein bisschen irritiert. Das ist ein Thema der DFL, nicht meins. Wenn es eine geheime Abstimmung ist, dann ist es geheim. Da habe ich kein Verständnis, wenn Vereinsvertreter sagen, wie sie abgestimmt haben – vermeintlich, denn da es geheim war, wissen wir ja gar nicht, ob sie wirklich so abgestimmt haben.
Die Kritik vonseiten der Fans ist groß, am Samstag ist der Protest gegen Investoren in Berlin auf die bisherige Spitze getrieben worden mit einer 30-minütigen Unterbrechung. Wurde da eine Grenze überschritten?
Das kann ich gar nicht sagen. Der Hintergrund ist die Entscheidung für die Investoren. Jetzt ist die DFL-Geschäftsführung gefordert, sich zu positionieren. Sie muss ihre Strategie begründen und überzeugen. Das ist sicherlich eine besondere Herausforderung und in der aufgeheizten Stimmung schwierig.
Martin Kind fordert von Fans alternative Lösungsvorschläge
Es ist kein Geheimnis, dass die Fanszene aus Hannover dem Deal auch negativ gegenübersteht. Im Heimspiel gegen Rostock gab es erneut Proteste, es war ein großes „Nein zu Investoren“-Banner zu sehen vor der Kurve. Wie schätzen Sie die Stimmung innerhalb der Szene derzeit ein?
Hier gibt es einen Mix aus allem, es ist ein bisschen diffuser. Dass sich das auf meine Person konzentriert – additiv oder zuerst, wie auch immer –, das ist in Hannover normal. Ich glaube, man kann Probleme nicht lösen, wenn man Tennisbälle wirft. Das übersteigt meine Vorstellungskraft bei weitem.
Wenn man etwas möchte, dann muss man kritisieren, aber auch alternative Lösungsvorschläge unterbreiten. Nur zu kritisieren, das ist eine typisch deutsche Eigenschaft. Aber additiv auch Lösungsvorschläge zu unterbreiten, das fehlt vollständig und erschwert jeden Dialog.
Womöglich wird das Spiel zwischen dem HSV und Hannover am Freitag erneut durch aufs Feld geworfene Tennisbälle unterbrochen.
Ich kann mir vorstellen, dass einzelne Spieler mental nicht leicht damit umgehen können. Ich befürchte, dass Unterbrechungen Einfluss auf den Spielverlauf und die Leistungsbereitschaft der Spieler haben. Das ist bedauerlich und deshalb kann man auch ein bisschen Kritik an der aktiven Fanszene äußern: Sie reden von der Liebe zu ihrem Verein, zu ihrer Mannschaft. Und sie belasten die Mannschaft teilweise vielleicht über Gebühr.
Mit einem Sieg könnte Hannover auf drei Punkte heranrücken an den HSV. Glauben Sie, da ist noch was drin in Sachen Aufstiegskampf?
In der Hinrunde haben wir durch die letzten fünf Spiele deutlich an Boden verloren. Jetzt die ersten drei Spiele der Rückrunde waren insgesamt erfolgreich mit sieben Punkten. Trotz allem ist Realismus gefordert. Die, die vor uns stehen, müssten verlieren – und wir müssten gewinnen. Diese Szenarien wird es in der Regel so nicht geben. Überraschungen sind immer möglich, aber nein: Wir sind realistisch.
96-Präsident Kind: Lob für St. Pauli, HSV ist „Wundertüte“
An der Spitze der Tabelle stehen derzeit zwei Hamburger Klubs.
St. Pauli überrascht mich gar nicht. Die haben die die gesamte Hinrunde über performt und tun es jetzt auch wieder. Das ist eine Mannschaft, die überzeugt und toll zusammengestellt ist. Fabian Hürzeler ist ein Überraschungstrainer, der Erfolgstrainer – und die Spieler sind unglaublich motiviert. Sie haben das Erfolgs-Gen, das Leistungs-Gen verinnerlicht. Sie machen einen extrem guten Eindruck. Nach jetziger Einschätzung würde ich sagen: Die steigen auf jeden Fall auf.
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Und der HSV?
Das ist ein bisschen schwieriger. Mit der Niederlage gegen Karlsruhe hat keiner gerechnet, auf der anderen Seite dann der Sieg bei Hertha. Es ist eine Wundertüte. Von der Struktur der Mannschaft und den Profilen der Spieler her müsste es der HSV auch schaffen.