• Für den HSV entpuppte sich Jeremy Dudziak als Glücksgriff. In seiner Kindheit erlebte der Mittelfeldmann allerdings nicht nur positive Dinge.
  • Foto: Witters/Witters/Pool/Witters

„Schreckliche Schimpfwörter“: HSV-Profi Dudziak: So sehr litt ich unter Rassismus

Er ist fraglos eine der positiven Erscheinungen dieser HSV-Saison. Jeremy Dudziak, vom FC St. Pauli gekommen, fand sich sofort im Volkspark zurecht und zählte auch nach überstandener Verletzung zuletzt wieder zu den Leistungsträgern. Am Montag gegen Kiel (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) droht ihm dennoch ein Bankplatz. Für den 24-Jährigen ein Problem, mit dem er fertig wird. Er musste schon andere Proben im Leben bestehen, wie er im MOPO-Interview verrät.

MOPO: Jeremy Dudziak, Sie waren bis vor einer Woche einer der Führungsspieler des HSV. Dann durfte David Kinsombi auf Ihrer Position ran und schoss gegen Wehen Wiesbaden zwei Tore. Hat Ihr Trainer Dieter Hecking jetzt ein Luxusproblem?

Jeremy Dudziak: Na ja, von Luxusproblem könnte man vielleicht sprechen, wenn sich Messi und Ronaldo um einen Platz in einer Mannschaft streiten. Auf dem Niveau sehe ich Kinso und mich noch nicht ganz (lacht). Ich würde es mal so formulieren: Wir sind jetzt noch variabler. Und am Ende haben wir eh alle dasselbe Ziel.

HSV-Profi Jeremy Dudziak kämpft um seinen Stammplatz

Jeremy Dudziak

Jeremy Dudziak feiert sein Tor für den HSV in Fürth.

Foto:

Preiss/Witters/Pool/Witters

Dennoch: Sie haben gut gespielt, aus Rotationsgründen pausiert und könnten nun Ihren Stammplatz verlieren. Wurmt Sie das nicht?

Es ist ja an mir, mich wieder aufzudrängen. Das ist doch kein Grund sich zu ärgern. Da gibt es andere Dinge auf der Welt.

Ein gutes Stichwort. Auch die Sportwelt nimmt großen Anteil an der Rassismus-Debatte, die durch George Floyds gewaltsamen Tod in den USA entstanden ist. Auch Sie haben auf Instagram ein schwarzes Bild mit den Zeilen „Black Lives Matter“, zu Deutsch: Schwarze Leben zählen, gepostet. Wie nehmen Sie auf, was geschehen ist?

Rassismus ist etwas Entsetzliches. Das sind schreckliche Dinge, die niemand gutheißen kann.

Der DFB-Kontrollausschuss hat darauf verzichtet, Sanktionen gegen einige Profis auszusprechen, die auf dem Platz offensiv gegen Rassismus protestierten.

Das hat mich sehr gefreut, denn viele waren sich ja nicht sicher, ob es nicht vielleicht doch Strafen geben würde. Der DFB hat da ein gutes Zeichen gesendet.

HSV-Profi Jeremy Dudziak: So sehr litt ich unter Rassismus

Ein Herz und eine Seele: Jeremy Dudziak und seine Mama Svenja, die ihn früh vor rassistischen Anfeindungen schützte..

Ein Herz und eine Seele: Jeremy Dudziak und seine Mama Svenja, die ihn früh vor rassistischen Anfeindungen schützte..

Foto:

Instagram/jeremydudziak

Sie selbst sind dunkelhäutig, Ihr Vater stammt aus Tunesien. Wurden Sie auch schon Opfer rassistischer Übergriffe?

Ja, so was habe ich erlebt. Vor allem als Kind.

Was ist passiert?

Ich wurde beleidigt, mit schrecklichen Schimpfwörtern. Das ist für ein Kind natürlich fürchterlich, weil du überhaupt nicht weißt, wie du damit umgehen sollst.

Wer hat Ihnen in der Zeit geholfen?

Meine Mutter, dafür bin ich ihr sehr dankbar. Wir haben uns früh mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt. Das hat mir geholfen. Aber natürlich habe ich mich trotzdem manchmal durch Beleidigungen provozieren lassen. Diese Zeit hat mich sicherlich geprägt.

Wurden Sie auch auf dem Fußballplatz beleidigt?

Das nicht. Vielleicht liegt das an der Ecke, aus der ich komme. Meine Heimat ist das Ruhrgebiet, da gibt es gefühlt alle Nationen auf einem Fleck. Da spielte bei uns Rassismus auf dem Fußballplatz keine Rolle, da wurde einfach nur gekickt.

Ihr nächster Gegner mit dem HSV ist nun am Montag Kiel. An Holstein haben Sie abseits des Platzes vermutlich auch keine guten Erinnerungen.

Das kann man wohl so sagen.

HSV-Profi Jeremy Dudziak von Fans des FC St. Pauli beleidigt

Beim Warmmachen musste Jeremy Dudziak (l.) das Plakat lesen.

Beim Warmmachen musste Jeremy Dudziak (l.) das Plakat lesen.

Foto:

Fishing4

Vor rund einem Jahr, als Ihr Wechsel zum HSV feststand, hängten St. Pauli-Fans in Kiel das sogenannte „Rautenschwein“-Spruchband auf, mit dem Sie übel verunglimpft wurden.

Auf meine Karriere bezogen war das vielleicht der schlimmste Moment, den ich bislang erlebt habe. Ein absoluter Tiefpunkt. Aber auch daraus bin ich gestärkt hervorgegangen. Das hilft mir jetzt in anderen Situationen.

Sie können es ja nun beurteilen: Ist der Druck, beim HSV zu spielen, wirklich größer als bei anderen Vereinen?

Das wird ja immer wieder behauptet. Und es stimmt schon auch. Das habe ich hier schon am zweiten Tag gemerkt. Aber man muss das nicht immer ins Negative ziehen.

So wird es aber gern dargestellt.

Ich sehe das nicht so. Jeder, der was ereichen möchte, hat doch Druck. Und so geht es uns beim HSV auch. Wir haben ein Ziel, das bedeutet eben auch Druck. Der kann ja aber auch positiv sein. Die Aussicht, das Ziel zu erreichen, kann doch auch beflügeln. Ich versuche mich immer selbst von negativem Druck und Gedanken zu befreien.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Ich sage mir: Lass die Leute, die uns was Schlechtes wollen, reden. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sie zum Schweigen zu bringen. Fertig.

Dennoch lief es zuletzt nicht mehr richtig rund. Sie verloren Rang zwei an den VfB Stuttgart.

Die Niederlage beim VfB war mit Blick auf die Tabelle ein Rückschlag. Und sicherlich im ersten Moment auch mental. Wir hatten nicht viel Zeit, das zu verarbeiten, denn dann stand schon das Spiel gegen Wehen Wiesbaden an. Das haben wir dann gut gelöst.

War aber knapp …

Ja, aber wir haben eine Tugend gezeigt, die du absolut brauchst: den unbedingten Siegeswillen. Und wir haben am Ende drei Punkte geholt. Ich sehe dieses Spiel als klaren Schritt nach vorn. Es gibt keinen Grund, an uns zu zweifeln.

HSV-Profi Jeremy Dudziak will in die Bundesliga

Nimmt man Ihre eigene Saison, können Sie sogar sehr zufrieden sein. Sie wurden Stammspieler und Leistungsträger, dazu sogar tunesischer Nationalspieler.

Klingt gut, oder? (lacht). Klar, so gesehen kann ich ein positives Zwischen-Fazit ziehen. Aber das Entscheidende fehlt noch: Das Erreichen des Ziels mit der Mannschaft, das die Saison krönen würde.

Das wäre dann der Aufstieg in die Bundesliga. Es heißt, Sie würden ohnehin eine Ausstiegsklausel im Vertrag stehen haben, der Ihnen im Sommer einen Wechsel ins Oberhaus erlaubt (für eine Ablöse von drei Millionen Euro, die Red.). Hand aufs Herz: Sind Sie sicher, dass Sie in der kommenden Saison noch beim HSV spielen?

Was ich sagen kann, ist, dass ich mich beim HSV sehr wohl fühle. Und für uns alle gerade nur zählt, dass wir unser Ziel erreichen.

Ihr Ziel dürfte aber die Bundesliga sein.

Natürlich. Aber der HSV hat doch das gleiche Ziel. Darum bin ich ja hierhergekommen. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

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