„Hätte all das nicht gebraucht“: Vier Wochen nach HSV-Aus: So geht es Thioune jetzt
Knappe vier Wochen ist er her, der große Knall im Volkspark. Am 3. Mai wurde Daniel Thioune vom HSV beurlaubt, seitdem ist einiges passiert. Zunächst verglimmten die letzten Aufstiegshoffnungen, dann präsentierte der Verein mit Tim Walter seinen neuen Trainer. Thioune hat all das verfolgt – und rüstet sich nun für seine eigene Zukunft.
Anfang dieser Woche kam er zurück, es gab da noch das eine oder andere aufzuarbeiten. Thioune, der mit seiner Familie wieder in seine Heimat Osnabrück gezogen ist, fuhr nochmal nach Hamburg, traf sich mit alten Vertrauten aus seinem Trainerteam und ließ Dinge Revue passieren. Gespräche helfen. Noch dazu, wenn die Wunden des Rauswurfs noch immer nicht komplett verheilt sind.
Ex-HSV-Trainer Thioune: So hat er seine Beurlaubung verkraftet
Als die MOPO den 46-Jährigen am Telefon erreicht, macht er einen aufgeräumten Eindruck. Alles gut soweit. Doch es arbeitet in ihm, wie sollte es auch anders sein, so kurze Zeit danach? „Es gab sicherlich Phasen von großer Enttäuschung, hin zu Reflexion und Verarbeitung“, stellt er klar. „Diese Analysephase ist noch nicht ganz abgeschlossen.“
Wie könnte sie auch? Eine völlig neue Erfahrung war das, die Thioune da Anfang des Monats durchmachen musste. Nach nur drei Siegen aus den vorangegangenen 13 Spielen zog der HSV die Reißleine. Ein unterm Strich nicht ungewöhnlicher Vorgang in einem Trainerleben. Für Thioune aber pures Neuland. „Für mich persönlich ist das eine komplett neue Erfahrung, weil ich weder als Spieler noch als Trainer jemals freigestellt wurde“, erzählt er. „Es wird ja immer gesagt, man sei erst ein richtiger Trainer, wenn man mal entlassen wurde. Ganz ehrlich: Ich hätte all das nicht gebraucht, muss mich damit aber nun auseinandersetzen. Dieser Teil gehört jetzt auch zu meiner Geschichte, zu meiner Persönlichkeit.“
Thioune sah sich die HSV-Auftritte weiterhin an
Ganz loslassen war ohnehin nicht drin. Er hat sie intensiv verfolgt, die drei letzten Saisonpartien unter Interimscoach Horst Hrubesch. Sah mit an, dass es für den HSV im Aufstiegskampf nicht mehr reichte. Ob Thiounes Entlassung zuvor nun wirklich sein musste, darüber wird noch immer gestritten – zumal die HSV-Profis auch unter Hrubesch bei der Partie in Osnabrück (2:3) in alte Muster verfielen. Thioune aber ist zumindest bemüht, die Entscheidung der HSV-Bosse nachzuvollziehen. „Wenn man den Verlauf betrachtet, mit den drei Siegen aus 13 Spielen, muss ich es rational beurteilen. Ich habe nicht die Ergebnisse erzielt, die man als Trainer des HSV insgesamt vielleicht erzielen muss. Das ist dann business as usual.“
Neuer Trainer, neues Glück, heißt es nun mal wieder beim HSV. Und naturgemäß wird mit dem neuen Mann ein Gegenentwurf zu dem gesucht, was man vorher hatte. Für Walter entschieden sich die HSV-Bosse auch, weil er in der Kabine als etwas härterer Hund im Vergleich zu Thioune gilt. Doch mit dem Vorwurf, vielleicht zu nett gewesen zu sein, kann Thioune wenig anfangen. „Ich habe für mich entschieden, wie ich mit Menschen umgehen möchte“, sagt er und spricht aus Überzeugung: „Da habe ich meinen Weg, den werde ich immer wieder modifizieren, aber nicht verlassen. Da geht es viel um Respekt, das wurde in den Vorjahren sehr wertgeschätzt.“
Ex-HSV-Trainer ist bereit für neue Aufgaben
Thioune will sich nicht verbiegen lassen. Wer ihn künftig verpflichtet, wird wissen, welches Trainer-Paket er bekommt. Denn zumindest diese Entscheidung hat der Niedersachse für sich gefällt: Er will weiter trainieren. „Ich habe keinen Zeitpunkt für mich definiert, aber sehr wohl, dass ich weiter Trainer bleiben möchte“, lässt er wissen. Wie schnell er zurück ins Geschäft kehrt, könne niemand wissen, „es geht um die Aufgabe, nicht um den Zeitpunkt“. Klar sei aber: „Ich brauche keine Pause. Ich habe jede Minute auf dem Platz genossen, ob in Hamburg oder Osnabrück, und habe Energie.“
Die Lebenserfahrung HSV könnte ihm dabei helfen. Wer das mal mitmacht, ist gestählt, heißt es in der Branche. „Auch wenn der Verlauf insgesamt nicht optimal war, habe ich in Hamburg sehr viel Zuspruch erhalten und ein paar Fußspuren hinterlassen“, fasst Thioune zusammen. „Das habe ich auch mitgenommen.“
Thioune lernte Hamburg nie richtig kennen
Nur eines ist dann tatsächlich richtig blöd gelaufen. Hamburg, diese tolle Stadt, ihr Flair, all das hat Thioune auch aufgrund der strengen Hygieneauflagen der DFL nie richtig entdecken können. „Ich kenne den Volkspark in- und auswendig und den Weg zu meiner Wohnung“, sagt er. „Viel mehr war ja leider nicht möglich.“