• Marcell Jansen und Marcelo Díaz im Februar 2015 nach einem 3:0-Sieg des HSV in Paderborn.
  • Foto: imago/MIS

HSV-Präsident Marcell Jansen: „Marcelo Díaz hat meine Karriere beendet“

Acht Millionen Euro bezahlte der HSV im Sommer 2008, um Marcell Jansen vom FC Bayern in den Volkspark zu holen. Mit dieser Ablösesumme gehört der ehemalige Nationalspieler auch heute noch zu den Top Ten der teuersten HSV-Zugänge aller Zeiten. Sieben Jahre stand Jansen als Profi beim HSV unter Vertrag. Er machte 187 Spiele, erzielte 24 Tore und bereitete 20 Treffer vor.

Was war für Jansen das HSV-Spiel seines Lebens? „Das ist eine sehr schöne, aber gleichzeitig auch sehr schwierige Frage“, sagt der 35-Jährige, der als Spieler in Hamburger eine sehr abwechslungsreiche Zeit erlebte.

„Es gab viele emotionale Highlights für mich. Ich hatte das Glück, viele Halbfinals spielen zu dürfen und in der Bundesliga die obere Hälfte zu sehen. Aber es gab auch ganz viele Abstiegskämpfe. Zum Glück habe ich als Spieler beim HSV den Abstieg nicht erlebt.“

Für Jansen hatte Karlsruhe eine „sehr große Wichtigkeit“

Bei der Wahl seines HSV-Spiels des Lebens hat sich Jansen letztlich für eine Partie entschieden, bei der er gar nicht auf dem Platz stand. Es war das Relegationsrückspiel 2015 in Karlsruhe. Jansen: „Es war für mich einerseits das emotionalste Spiel und es hatte auf der anderen Seite für mein Leben eine sehr große Wichtigkeit.“ In der MOPO erzählt Jansen erstmals seine ganz persönliche Geschichte dieses Spiels.

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Der Linksfuß hatte sich damals kurz vor dem Saisonende eine Muskelverletzung zugezogen und konnte die beiden Relegationsspiele gegen Karlsruhe nur als Zuschauer verfolgen. Das Hinspiel im Volkspark endete 1:1, zum Rückspiel nach Karlsruhe reiste Jansen privat im Zug zusammen mit Gojko Kacar und Artjoms Rudnevs, die ebenfalls beide nicht spielen konnten. 

Jansen hatte zuvor nicht mal mit seinen Eltern gesprochen

„Ich kannte die Relegation schon vom Jahr davor in Fürth. Nach Karlsruhe zu fahren, war für mich trotzdem ein ganz komisches Gefühl. Einerseits weil ich auf dem Platz nicht helfen konnte. Und dann war da noch etwas, was es für mich ganz besonders gemacht hat. Ich wusste für mich schon, dass ich aufhören werde als Profi -und das wusste sonst zu dem Zeitpunkt wirklich noch keiner, nicht mal meine Eltern. Ich habe es erst mal mit mir herumgeschleppt und bin so nach Karlsruhe gefahren.“

Dort erlebte Jansen ein irres Wechselbad der Gefühle, bei dem dann auch sein eigentlich schon beschlossenes Karriereende plötzlich wieder auf der Kippe stand. Das Spiel in Karlsruhe lief nicht so wie erhofft. Reinhold Yabo brachte den KSC in der 78. Minute mit 1:0 in Führung. Jansen saß zusammen mit Rudnevs und Kacar auf der Tribüne direkt hinter der Spielerbank. Er erinnert sich: „Während des Spiels sind wir von einigen KSC-Fans angegangen worden. Das war nicht schön. Es gab sehr viel Spott und sehr viel Häme.“

Für die Karlsruher stand schon der Champagner bereit

Kurz vor Schluss stand es immer noch 1:0 für den KSC, der HSV wäre damit abgestiegen. „Das Spiel war so gut wie gelaufen“, erzählt Jansen, der die letzten Minuten fast nur noch auf den Boden schaute. Er erlebte, wie neben ihm bereits ein Tisch mit Champagner-Flaschen und Aufstiegs-T-Shirts aufgebaut wurde und der Stadionsprecher sagte, dass man gleich bei den Feierlichkeiten die Gäste aus Hamburg mit Respekt behandeln soll. Selbst war er wie in einer Parallelwelt und machte sich noch mal über alles Gedanken.

„Mir ging durch den Kopf: Was mache ich jetzt? Ich kann so nicht aufhören. Wenn wir absteigen, dann spiele ich halt weiter. Notfalls auch umsonst. Der HSV war für mich die intensivste und geilste Zeit als Profi. So von der Bühne in ein neues Leben zu gehen, das konnte ich nicht machen. Ich habe alles noch mal hinterfragt. Ich hatte das Bild vor Augen, jetzt laufen hier gleich alle auf den Platz und wir sind das erste Mal in der Zweiten Liga. Das war so eine Last. Das hat mich sehr getroffen.“

An ein Van der Vaart-Tor glaubte Jansen nicht mehr

Mitten in diesen Moment hinein klopfte Gojko Kacar auf Jansens Schulter. „Er sagte zu mir: ‚Cello, Cello, Freistoß!‘ Ich weiß es noch genau, ich guckte zu ihm nach oben und meinte nur: ‚ja super‘. So nach dem Motto: Ich glaube nicht, dass Rafa den jetzt reinschießt. Der hat die letzten Wochen einfach auch nicht getroffen. Warum sollte er jetzt?“

Jansen hatte keine Hoffnung mehr. Als er dann auch noch sah, dass van der Vaart und Marcelo Díaz auf dem Platz diskutierten, wurde es nicht besser. „Ich dachte, Rafa schießt normal, er lief aber gar nicht an. Dann hat plötzlich Díaz geschossen. Ich habe das gar nicht so richtig wahrgenommen, weil ich noch dachte, wie kann man in so einer Situation jetzt streiten. Und auf einmal geht der Ball ins Tor.“

Der Chilene Marcelo Díaz (2.v.l.) tritt den Freistoß gegen Karlsruhe und gleicht zum 1:1 aus.

Der Chilene Marcelo Díaz (2.v.l.) tritt den Freistoß gegen Karlsruhe und gleicht zum 1:1 aus.

Foto:

WITTERS

Jansen stürmte zusammen mit Kacar und Rudnevs auf den Platz. Bei der Rückkehr wurden sie von den KSC-Fans noch mehr beschimpft. In der Verlängerung traf Nicolai Müller zum 2:1. Der HSV schaffte den Klassenerhalt und Jansen war frei für seinen Schritt in ein neues Leben.

Jansen: „Nicht mal Spielberg hätte das schreiben können“

„So einen Verlauf wie es ihn in diesem Spiel gab, das kann nicht mal Steven Spielberg schreiben. Mir ist so viel Last abgefallen. Das war für mich das krasseste Gefühl. Ich war wie in Ohnmacht“, sagt Jansen, für den es das emotionalste Erlebnis als HSV-Profi und damit auch das HSV-Spiel seines Lebens war.

Erst ein paar Tage nach dem Spiel in Karlsruhe erzählte er seiner Familie und seinen engsten Freunden erstmals, dass er mit 29 Jahren seine Karriere beenden wird. Heute sagt er: „Marcelo Díaz hat mit seinem Freistoßtor meine Karriere beendet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wäre der HSV in Karlsruhe abgestiegen, hätte ich nicht aufhören können.“

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