Kaum zu stoppen: Leif Tissier glänzte bei seiner Rückkehr nach Hamburg gegen seinen Ex-Klub mit sechs Toren.

Kaum zu stoppen: Leif Tissier glänzte bei seiner Rückkehr nach Hamburg gegen seinen Ex-Klub mit sechs Toren. Foto: Imago

„Genick gebrochen“: Hamburgs Handballer verlieren Heimstart gegen Ex-Liebling Tissier

Nach der Schlusssirene hatten es die Spieler des Handball Sport Vereins Hamburg eilig. Alle in die Kabine. Zügig, teilweise im Laufschritt. Das ist untypisch. Normalerweise lassen sich die HSVH-Profis immer sehr viel Zeit im Innenraum, geben Interviews und ausgiebig Autogramme, sprechen mit ihren Angehörigen. Waren es der Ärger und die Enttäuschung über die vermeidbare 29:33-(16:15)-Niederlage gegen Hannover-Burgdorf mit dem langjährigen Hamburger Liebling Leif Tissier bei der Heim-Premiere der neuen Saison, weil die Hamburger nach ihrem überzeugenden Auftaktsieg in Stuttgart dieses Mal unter ihren Möglichkeiten geblieben waren? Dicke Luft nach dem bitteren Fehler-Festival?

Nein, nur ein neues Protokoll, nach dem sich die Mannschaft nach Schlusspfiff nun erst einmal in der Kabine versammelt und dann fünf bis zehn Minuten später in Trainingsjacken aufs Parkett zurückkehrt. Ungewohnt. Und ohne vorherige Ankündigung irritierend. Gewöhnen kann sich Kapitän Niklas Weller auch nicht an das Gefühl, Spiele zu verlieren, schon gar nicht vor eigenem Publikum.

Kapitän Weller: Niederlage gegen Hannover „tut weh“

„Jede Niederlage tut weh“, sagte der Kreisläufer nach dem umkämpften Duell mit dem Topteam, „gerade in einem Spiel, in dem wir grundsätzlich das Potenzial haben, zu gewinnen. Auch die Hannoveraner haben nicht ihr bestes Spiel gemacht.“ Das galt aber nicht für Leif Tissier, den Neu-Hannoveraner und langjährigen Hamburger, Kumpel von Weller und in den vergangenen Spielzeiten Co-Kapitän des HSVH. „Wir hatten ein paar Probleme mit Leif. Er macht es super und ist halt immer schwer zu verteidigen. Schön, dass er da war – aber ich hätte es ihm gerne nicht ganz so schön gemacht, dass er die Punkte mitnimmt. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen.“

Ausgerechnet Tissier hatte gegen seinen Heimatverein einen Sahnetag erwischt, war mit sechs Toren bester Werfer seiner Mannschaft (zusammen mit Justus Fischer und Daniel Weber). „Natürlich war es ein besonderes Spiel und ich bin überglücklich, wie es gelaufen ist“, freute sich der Rückkehrer nach der Partie. „Ich habe versucht, alles auszublenden im Spiel. Mit Anpfiff war alles normal.“ Sein Torjubel fiel sichtbar nicht ganz so euphorisch aus. „Man muss es nicht übertreiben, denn ich habe dem Verein hier viel zu verdanken.“

Leif Tissier glänzt bei seiner Hamburg-Rückkehr

Verdanken hatten Tissier und Co. den Sieg auch den Unzulänglichkeiten auf Hamburger Seite. „Wir haben 13 technische Fehler gemacht, dann muss man sich nicht wundern, wenn man verliert“, legte HSVH-Trainer Torsten Jansen auf der Pressekonferenz den Finger in die Wunde, meinte wenig später zur MOPO: „So viele Fehler – das hat uns das Genick gebrochen“. Die Niederlage sei „schade für uns, denn wir hätten gerade bei der Premiere gerne einen Heimsieg gefeiert.“ Und eigentlich die Chance bei einer normalen Fehlerzahl.

Das erste Heimtor der neuen Saison hatte vor 2758 Zuschauenden ein Neuer erzielt: Linksaußen Kaj Geenen, der überraschend für Casper U. Mortensen in der Startformation stand, weil der blitzschnelle Niederländer laut Jansen besser für den nötigen Wechsel zu Abwehrspezialist Einar Olafsson nach einem Hamburger Angriff geeignet sei. Den ersten Treffer der Gäste erzielte übrigens auch ein waschechter Hamburger: Tissier.

Enge erste Halbzeit, Hamburger Rückraum hat Probleme

Es entwickelte sich eine umkämpfte und enge Partie auf Augenhöhe, in der sich keine Mannschaft in den ersten 30 Minuten absetzen konnte. Der HSVH tat sich im Angriff schwer. Der Rückraum (Jacob Lassen war über 60 Minuten ein Totalausfall) entwickelte gegen die offensive Hannoveraner Deckung nicht genügend Durchschlagskraft, zudem leisteten sich die Hamburger besagte technische Fehler.

Apropos Technik: Nach gut zehn Minuten musste die Partie unterbrochen werden, weil ein Teil der Lichtanlage ausgefallen und der Neunmeterraum der Gastgeber nicht mehr hell ausgeleuchtet war. Dennoch wurde kurz darauf weitergespielt, weil sich das Problem nicht sofort lösen ließ. Drei Minuten später gingen dann aber wieder die an der Decke der altersschwachen Halle befestigten Scheinwerfer an.

Panne in der Sporthalle: Lichtanlage fällt aus

Der neue Mittelmann Nicolaj Jørgensen, der beim 36:33-Auftaktsieg in Stuttgart mit elf Toren einen überragenden Einstand im Hamburger Trikot und auch der Bundesliga gegeben hatte, konnte bei seiner Premiere vor eigenem Publikum nicht für Highlights sorgen. Er fand gar nicht ins Spiel und sich selbst nach zehn Minuten und zwei Fehlwürfen auf der Ersatzbank wieder. Seinen ersten Treffer erzielte der Torschützenkönig der vergangenen Saison der dänischen Liga erst in der 19. Minute per Siebenmeter.

Die Keeper des HSVH konnten dem Spiel auch nicht ihren Stempel aufdrücken. Robin Haug, der begonnen hatte, musste den Platz zwischen den Pfosten nach 20 Minuten und nur zwei Paraden räumen, Mohamed El-Tayer schaffte die gleiche Anzahl in der Hälfte der Zeit. Weil auch das gegnerische Torhüter-Gespann gemeinsam nur auf vier Paraden kam, führten die Hamburger zur Halbzeit knapp mit 16:15.

Kuriose Rotation: vier verschiedene Siebenmeterschützen

Die Pause tat den Hausherren nicht gut, die mit 17:22 (40.) in Rückstand gerieten und sich auch in einer Auszeit von Coach Jansen zunächst nicht fingen. Es wurde noch schlimmer: Jørgensen warf einen Siebenmeter-Heber weit über die Latte, Geenen bei einem weiten Ball auf das leere Gäste-Gehäuse am Tor vorbei. „Da läuft man gefährlich hinterher und dann wird es blöd“, meinte Trainer Jansen.

Kurios: die Siebenmeter-Rotation des HSVH. Obwohl Jørgensen den ersten Strafwurf verwandelt hatte, trat zum zweiten Frederik Bo Andersen an, der ebenso traf, wie beim dritten Siebenmeter Mortensen, der dafür von der Bank kam. Siebenmeter Nummer vier verwarf dann Jørgensen. Nummer fünf verwandelte dann Andersen. Mit Nummer sechs scheiterte Mortensen.

Paraden von Robin Haug bringen HSVH nochmal heran

Für einen neuen Impuls sorgte dann Keeper Haug, der eine Viertelstunde vor Schluss wieder eingewechselt worden war und innerhalb weniger Minuten mit vier starken Paraden dafür sorgte, dass sein Team wieder auf 22:23 (49.) herankam, was im Angriff am ebenfalls eingewechselten Mortensen lag, der in dieser Phase drei Tore in Serie erzielte. Standing Ovations in der Halle.

Die zweimalige Chance auf den Ausgleich machten sich die mit sieben Feldspielern angreifenden Hamburger mit eigenen Fehlern zunichte und Hannover zog wieder auf vier Tore davon (55.). Das Spiel war entschieden.

Viel Zeit, die Niederlage zu verdauen, hat das Jansen-Team nicht. Bereits am Sonntag empfängt der HSVH im zweiten Heimspiel in Serie die Rhein-Neckar Löwen (18 Uhr). Dann müssen mehr Konzentration und auch Emotion auf dem Parkett der Sporthalle Hamburg her. Und mehr Publikum.

Sonntag Heimspiel gegen Rhein-Neckar Löwen

Die Zuschauerzahl – enttäuschend. Beim Heimauftakt – noch dazu gegen einen Gegner, der zwar nicht vom Namen und seiner Titelsammlung, aber aufgrund der Leistungsstärke zu den Topteams der Liga zählt – muss eine volle Sporthalle (3750 Plätze) drin sein, milder Septemberabend hin, Wochentag her. 2758 Fans sind einfach zu wenig und auch enttäuschend, wenngleich die Stimmung gut war. Ein empfindlicher Dämpfer bei dem erklärten Ziel, die kleine Sporthalle immer auszuverkaufen.

Tore HSVH: Mortensen (5/1), Andersen (5/2), Geenen (4), Weller (3), Jørgensen (3/1), Magaard (3), Norlyk (3), Kofler (2), Lassen (1).

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test