Johannes Bitter vom HSV Hamburg jubelt
  • Explosion der Emotionen: Hamburgs Keeper-Riese Johannes Bitter
  • Foto: WITTERS

Ekstase im Volkspark! Hamburgs Handballer klauen Kiel mit irrer Aufholjagd den Sieg

Tor, Schlusssirene, Eskalation! Hamburgs Handballer haben nach einer irren Aufholjagd in allerletzter Sekunde den verdienten Ausgleich im Nord-Kracher gegen den THW Kiel erzielt, den historischen ersten Punktgewinn gegen den Rekordmeister perfekt gemacht und die mit 10.173 Zuschauenden in der heimischen Barclays Arena im Volkspark zum Beben gebracht. Der HSVH sah schon wie der klare Verlierer aus, drehte nach Fünf-Tore-Rückstand in einer spektakulären Schlussphase wieder auf und schaffte noch ein 28:28 (15:16). Ein Remis, das sich wie ein Sieg anfühlte – und auch so gefeiert wurde.

Wie von der Tarantel gestochen rannten die Hamburger Spieler nach Ablauf der Spielzeit über das Parkett, sprangen, brüllten, reckten die Fäuste empor, lagen sich in den Armen, tanzten. Nach zuvor fünf Liga-Siegen in Serie nun im sechsten Duell mit dem THW endlich der ersehnte der erste Punkt – die Krönung der überragenden letzten Wochen für den Tabellenneunten. Entsprechend frenetisch waren die Jubelszenen.

Frederik Bo Andersen tritt zum Remis für den HSV Hamburg

Mittendrin: Rechtsaußen Frederik Bo Andersen, der aus einem fast unmöglichen Winkel in der letzten Aktion mit einem perfekten Wurf in den Knick das Unentschieden besorgte und fast geschockt schien von seinem genialen Wurf, während die Mitspieler ihn bestürmten und umarmten.

Am Boden: Keeper-Riese Johannes Bitter. Zwölf Sekunden vor Spielende hatte der 41-Jährige beim Stande von 27:28 einen Siebenmeter von Kiels sonst so sicherem Schützen Niclas Ekberg pariert, war dem gehaltenen Ball hinterhergehechtet, hatte sich dabei einen schmerzhaften Krampf zugezogen und musste behandelt werden. Das Jubeln ließ sich Bitter (15 Paraden) aber nicht nehmen – humpelnd.

Johannes Bitter wird zum Helden gegen den THW

„Das war geil! Das hat einfach sooo wahnsinnig Spaß gemacht“, schwärmte der Torwart-Gigant, der in der heißen Phase zu großer Form auflief und seine Kiste vernagelte. „Es fühlt sich wahnsinnig schön an.“ Trotz der Schmerzen im hinteren linken Oberschenkel.

Trainer Torsten Jansen war schnell in die Katakomben geeilt, um sich abzukühlen und zu sammeln. „Ich schwitze wie ein Schwein, bin noch voll unter Strom. Wahnsinn!“, sagte er zur MOPO. „Jungs haben eine überragende Moral gezeigt, immer an sich geglaubt. Vor so einer genialen Kulisse so eine Aufholjagd hinzulegen gegen den THW – das ist nicht zu toppen.“

„Einfach geil“ und „extrem stolz“: Weller und Baijens feiern

Fünf Spiele hatte der HSVH bis dato gegen Kiel bestritten, immer verloren, fast immer sehr deutlich. „Jetzt gegen den THW einen Punkt zu holen und dann auch noch in dieser Manier, ist einfach nur geil“, freute sich Kapitän und Kreisläufer Niklas Weller, der dienstälteste Spieler im Kader – und früher beim THW in der Jugend. Rückraum-Turbo Dani Baijens war „extrem stolz auf unsere Mannschaft. Das war mega!“

13 Minuten vor dem Schluss schien die Partie gelaufen und auf das übliche Ende hinauszulaufen – einen ungefährdeten Sieg der Kieler, die trotz ihrer aktuellen Form-Probleme und Tabellenplatz vier als Favorit in die Partie gegen die Seriensieger vom HSVH gegangen waren. 21:26 stand es zu diesem Zeitpunkt in einem in den ersten 40 Minuten ausgeglichenen Spiel, in dem bei den immer zag- und fehlerhafter agierenden Hamburgern dann die Kräfte schwanden, während bei den Kielern immer wieder frische Leute von der breit und stark besetzten Bank kamen.

HSVH holt fünf Tore auf, Kiel-Coach Jicha: „Arroganz“

„In den letzten zehn Minuten haben wir uns gesagt: scheißegal, wir haben nichts zu verlieren, lasst es uns einfach genießen und mutig spielen, mit vollem Risiko“, berichtete Bitter von dem psychologischen Wendepunkt.

Der Riese machte den Laden dicht. Im Angriff holten seine Vorderleute Tor um Tor auf, weil der THW im Gefühl des vermeintlich sicheren Sieges plötzlich überheblich und fehlerhaft agierte, mit einer „gewissen Arroganz“ im Abschluss, wie der Kieler Trainer Filip Jicha seine Mannen hart kritisierte.

Casper Mortensen bester Werfer beim HSVH gegen Kiel

67 Sekunden vor Schuss lag der HSVH immer noch mit 26:28 hinten, doch Weller schaffte den Anschluss, Bitter parierte den Strafwurf von Ekberg und es folgte Andersens millimetergenauer Wurf – der Startschuss zur großen Party. Ein Meilenstein für den Verein, der noch nie gegen eines der absoluten Spitzenteams der Liga, den großen Vier, gepunktet hatte. Ein historischer Abend.

Tore HSVH: Mortensen (9/3), Ilic (7), Tissier (3), Weller (3), Baijens (3), Andersen (2), Risom (1)

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