Geständnis: Warum Xabi Alonso fast in der Wirtschaft gelandet wäre
Um ein Haar wäre Xabi Alonso jetzt in der freien Wirtschaft tätig. Man mag es aus heutiger Sicht kaum glauben, doch noch während seiner ersten Profi-Jahre bei Real Sociedad San Sebastián studierte der Baske nebenher. Der Sache mit dem Fußball traute er nicht so recht.
Eine Profi-Karriere habe er „ehrlicherweise lange nicht für möglich gehalten, darum war es auch nie mein einziges Ziel im Leben“, erzählte der Trainer des designierten deutschen Meisters Bayer Leverkusen mal im Vereinsmagazin „Werkself“: „Ich habe studiert und nebenbei gespielt und mal geschaut, wie weit ich es im Fußball schaffe.“
Er sei sogar zur Uni gegangen, „bis ich nach Liverpool gewechselt bin“, berichtete Alonso weiter. 2004 war das, da war er schon 22. „Es hat nur ein Kurs gefehlt, um den Abschluss in Wirtschaftswissenschaften zu machen“, sagte er: „Ich hätte ohne den Wechsel wohl den gleichen Weg wie meine Freunde eingeschlagen: das Studium abschließen, mir einen Job in der Wirtschaft suchen. Das war der klare Plan für den Fall, dass ich keinen Erfolg im Fußball gehabt hätte, und das war auch völlig okay für mich.“
Nach erfolgreicher Profikarriere nun Trainerkarriere
Es wurde dann doch etwas mit dem Fußball. Alonso wurde einmal Weltmeister, zweimal Europameister, zweimal Champions-League-Sieger und gewann 13 weitere Titel. Der ebenso galante wie notfalls eisenharte Mittelfeldspieler wurde zu einem der erfolgreichsten Profis in diesem Jahrtausend. Und nun, mit 42, bastelt er an einer vielleicht nicht minder erfolgreichen Trainer-Karriere.
Mit Leverkusen kann er schon am Wochenende den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte perfekt machen und die elfjährige Meisterserie des FC Bayern beenden. Als Endspiel-Teilnehmer im DFB-Pokal und Viertelfinalist in der Europa League ist sogar das Triple drin. Damit das so bleibt, will Alonso am Donnerstag (21.00 Uhr/RTL) mit seiner Mannschaft im Hinspiel gegen West Ham United den nächsten Schritt Richtung Finale in Dublin gehen. Erst die Engländer schlagen, dann am Sonntag die Meisterschaft feiern: So könnte die perfekte Bayer-Woche aussehen.
Deutschland als erste Trainer-Station lange anvisiert
Dass er seine Trainer-Karriere so richtig in Deutschland starten will, hatte er schon lange im Kopf. Bereits vor seinem Wechsel als Spieler nach München 2014 habe Alonso „typisch deutsche Eigenschaften“ gehabt, sagte er. Vor Ort habe ihm dann die Organisation und die analytische Herangehensweise sehr gefallen. „Nun, in der zweiten Etappe meiner Karriere, ist meine Verantwortung noch größer geworden und diese Dinge haben noch einmal an Bedeutung gewonnen“, sagte er. Deshalb habe er sich „immer daran erinnert, dass diese Liga der richtige Ort für mich ist, um nach der Zeit in San Sebastián den nächsten Schritt in meiner Trainerlaufbahn zu gehen.“
Mönchengladbach sagte er 2021 noch ab, weil er sich noch nicht reif fühlte. Im Oktober 2022 klopfte Leverkusen an. Alonso sagte zu und startete mit Bayer durch. Im Frühjahr war er beim FC Bayern wie beim FC Liverpool der Wunschkandidat. Alonso kam durchaus ins Grübeln, zu beiden Ex-Vereinen hat er eine enge Bindung. Doch dann beschloss er: Seine Mission in Leverkusen ist nicht beendet, er bleibt mindestens noch ein Jahr. Die Angebote werden wiederkommen, da kann er sich recht sicher sein. Und viele glauben eh, dass der von ihm auserkorene nächste Schritt in ein oder zwei Jahren die Nachfolge von Carlo Ancelotti bei Real Madrid ist.
Alonso essenziell für Beliebtheits-Boom
Alonsos Einfluss in Leverkusen lässt sich aber längst nicht nur in Titeln messen. Die Euphorie um den Club ist riesig, die Fankultur hat sich entwickelt, die Mitgliederzahlen sind explodiert. Schon vor der Saison kamen Spieler wie Granit Xhaka, Alejandro Grimaldo oder Jonas Hofmann auch seinetwegen. Sein Verbleib begünstigt den von Florian Wirtz, zudem wird Bayer bei der moderaten Kader-Verstärkung im Sommer bei ungewohnt prominenten Namen Chancen haben. Wie in den besten Zeiten von Pep Guardiola, einem der vielen Lehrmeister Alonsos, wollen viele mit ihm und unter ihm arbeiten. Alleine in dieser Saison hat er acht Leverkusen-Profis zum Debüt in ihren Nationalmannschaften verholfen.
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Seine Themen bekommt deshalb so gut vermittelt, weil er das mit Akribie, aber ohne Verbissenheit tut, mit der Aura eines Weltmanns und mit der nötigen Portion Lockerheit. So hat er eine Mannschaft geformt, die ihm bedingungslos folgt. „Xabi weiß, was eine Kabine braucht. Die Spieler hören auf ihn“, sagte Clubchef Fernando Carro. „Er weiß genau, wie er mit den Spielern umgehen muss, wann er kritisieren, wann er loben muss“, erklärte Xhaka. Dabei sei bei all dem Spektakulären das Besondere, dass Alonso die schwierigen Dinge einfach macht. Hofmann lobte seinen Coach vor allem für „viele einfache, aber effektive Dinge. Und das ist das, was im Fußball zählt“.
Fakt ist: Parallel zu seiner Trainer-Karriere musste sich Alonso kein zweites Standbein aufbauen. Denn schon jetzt ist er einer der besten in Europa. (dpa/fs)