„Da hatte ich erst mal die Schnauze voll“: Sky-Legende Rollo Fuhrmann packt aus
Er war der Mann für die Worte danach. Als Fieldreporter von Premiere und Sky sprach Rolf „Rollo“ Fuhrmann von 1992 bis 2017 mit unzähligen Spielern und Trainern. Seine Erlebnisse hat der gebürtige Ostfriese im Buch „Der Kanzler, Otto, Oma ich“ zusammengefasst. Die MOPO traf den 74-Jährigen zum Gespräch, in dem er über ostfriesische Diskotheken, eine Kündigung, Toilettengänge wegen Ottmar Hitzfeld und seine legendäre Episode, wie er Schalke zum Meister machte spricht und verrät, mit welchem Interviewpartner er liebend gern mal gesprochen hätte.
Er war der Mann für die Worte danach. Als Fieldreporter von Premiere und Sky sprach Rolf „Rollo“ Fuhrmann von 1992 bis 2017 mit unzähligen Spielern und Trainern. Seine Erlebnisse hat der gebürtige Ostfriese im Buch „Der Kanzler, Otto, Oma & ich“ zusammengefasst. Die MOPO traf den 74-Jährigen zum Gespräch.
MOPO: Woran denken Sie heute, wenn Sie „I wanna hold your hand“ hören?
Rolf Fuhrmann: Die Beatles, 1963, einschneidend. Ich hab’s auf dem Schulhof gehört. Das war der Aufbruch für eine ganze Generation. Ohne diese Musik wäre alles Politische, was danach kam, undenkbar gewesen. Die Auflehnung gegen das Establishment im Wirtschaftswunderland Deutschland.
In Ihrem Buch beschreiben Sie das Lied als ein Versprechen von Freiheit und Weite.
Wir wollten leben, ohne über Leichen zu gehen. Nicht die Karriere war das Ziel, sondern gut zu leben, friedlich und demokratisch. Moralisch etwas ganz anderes, als die Eltern vorgaben, mit ihrer nicht verarbeiteten Vergangenheit.
Als Jugendlicher haben Sie dann Discos organisiert.
Die erste Diskothek Ostfrieslands, im Jazzkeller unter der Jugendherberge. Wir durften keinen Alkohol ausschenken, aber jeden Mittwoch von 19 bis 22 Uhr auflegen. Die Musikanlage war selbst zusammen gebaut. Otto Waalkes kam dann, um die Wände zu bemalen.
Wie sind Sie bei so viel Musik zum Fußball gekommen?
Mit sechs Jahren war ich schon Torwart. Aber als ich das erste Mal bei einem Verein war, habe ich den Ball gleich voll in den Bauch gekriegt. Da hatte ich erst mal die Schnauze voll. Durch den Zivildienst beim Roten Kreuz kam ich später nach Hamburg. Ich habe 1977 St. Paulis Derbysieg im Volkspark gesehen. Ab dann war ich immer für den Underdog.
Wie kamen Sie zur Fußballberichterstattung?
Ich hatte Deutsch studiert und wurde Lehrer, ohne eine Anstellung zu finden. Dann bin ich drei Nächte in der Woche Taxi gefahren, das war auch klasse. Aber dass das nicht alles sein konnte, wusste ich. Als Radio 107 aufmachte, hatte ich 1988 die glorreiche Idee, einen Satirebeitrag für die vierstündige Sendung „Außer Atem“ vorzuschlagen. Über Olympische Winterspiele in Ostfriesland. Nach kurzer Zeit habe ich meinen ersten Sportbericht gemacht. Der war sechs Minuten lang, ich musste auf zwei Minuten 40 kürzen.

Vom Privatradio ging’s zum Bezahlfernsehen. Warum?
Aus Radio 107 wurde 1991 Alsterradio, das nur noch deutschen Schlager spielte. Ich habe mir das eine Stunde angehört und bin dann wütend zum Sender gefahren und habe gekündigt. Reinhold Beckmann startete gerade mit Premiere und hatte mir gesagt, dass sie immer gute Leute brauchen. Dann war ich ein halbes Jahr gutbezahlter Praktikant.
Es dauerte nicht lange bis zum ersten Einsatz vor der Kamera.
Im März 1992 waren wir in Dortmund und Fieldreporter Tom Theunissen hatte sich am Knöchel verletzt. Interimschef Jörg Dahlmann guckte in die Runde: Rollo, jetzt bist du dran! Interview mit Ottmar Hitzfeld in der Halbzeitpause. Mein Adrenalin war so hoch, in den drei Stunden war ich siebenmal auf Klo.
Daraus ist ein Vierteljahrhundert als Fieldreporter geworden.
Dass ich mit 68 noch am Spielfeldrand stehen durfte, hat mich selbst am meisten gewundert. Irgendwie habe ich wohl eine Art drauf, die den meisten Menschen gefallen hat. Kritisch, aber mit einem Zwinkern im Auge. Das Wichtigste ist: Zuhören lernen, charmant sein und niemanden bloßstellen. Die Leute wollen nicht wissen, wie du das Spiel gesehen hast, sondern wie der Spieler oder Trainer es gesehen hat.
Was hat sich in 25 Jahren am meisten verändert?
Einschneidend ist, dass es nicht mehr nur einen Sender gibt, sondern viele. Das Kartellamt wollte Wettbewerb im Sinne der Kunden, aber das ist ins Gegenteil umgeschlagen. Kunden brauchen jetzt drei, vier, fünf Abos, wenn sie alles sehen wollen.
Das Spitzenspiel steht vor der Tür: Wie geht Bayern – Dortmund aus?
Ich hoffe auf Dortmund und setze auf Bayern. Sie sind einfach zu gut besetzt. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, werden auch in den nächsten zehn Jahren nur Bayern, Dortmund oder Leipzig Meister. Es ist einfach das Geld. Wie in der Gesellschaft klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander.
Was wäre die Lösung?
Die Fernsehgelder müssten gleich verteilt werden. Wer Champions League spielt, erhält dann ja immer noch mehr Geld. Aber national sollte Chancengleichheit herrschen.
Da wird Bayern München argumentieren, das gefährde ihre internationale Konkurrenzfähigkeit.
Ja, aber was hat der deutsche Fußball davon? Außer Bayern-Fans ist das allen anderen völlig egal. Die würden gerne um den Titel mitspielen und auch eine Chance haben. Jetzt ist es zufällig mal interessanter, aber im Prinzip haben die Bayern fast ein Monopol.
Wird es also nie wieder so spannend wie am 19. Mai 2001?
Als Schalke 04 für vier Minuten Meister war und ich schon gratuliert habe … bis auf der Videoleinwand dann der Ausgleich der Bayern beim HSV gezeigt wurde. Als ich das gesehen habe, wurde mir mulmig. Überall ungläubige Gesichter, Tränen und Verzweiflung. Es gab damals ja kein Twitter, kein Facebook, nichts in Echtzeit. Aus dem Ü-Wagen gab es auch keine Ansage. Schalke wurde dann Meister der Herzen und ich der Reporter der Schmerzen. So etwas erlebst du nur einmal.

Als Fieldreporter hatten Sie eine lange Karriere mit kurzen Gesprächen. Mit wem hätten Sie gerne länger gesprochen?
Es gab und gibt so viele interessante Typen. Aber wenn ich es mir völlig frei aussuchen könnte, wäre es wohl kein Fußballer. Richtig lang hätte ich gern mit Stephen Hawking gesprochen, weil Astrophysik ein großes Hobby von mir ist. Oder mit US-Dokumentarfilmer Michael Moore über Ökonomie. Und mit Heinrich Heine hätte ich gerne geredet, mein großes sprachliches Vorbild.
Heine hat bis 1856 gelebt, da gab es Premiere noch nicht.
Ja, auch wenn in Kaiserslautern einmal in der Stadionzeitung stand: „Rolf Fuhrmann, seit 1952 bei Premiere.“ Wenn das so gewesen wäre, hätten wir wohl doch mehr Abonnenten haben müssen …
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Wie entwickelt sich der Fußball?
Ich weiß nicht, ob der Fußball im Fernsehen eine Zukunft hat bei so vielen Abos, die du abschließen musst. Aber ich bin mir ganz sicher, dass die Fans im Stadion treu bleiben. Viele könnten sagen, ich gucke abends Sportstudio und davor gehe ich ins Stadion und treffe meine Kumpels, da gibt’s Stimmung, Bier und Bratwurst. Stadion hat für mich mehr Zukunft. Und wer den großen Fußball nicht mehr will, geht halt zu Altona 93. Da gibt’s auch Bier und Bratwurst.