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Nizza- und Köln-Fans
  • Fans des 1. FC Köln und vom OGC Nizza gerieten vor dem Europapokal-Spiel aneinander.
  • Foto: Imago / Treese

„Nackte Gewalt“: Baumgart geschockt von Krawallen bei Köln-Spiel in Nizza

Trainer Lucien Favre rechnet nach den Ausschreitungen vor dem Conference-League-Spiel von OGC Nizza gegen den 1. FC Köln (1:1) nicht mit einer Bestrafung in Form eines Geisterspiels für die Franzosen. „Nein. Und das wäre auch ungerecht. Denn unsere Fans haben überhaupt keine Schuld an dem, was passiert ist“, sagte der ehemalige Trainer von Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund.

Das Spiel hatte wegen Randale vor dem Anpfiff mit 32 Verletzten 55 Minuten später begonnen, ein Mensch stürzte von der Tribüne und verletzte sich schwer. Er sei „absolut entsetzt“ über die Vorfälle, sagte der Schweizer. „Aber ich war dafür, dass wir spielen. Auch, weil es kein anderes Datum gegeben hätte, um das Spiel nachzuholen.“

Auch Kölns Trainer Steffen Baumgart stand der Schock über das Erlebte auch am Tag danach noch ins Gesicht geschrieben. „Anfang der 90er war ich in der Bereitschaftspolizei“, sagte er offen und tief bewegt. „Und genau aus diesen Gründen bin ich aus der Polizei ausgestiegen: Weil ich sowas nicht machen wollte. Deshalb ist es für mich nicht einfach, damit umzugehen.“

Baumgart berichtet von Krawallen: „Wird mich lange begleiten“

Weil er für das Conference-League-Spiel gesperrt war, hatte Baumgart auf der Tribüne die Ausschreitungen aus der Nähe erlebt. „Ich halte mich nicht für den ängstlichsten Menschen“, sagte er. „Aber das, was gestern passiert ist, wird mich sehr lange begleiten. Das war einfach nur nackte Gewalt. Und das ist beängstigend, wenn man relativ dicht dran steht. Meine Familie saß auf den Sitzen, wo sie vorbeigelaufen sind. Da geht einiges in einem ab.“

Er sei „nur froh, dass die Jungs das nicht mitbekommen haben“, sagte der Coach mit Blick auf seine Spieler, die zu dem Zeitpunkt in der Kabine waren. Er habe sich „keine Gedanken gemacht, ob das Spiel stattfinden soll. Ich habe den jungen Mann die Tribüne runterstürzen sehen. Da bist du einfach nur geschockt. Da geht es nicht um den Gedanken, ob du spielst.“ Am Ende sei es richtig gewesen, das Spiel anzupfeifen, „denn wenn alle unter diesen kurzfristigen Emotionen das Stadion verlassen hätten, wissen wir nicht, was noch passiert wäre“.

Strafe für Köln nach Ausschreitungen noch offen

Er selbst habe versucht, auf die Randalierer einzuwirken, berichtete er. „Aber da war nichts möglich. Die Jungs, die hochgeguckt haben, haben durch mich durchgeguckt. Und danach sind wir in den VIP-Raum gegangen, um selbst geschützt zu sein.“ Er habe darum gebeten, kurz zur Mannschaft zu dürfen. „Das wurde wegen der Gelb-Roten Karte abgelehnt, obwohl es eine Grenzsituation war“, sagte er. „Da sieht man, dass manche Leute nicht bereit sind, das Gehirn einzuschalten.“

Derweil begann direkt nach den Vorfällen die Aufarbeitung der Zwischenfälle, die laut Geschäftsführer Christian Keller aber „ein paar Wochen“ dauern kann. Die Konsequenzen für den Verein seien „noch nicht abzusehen“, sagte Keller. „Ich will auch nicht spekulieren. Da gibt es sicher eine große Bandbreite.“ Diese reicht von Geldstrafen bis zu Auflagen oder auch Geisterspielen und Zuschauer-Ausschluss bei Auswärtsspielen.

Partie gegen Slovacko „zum Risikospiel aufgewertet“

Eine 2017 gegen den FC verhängte Zweijahres-Bewährung nach Fan-Vorfällen ist nach Vereinsangaben derweil abgelaufen, auch wenn die Kölner seitdem nicht am Europacup teilgenommen haben. Ihm sei aber klar, dass die Vorgeschichte trotzdem dazu beitrage, kritischer beäugt zu werden, sagte Keller: „Wenn du einmal Blödsinn gemacht hast, stehst du mehr unter Beobachtung, als wenn du dir nie was zuschulden hast kommen lassen.“

Als Direkt-Maßnahme wurde die nächste Europacup-Partie am kommenden Donnerstag gegen den 1. FC Slovacko aus Tschechien von der UEFA „zum Risikospiel aufgewertet“. Die Staatsanwaltschaft in Nizza hat mehrere Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung oder Gewalt am und im Stadion eingeleitet.

Schwierig ist aber die Frage nach der Schuld. Nizzas Trainer Lucien Favre hatte erklärt, dass sein Verein kein Verschulden bei sich und seinen Fans sehe. Würde Nizza zu einem Geisterspiel verurteilt „wäre das ungerecht“, sagte der langjährige Bundesliga-Trainer. Die Zeitung „Le Parisien“ sah dies ähnlich: „Schuld waren die wütenden deutschen Fans, die einen Teil von Nizza verwüsteten.“

FC-Boss Keller kritisiert fehlende Polizei

Keller betonte indes, dass der FC im Vorfeld auf zahlreiche Sicherheitsbedenken aufmerksam gemacht habe. „Wir haben darauf hingewiesen, dass wir ein deutlich höheres Polizeiaufkommen für angemessen erachten. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass wir eine bessere Fantrennung für sehr sinnvoll und wichtig erachten“, sagte er. „Weil bekannt ist, dass es rivalisierende Lager gibt und dass die verbotene Fangruppe von Paris Saint-Germain wahrscheinlich kommen wird und Probleme mit Nizza hat. Doch die Vorschläge wurden im Endeffekt größtenteils nicht angenommen.“

Auch die Sportzeitschrift „L’Équipe“ bezweifelte, ob genügend Sicherheitskräfte im Einsatz waren. Und „Nice-Matin“ kritisierte: „Die Sicherheitsdienste des Stadions waren völlig überfordert, weil sie wahrscheinlich nicht mit einer solchen roten Flut in der Stadt und dann im Stadion gerechnet hatten.“ Unabhängig von der Aufarbeitung war Keller aber genervt und verärgert: „Das geht mir richtig auf den Sack.“

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Deshalb ist den Kölnern auch schon vor der detaillierten Aufarbeitung eines klar. Man werde „mit aller Härte und Entschlossenheit“ versuchen, die Beteiligten an den Krawallen zu ermitteln. „Ich weiß nicht, ob das 50, 60 oder 70 waren. Es waren auf jeden Fall sehr, sehr wenige“, sagte Keller. „Aber wir werden alles probieren, um möglichst viele rauszuziehen. Und die schließen wir dann aus, die werden nix mehr machen.“

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