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Dänemark-Spieler schützen Christian Eriksen
  • Geschlossen schützen die Dänen ihren Spieler Christian Eriksen vor unangemessenen TV-Bildern.
  • Foto: imago/Ritzau Scanpix

Eriksen-Drama: TV-Experten kritisieren Wiederanpfiff – ZDF reagiert

Der Zusammenbruch von Dänemark-Star Christian Eriksen überschattet die erst am vergangenem Freitag gestartete Europameisterschaft. Der 29-Jährige war kurz vor der Halbzeit kollabiert und regungslos liegen geblieben. Sanitäter leiteten lebensrettende Maßnahmen ein. Nach über einer Stunde gab es Entwarnung. Der Mittelfeldspieler ist inzwischen bei Bewusstsein und befindet sich im stabilen Zustand im Krankenhaus. Das Spiel wurde fortgesetzt, Finnland gewann 1:0. Das ZDF und Magenta TV hatten ihre Übertragungen aus dem Stadion in Kopenhagen vorübergehend unterbrochen.

Doch sowohl die Spielfortsetzung als auch die weitere Übertragung nach dem Zusammenbruch Eriksens sorgten bei Verantwortlichen, TV-Experten und Weltmeistern für großes Unverständnis.

ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann hat Kritik zurückgewiesen, nicht angemessen über den Zusammenbruch des dänischen Fußball-Stars Christian Eriksen beim EM-Spiel gegen Finnland berichtet zu haben. „Das ZDF ist mit dem tragischen Zwischenfall beim Spiel Dänemark-Finnland verantwortungsvoll umgegangen. Béla Réthy hat einfühlsam aus dem Stadion reportiert, die Kollegen im Studio die richtigen Worte gefunden. Ich kann auch keine Kritik an der internationalen Regie der UEFA üben. Als sich das Ausmaß der schweren Verletzung abzeichnete, gab es keine Naheinstellungen oder andere unpassende Bilder“, sagte Fuhrmann.

DJV-Bundesvorsitzender mit deutlichen Worten: „Finde es unverantwortlich“

Zuvor hatte Frank Überall als Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Kritik geübt. „Ich finde es unerträglich, dass bei der Live-Übertragung im Fernsehen lange Zeit die Reanimation des Fußballers gezeigt wurde. Das ist unverantwortlich und widerspricht der journalistischen Ethik“, sagte Überall und fügte hinzu: „Journalismus darf nicht derart voyeuristisch sein. Das ZDF ist in der Pflicht, diese eklatante Fehlentscheidung aufzuarbeiten.“

Kritik gab es auch in Großbritannien an der BBC-Übertragung, woraufhin der Sender reagierte: „Wir entschuldigen uns bei allen, die sich darüber aufgeregt haben, dass die Bilder ausgestrahlt wurden. Die Übertragung im Stadion wird von der UEFA als Gastgeber kontrolliert. Sobald das Spiel unterbrochen wurde, haben wir unsere Berichterstattung so schnell wie möglich abgeschaltet.“

TV-Regisseur weist Kritik an Bildern zurück: „Nenne ich nicht Voyeurismus“

Auch der Regisseur des internationalen TV-Signals hat sich gegen Kritik an angeblich unangemessenen Aufnahmen nach dem Zusammenbruch von Eriksen gewehrt. „Wir haben die Trauer und die Verzweiflung der Menschen gezeigt, der Spieler, des Staffs und der Zuschauer“, sagte der Franzose Jean-Jacques Amselm der „L’Equipe“: „Wir haben in diesem Moment größter Beunruhigung auch eine Einheit gespürt. Das musste übermittelt werden. Das nenne ich nicht Voyeurismus.“

Der Produzent der Sendung habe in ständigem Kontakt mit der UEFA gestanden. „Und die Anweisungen waren klar“, sagte Anselm: „Uns wurde gesagt, dass wir keine Nahaufnahme von ihm und auch keine Herzmassage zeigen sollten. Aber dass es kein Problem sei, Emotionen zu zeigen.“ Daran habe sich die Regie gehalten. „Es gibt eine Zeitlupe der Szene, in der man wirklich sehr genau hätte sehen können, wie er fällt. Aber ich habe meinem Team sofort die Anweisung gegeben, nicht mehr auf ihn zu halten“, sagte der Regisseur: „Mit mehr als 30 Kameras im Stadion hätten wir ihn aus nächster Nähe zeigen können, aber das haben wir zu keinem Zeitpunkt getan.“

Weltmeister Kramer und Mertesacker kritisieren Anpfiff: „Ging nicht um Fußball“

Die Weltmeister Christoph Kramer und Per Mertesacker haben die Fortsetzung des EM-Spiels zwischen Dänemark und Finnland nach dem Zusammenbruch von Christian Eriksen deutlich kritisiert. „Da liegt der Fehler meiner Meinung nach bei der UEFA, die sagen muss: Wir haben eine weitere Sicht dazu, da wird heute nicht mehr gespielt. Ich weiß nicht, wer da eine andere Meinung haben kann“, sagte Kramer am späten Samstagabend im ZDF. Die Entscheidung, das Spiel noch am Samstagabend fortzusetzen, fällten nach übereinstimmenden Aussagen beide Mannschaften.

„Die Frage ist, kann einer von denen in diesem Moment einen klaren Gedanken fassen“, sagte Kramer dazu. „Da sage ich einfach: Nein. Da ging es heute nicht um Fußball. Dann finde ich: Emotionen erstmal sacken lassen, eine Nacht drüber schlafen, dann kann man es immer noch spielen.“

Auch Michael Ballack und Boris Becker von Spielfortsetzung erschrocken

In einem ersten Interview nach der Partie sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand einer Übersetzung im ZDF zufolge sichtlich ergriffen: „Wir hatten einen der unseren, der am Boden lag und um sein Leben kämpfte. Das bedeutet, dass Fußball völlig sinnlos wird. Wir sind froh, dass es ihm gut geht.“ Dazu sagte Mertesacker: „Wenn man das Interview im Nachgang hört, dann fragt man sich, warum die noch gespielt haben. Das ist meine Frage. Ich kann es nicht begreifen.“

Der dänische Verband kündigte noch am Abend an, dass den Spielern und Eriksens Familie nun professionelle Hilfe in Form von psychologischer Betreuung angeboten werde. „Es ist eine traumatische Erfahrung, der sie ausgesetzt sind“, sagte Trainer Hjulmand.

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Die Fortsetzung der Partie Dänemark gegen Finnland nach dem Zusammenbruch des Dänen Christian Eriksen hat Experte Michael Ballack und Studio-Gast Boris Becker bei MagentaTV verwundert. „Wenn man sich diesen ganzen Ablauf nochmal vor Augen führt, war es doch höchst kritisch, hier wieder anzupfeifen“, sagte Michael Ballack: „Wer den Fußball einigermaßen normal gespielt und verstanden hat, für den ist das natürlich nicht nachvollziehbar.“ Boris Becker meinte: „Das hat man bei jedem Zweikampf gemerkt. Wie hart kann man einen Gegner angreifen, wenn der Mitspieler fast gestorben wäre.“ (mp/sid/dpa)

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