Toxische Beziehung: Warum Schultz bei St. Pauli keine Chance mehr hatte
Das Ende kam krachend, war vom Stil her fragwürdig, aber nichts, was man überraschend nennen kann: Die Beziehung zwischen dem geschassten Trainer Timo Schultz, St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann und Präsident Oke Göttlich war von Beginn an auf Sand gebaut, wurde immer toxischer und war zum Scheitern verurteilt.
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Das Ende kam krachend, war vom Stil her fragwürdig, aber nichts, was man überraschend nennen kann: Die Beziehung zwischen dem geschassten Trainer Timo Schultz, St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann und Präsident Oke Göttlich war von Beginn an auf Sand gebaut, wurde immer toxischer und war zum Scheitern verurteilt.
Schultz hatte den Weg auf die Trainerkandidatenliste erst nach Absage einiger Wunschkandidaten und auf Druck von Volkes Stimme geschafft. Daran störte er sich genausowenig wie daran, dass er wusste, dass man in der Vereinsführung der „Generation Höllenhunde“, der er als Spieler der Stanislawski-Ära angehört, eher skeptisch gegenüberstand. Was durch die Absage an seine Idee, Fabian Boll ans Millerntor zurückzuholen, gleich noch mal unterstrichen wurde.
Bornemann und Göttlich haben Schultz zunächst geschützt
Schultz’ Hoffnung war, über sportlichen Erfolg zu mehr Einflussnahme zu gelangen und dem Klub das zurückzubringen, was in den Jahren zuvor zusehends verlustig gegangen war: Identifikation und ein Spielstil, der zum FC St. Pauli passt. Das gelang bekanntlich zunächst überhaupt nicht, und nach nur einem Sieg aus 13 Partien stand er als logische Folge zur Disposition.
Damals beschworen er, Boss Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann Zusammenhalt. Ein einerseits außergewöhnlicher, aber auch logischer Vorgang, schließlich saß das Trio in einem Boot: Schultz als Novize im Profi-Trainer-Business, Göttlich als Präsident, der im sechsten Amtsjahr seinen sechsten Trainer erlebte, und Bornemann, der für Kaderzusammenstellung und Schultz-Verpflichtung zuständig gewesen ist.
In jedem Fall trug das löbliche Vorgehen über das gesamte Kalenderjahr 2021 Früchte. Bornemanns Nach- und Neuverpflichtungen wurden zu Volltreffern, Schultz entwickelte reihenweise Spieler auf die nächste Stufe und eine Begeisterung rund um den Verein mit den Siegen gegen Schalke und Dortmund als Krönung.
Alles schien gut, Schultz verlängerte seinen Vertrag. Dann begann der Absturz, an dem der Trainer eine Mitschuld trug dadurch, dass es keinen effektiven Alternativplan gab zur mittlerweile von den Gegnern entschlüsselten Spielweise der Kiezkicker. Eine Rolle spielten aber auch die internen Dissonanzen, die bis heute gern bagatellisiert werden.
Im Sommer war das Kind schon in den Brunnen gefallen
Unstimmigkeiten bei Pokalprämien und vor allem die ungewisse Zukunft vieler Spieler brachten Unruhe, die in jedem Mannschaftssport folgenreich ist. Zudem führte lange einzig der Trainer die Gespräche mit den Betroffenen. Erst in den Tagen vorm letzten Spiel gegen Düsseldorf tat das dann nach MOPO-Informationen auch der Sportchef, was im Nachklapp für reichlich Kritik seitens der Profis führte. Bornemann wollte – was man akzeptieren muss – nicht gegen die eigene Überzeugung handeln, sieht sich aber dem Vorwurf ausgesetzt, dass er genau deshalb die Stabilität eines bis dato intakten Gebildes beeinträchtigt hat.
Im Sommer war das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen, zumal es da längst die Runde machte, dass einigen Funktionsträgern die Popularität, die Schultz trotz des verpassten Aufstiegs weiterhin genoss, ein Dorn im Auge war. In der Folge wurde die Position des Coaches sukzessive geschwächt durch die Trennung von seinem guten Freund und Torwarttrainer Mathias Hain sowie den von Schultz geholten Teampsychologen Christian Spreckels. Wobei nicht die faktischen Entscheidungen, sondern die Art und Weise für Unverständnis sorgten.
Die Ereignisse der folgenden komplizierten Transferperiode, die für alle Welt ersichtliche Schwächung des Kaders gegenüber der Vorsaison, Verletzungsprobleme, diskutable Aufstellungs- und Auswechslungspersonalien sowie eine maximal rudimentär vorhandene Kommunikationskultur der betroffenen Personen – die Summe der Dinge, die das endgültige Aus einleiteten, war groß. Ein Göttlich-Interview im „Kicker“ erweckte den Anschein, dass der Präsident die in Fankreisen geäußerte Kritik am Sportchef umleiten wollte: auf den Trainer.
Derbysieg gegen HSV verschob Schultz-Entscheidung nur
Der gab – bis zum Schluss – öffentlich nie ein Wort der Klage preis, ahnte aber schon Ende September: Viel Zeit werde ich hier nicht mehr haben. Der Derbysieg gegen den HSV schob das Unvermeidliche dann noch ein paar Wochen nach hinten, aber schon da liefen nach MOPO-Informationen Versuche von Schultz, den Dialog zu suchen, ins Leere. Die Zeichen waren eindeutig.
Und so war das Ende beschlossene Sache. Dazu passt, dass es die vermeintlich Wochen andauernde tiefe Analyse zumindest in der Form, dass Präsident, Sportchef und Trainerteam an einem Tisch sitzen und diskutieren, nie gegeben hat.