Topspiel: Hannover-Boss Kind über gleiche Ziele, Konflikte und die „Marke“ St. Pauli
Sie sind die Gejagten und wollen ihren Platz an der Spitze verteidigen. Entsprechend motiviert und konzentriert bereiten sich die Kiezkicker auf das Heimspiel am Freitag vor, ein Topspiel. Mit Hannover 96 kommt der Tabellendritte ans Millerntor, der nicht nur in den 90 Minuten mit dem FC St. Pauli konkurriert, sondern auch im Kampf um die Bundesliga. In der MOPO spricht Hannovers Boss Martin Kind über Ambitionen, Fehleinschätzungen bei Marcel Halstenberg, Konflikte mit dem Kiezklub und ein Aufstiegsszenario, in dem beide Hamburger Vereine eine Rolle spielen.
Sie sind die Gejagten und wollen ihren Platz an der Spitze verteidigen. Entsprechend motiviert und konzentriert bereiten sich die Kiezkicker auf das Heimspiel am Freitag vor, ein Topspiel. Mit Hannover 96 kommt der Tabellendritte ans Millerntor, der nicht nur in den 90 Minuten mit dem FC St. Pauli konkurriert, sondern auch im Kampf um die Bundesliga. In der MOPO spricht Hannovers Boss Martin Kind über Ambitionen, Fehleinschätzungen bei Marcel Halstenberg, Konflikte mit dem Kiezklub und ein Aufstiegsszenario, in dem beide Hamburger Vereine eine Rolle spielen.
Im Moment hat er nichts zu meckern. Das war zu Saisonbeginn ganz anders. Da hatte der im eigenen Verein umstrittene Kind Mannschaft, Trainer und Sportchef nach einem 2:2 gegen Aufsteiger Elversberg am ersten Spieltag verbal zerlegt – wohl auch noch unter dem Eindruck der vermasselten Vorsaison – und es herrschte mal wieder dicke Luft bei 96.
Elf Spieltage später sieht es ganz anders aus. Hannover ist Dritter hinter St. Pauli und dem HSV und Kind entspannt und guter Dinge. „Die Mannschaft entwickelt sich sehr schnell weiter“, sagt der 79-Jährige. „Sie hat den Leistungsgedanken verinnerlicht, ist stabil. Die Stimmung ist gut. Es passt sportlich und charakterlich.“
Kind lobt Königstransfer Halstenberg
Das hat viel mit Königstransfer Marcel Halstenberg zu tun, der vor der Saison von RB Leipzig zu seinem Heimatverein zurückkehrte. Ein Unterschiedsspieler und laut St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler „für die Liga eigentlich zu gut“.
Für Kind ist der Ex-St. Paulianer „der wichtigste Baustein beim Aufbau dieser Mannschaft“ und es wurmt ihn noch immer, dass man bei 96 einst dessen Potenzial nicht richtig eingeschätzt hatte. „Es wurde damals bei uns kontrovers diskutiert, ob er überhaupt das nötige Potenzial für unsere erste Mannschaft und die Bundesliga hat“, erinnert sich Kind. „Das hat man ihm letztlich nicht zugetraut, leider.“

Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, die auch einen braun-weißen Anstrich hat. Aus Hannovers Reserve wechselte der Linksfuß 2011 zu Borussia Dortmund II und 2013 zum FC St. Pauli, wo ihm der Durchbruch gelang. 2015 wurde er für 3,5 Millionen Euro Ablöse zu RB transferiert. Kind hat „höchsten Respekt davor, welchen Weg er genommen hat. Er hat Champions League gespielt, war Nationalspieler. Er hat es eindrucksvoll bewiesen. Umso schöner, dass er jetzt wieder bei uns spielt.“ Und am Freitag erstmals wieder bei dem Verein, der sein Karriere-Sprungbrett war.
Tabellenkonstellation sorgt für Topspiel-Charakter
Halstenberg hat richtig „Bock“ auf das Duell am Millerntor. Kind sieht die Partie nüchtern. „Vorfreude? So weit würde ich nicht gehen“, sagt der Hörgeräte-Unternehmer und Multimillionär. „Aber ich denke, es wird ein tolles Spiel mit einer interessanten Konstellation aufgrund der Tabelle.“
Dem FC St. Pauli bescheinigt Kind eine „außergewöhnliche Saison“ und ist voll des Lobes. „Sie spielen einen tollen Fußball. Allein die Laufbereitschaft ist beeindruckend. Im Moment ist St. Pauli, soweit ich das beurteilen kann und bei uns intern höre, die stärkste Mannschaft der Liga“, sagt er.
Kind spricht über sein Verhältnis zum FC St. Pauli
Wohlwollende Töne für einen Mann, der mit dem Kiezklub seit Jahren über Kreuz liegt und – indirekt oder direkt – Konflikte ausgetragen hat, die sich um die 50+1-Regel drehen. Kind ist deren bekanntester und lautester Gegner, der FC St. Pauli sendungsbewusster Verfechter.
Sein Verhältnis zum Kiezklub? „Es gibt keins“, sagt Kind knapp. „Es ist neutral.“ Wenn er St. Pauli-Präsident Oke Göttlich begegne, „dann gibt man sich die Hand und das war’s.“ Damit könne er „stressfrei umgehen.“
Mit St. Paulis Rolle im deutschen Fußball, der klaren Positionierung gegen eine Überkommerzialisierung sowie in gesellschaftlichen und politischen Fragen, habe er auch kein Problem, versichert Kind. „Sie haben eine Marke entwickelt, die laut ist und bunt. Das haben sie toll hinbekommen. Der Verein wurde gut entwickelt in den letzten Jahren.“ Sportlich aber steckt St. Pauli, wie 96, in der Zweitklassigkeit fest.
Hannover-Boss will unbedingt zurück in die Bundesliga
Wurmt es ihn nicht mächtig, dass das Duell auch in dieser Saison, der fünften in Serie, im Unterhaus steigt?
Kind seufzt. „Tja“. Pause. „Wirtschaftlich ist die Zweite Liga eine unglaubliche Herausforderung“, sagt er dann. „Die Liga ist in den letzten Jahren sportlich stärker geworden und auch attraktiver, mit tollen Vereinen und großen Stadien.“ Aber Kind will sich das Unterhaus nicht schönreden und als passendes Revier für seinen Großstadtklub akzeptieren.
„Das Ziel kann nur die erste Liga sein“, stellt er klar und weitet diesen Anspruch gleich mal aus. „Hamburg braucht einen Erstligisten, mindestens einen. Und Hannover braucht auch einen.“
Kind traut St. Pauli und dem HSV den Aufstieg zu
Den Aufstieg hat 96 in den vergangenen drei Spielzeiten trotz großer Ambitionen und Investitionen klar verpasst, befindet sich unter der Regie von Trainer Stefan Leitl in der zweiten Saison eines Drei-Jahres-Plans für die Rückkehr ins Oberhaus. Je schneller desto lieber.
Geduld und Understatement gelten nicht als hervorstechende Eigenschaften von Kind, dennoch hält er sich in diesem Gespräch mit Forderungen an die eigene Mannschaft zurück und das gilt auch für Aufstiegs-Prognosen. „Das ist zu gewagt. Es ist noch viel zu früh und die Liga extrem eng. Ich glaube aber, dass beide Hamburger Vereine am Ende ganz oben mit dabei sein werden – und ich hoffe, wir werden auch zu den fünf, sechs Mannschaften gehören, die um den Aufstieg mitspielen.“
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Ganz von allein kommt Kind auf ein Szenario am Saisonende zu sprechen, das ihm gefallen würde. „Die beiden Hamburger Vereine und wir auf den ersten drei Plätzen – das wäre doch was!“, sagt er lachend. „Aber wir auf einem direkten Aufstiegsplatz, denn die Relegation, das weiß jeder, ist eine schwierige Angelegenheit.“ Auch aus einem anderen Grund wünscht er sich besagte Top drei. „Das wäre gut für den Norden, denn der ist in der Bundesliga zu schwach vertreten.“