Stanislawski zum Derby: „Walter ist das krasse Gegenteil von Hürzeler“
Er ist der letzte Aufstiegstrainer des Kiezklubs und war Coach beim legendären Derbysieg der Kiezkicker im Volkspark in der Bundesliga 2011. Holger Stanislawski, eine St. Pauli-Legende. Spieler, Trainer, Sportchef, Vizepräsident. Seit fast zehn Jahren führt der 53-Jährige, der als Jugendlicher für den HSV kickte, hauptberuflich einen großen Supermarkt in Winterhude. Fußballfan und aufmerksamer Beobachter ist er bis heute. Die MOPO traf „Stani“ am Rande der Aufzeichnung des Podcasts „Hallo, Hallo“ von Rolf Fuhrmann im „Hamburger Ding“ zum exklusiven Derby-Interview.
Er ist der letzte Aufstiegstrainer des Kiezklubs und war Coach beim legendären Derbysieg der Kiezkicker im Volkspark in der Bundesliga 2011. Holger Stanislawski, eine St. Pauli-Legende. Spieler, Trainer, Sportchef, Vizepräsident. Seit fast zehn Jahren führt der 53-Jährige, der als Jugendlicher für den HSV kickte, hauptberuflich einen großen Supermarkt in Winterhude. Fußballfan und aufmerksamer Beobachter ist er bis heute. Die MOPO traf „Stani“ am Rande der Aufzeichnung des Podcasts „Hallo, Hallo“ von Rolf Fuhrmann im „Hamburger Ding“ zum exklusiven Derby-Interview.
MOPO: St. Pauli gegen HSV – sorgt das bei Ihnen überhaupt noch für ein Kribbeln?
Holger Stanislawski: Die Spannung, die sich in der Stadt aufbaut, die Atmosphäre, die Gespräche mit Leuten, die St. Pauli- oder HSV-Fans sind, von denen jeder eine Meinung dazu hat – das alles spürt man schon die ganze Woche. Das Derby ist Thema. Klar, wir alle würden uns das lieber in der Bundesliga angucken. Das wäre noch mal eine Nummer größer.
HSV gegen St. Pauli hat für Stanislawski an Stahlkraft verloren
Es ist das mittlerweile zehnte Derby in Liga zwei in den letzten fünf Jahren. Hat das Stadtduell an Reiz und Strahlkraft verloren?
Ein bisschen schon. Es ist keine Rarität mehr. Das war vor 2011 anderes. Da hieß es viele Jahre: Mensch, wäre schön, wenn St. Pauli mal wieder aufsteigt, damit es endlich wieder ein Derby gibt. Als es dann so weit war, war das Fieber riesengroß. Das ging schon zwei, drei Wochen vorher los. Da war nur noch das Derby Thema und die zwei Spiele davor waren gefühlt fast schon uninteressant. Je häufiger so ein Spiel stattfindet, und dann auch noch in Liga zwei, desto mehr geht diese Ausnahmestellung verloren. Aber es ist und bleibt ein besonderes Spiel. Alles andere wäre auch schlimm.
Diesmal geht es um mehr als die Stadtmeisterschaft.
Absolut! Die Tabellenkonstellation sorgt für einen besonderen Reiz. Das kann ein sehr, sehr entscheidendes Spiel für beide Vereine sein. Insofern ist auch sportlich die nötige Brisanz da.
Sie wäre noch größer, wenn St. Pauli nicht verloren hätte …
Es war klar, dass sie irgendwann mal verlieren würden. Dass es ausgerechnet vorm Derby passiert ist, ist schade. Gegen Braunschweig spielte vielleicht doch der Kopf eine Rolle, denn es gab plötzlich die Chance, einen Riesenschritt vorne reinzumachen. Mit dem Druck ging das Ding nach hinten los.
Stanislawski lobt St. Pauli-Comeback nach der Winterpause
Auch der HSV hat verloren und damit die Ergebniskrise der letzten Wochen fortgesetzt, während St. Pauli die zehn Spiele davor alle gewonnen hat. Was bedeutet das für die Ausgangslage vorm Derby?
Man muss schon die ganze Saison betrachten und ehrlich sagen, dass der HSV von Anfang an oben mitspielt. Das heißt, sie haben sehr viel richtig gemacht. Hinten raus ist es beim HSV ja immer ein Problem. Ich weiß nicht, ob es der Kopf ist, der Druck, weil es immer wieder die Möglichkeit gibt, aufzusteigen, was jeder HSV-Fan herbeisehnt, und es dann immer wieder nicht klappt. Bei St. Pauli hat die Serie von zehn Siegen alles verändert. Nach den ersten Dreiern der Rückrunde hat man einfach durchgeatmet und gesagt: Puh, jetzt sind wir unten raus! Dann hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Mit jedem Sieg sind Selbstvertrauen, Sicherheit und auch das Selbstverständnis gewachsen.
Ist das Derby für St. Pauli die letzte Chance, ins Aufstiegsrennen einzusteigen?
Das ist wie ein Halbfinalspiel, in dem du ins Finale einziehen kannst. Da braucht man auch nicht zu erzählen, dass danach ja auch noch ein paar Spiele kommen. Gewinnt St. Pauli, dann gibt das noch mal so einen richtigen Kick. Wenn sie den Bock jetzt noch mal umstoßen, dann würde ich nicht dagegen wetten, dass sie es doch noch schaffen mit dem Aufstieg. Dann ist alles möglich.
Trauen Sie dem HSV auch im Falle einer Derby-Niederlage den Aufstieg zu?
Puh … das hängt auch davon ab, wie Heidenheim und Darmstadt spielen. Ich vermute, dass Düsseldorf auch das nächste Spiel gewinnt und im Aufwind bleibt. Auch Paderborn ist noch nicht abgeschrieben. Dann wird es ein enges Höschen.
Stanislawski: Derby-Pleite bedeutet Aus für St. Pauli-Aufstieg
Bei einem HSV-Sieg sähe die Sache anders aus, oder?
Gewinnt der HSV, dann sind weiterhin drei Mannschaften oben, die das ganze Jahr schon dort sind und sich relativ konstant festgesetzt haben. Dann wäre das Ding für St. Pauli eigentlich gegessen.
Wie bewerten sie die Rekordserie der Kiezkicker?
Zehn Spiele hintereinander zu gewinnen, ist schon absolut außergewöhnlich, auch wenn man sagen muss: Da waren Spiele dabei, die man auch durchaus verlieren kann. Das sieht Trainer Fabian Hürzeler ja aber auch so. Es ist ja nicht so, dass er behauptet, dass St. Pauli zehnmal die total bessere Mannschaft war und alle Gegner filetiert hat. Da ist schon ein klarer Blick auf die Situation. Aber keine Frage: Sie haben sehr, sehr viel richtig gemacht.
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Was zeichnet die Mannschaft aus?
Defensiv wirken sie sehr stabil. Sie lassen wenige Chancen zu und haben vorne auch manchmal das nötige Quäntchen Glück, wo sie aus wenig viel machen. Man merkt, dass alle Bock haben, gegen den Ball zu arbeiten. Es ist im Moment sehr unangenehm, gegen St. Pauli zu spielen und das wird, denke ich, auch der HSV spüren.
Hätten Sie Hürzeler, der im Winter mit 29 Jahren zum Chefcoach befördert wurde, einen solchen krassen Turnaround zugetraut?
Als so junger Trainer in solch eine Situation zu kommen, ist schon ungewöhnlich. Es hätte ja auch in die andere Richtung gehen können. Wenn du die ersten Partien verlierst, stehst du richtig tief unten drin und dann ist es schwer, ohne diese Erfahrungswerte mit solchen Situationen umzugehen. Der gute Start war für ihn sehr wichtig. Er bleibt bodenständig und bei sich. Hürzeler wird auch mal gegen eine geschlossene Tür laufen und dreimal hintereinander verlieren, aber auch das werden für ihn Lerneffekte sein, die sehr wichtig sind.
Fabian Hürzeler macht für Stanislawski einen guten Job
Wie nehmen Sie ihn wahr?
Er wirkt sehr ruhig, sehr fokussiert, hat eine klare Einschätzung zur Situation. Da kann ich nur aus der Ferne – ich sage immer: mit einem gefährlichen Halbwissen – sagen, dass Hürzeler einen sehr guten Job macht. Und das in dem Alter – das spricht schon für ihn.
Sein Pendant beim HSV ist alles andere als ein ruhiger Typ …
(lacht) Das kann man so sagen. Tim Walter ist das krasse Gegenteil von Hürzeler, zumindest in der Außendarstellung. Ich muss dazu sagen: Ich kenne beide nicht persönlich. Walter ist extrovertiert, oft laut, poltert auch mal los und hat die klare Aussage gemacht, dass sie es schaffen mit dem Aufstieg – aber alles andere wäre für den HSV auch nicht akzeptabel.
Manch einer fand das arrogant.
Was soll er denn sagen? „Mensch, wäre echt schön, wenn wir es schaffen, aber wenn nicht, dann ist es halt Pech.“ Das kannst Du nicht bringen beim HSV. Klar ist aber auch: Walter wird daran gemessen. Der Aufstieg ist nicht nur ganz wichtig für den Klub, sondern auch für ihn. Ich finde jedenfalls auch die Trainer-Konstellation im Derby spannend. Mal gucken, wer den besseren Matchplan hat.
Holger Stanislawski hofft auf Derby mit vielen Toren
Was für ein Spiel erwarten und erhoffen Sie sich?
Bitte nicht wieder so ein Spiel wie das 0:0!
Das war 2018, im ersten Derby in Liga zwei.
Genau. Da wurden mir eineinhalb Stunden meines Lebens geklaut. Verteidigen ist ja schön und viele würden sich über ein 1:0 freuen, aber ich wünsche mir fürs Hamburger Derby ein richtig geiles Spiel, ein paar Tore, spektakuläre Szenen und einen guten Schiri. Ich wünsche mir ein richtig schönes Feuerwerk auf dem Rasen – und keine Randale.
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Wer gewinnt?
Grundsätzlich muss ich immer für St. Pauli sein. Ist so. Der HSV wird wie immer auf Ballbesitz setzen. Wenn St. Pauli gute Ballgewinne gelingen, dann tippe ich auf ein 3:2 für St. Pauli.
Wo schauen Sie das Derby?
Auf dem Sofa vor dem Fernseher – und ich werde sehr lautstark alles kommentieren! (lacht)