St. Paulis großes Saisonzeugnis: Wer überzeugte, wer stagnierte, wer enttäuschte
Der letzte Eindruck ist immer der bleibende, aber nicht immer fair. Der FC St. Pauli verdaddelte auf den letzten Metern der abgelaufenen Spielzeit zwar den möglichen Aufstieg, spielte aber die beste Saison seit zehn Jahren, war unter anderem beste Heimelf der 2. Liga. Auch die grandiose Hinrunde darf bei der Beurteilung der Gesamtleistung der einzelnen Akteure nicht unter den Tisch fallen, ergo fällt das MOPO-Jahreszeugnis für viele Profis alles andere als schlecht aus.
Der letzte Eindruck ist immer der bleibende, aber nicht immer fair. Der FC St. Pauli verdaddelte auf den letzten Metern der abgelaufenen Spielzeit zwar den möglichen Aufstieg, spielte aber die beste Saison seit zehn Jahren, war unter anderem beste Heimelf der 2. Liga. Auch die grandiose Hinrunde darf bei der Beurteilung der Gesamtleistung der einzelnen Akteure nicht unter den Tisch fallen, ergo fällt das MOPO-Jahreszeugnis für viele Profis alles andere als schlecht aus.
Die beste Saison ihrer bisherigen Karriere lieferten gleich zwei Protagonisten ab. Es ist schon mehr als beachtlich, wie Timo Schultz und sein Trainerteam Daniel-Kofi Kyereh und Leart Paqarada zu absoluten Top-Spielern des Unterhauses weiterentwickelt haben. Kyereh traf zwölfmal, bereitete zehn Treffer vor, war Dreh- und Angelpunkt im Offensivbereich. Paqarada wurde zur Triebfeder auf der linken Seite, elf Assists sind für einen Außenverteidiger herausragend. Jackson Irvine spielt zwar weniger auffällig, aber der Australier ist mit seiner unspektakulären Art zu kicken zur festen Größe in der Raute geworden und war zudem stabilisierend, wenn er auf der Sechs ranmusste.
Kyereh, Paqarada, Irvine und Co. mit wirklich guter Saison
Wenige Tage nach seiner Verpflichtung stand Marcel Hartel im Hinspiel-Derby schon in der Startelf und war fortan nicht mehr wegzudenken. Zwar geht ihm Torgefahr (trotz des Treffers gegen Düsseldorf) ziemlich ab, hier und da wirkt manches zu verspielt. Aber er drückt sich auch an schlechten Tagen nicht weg, will jeden Ball haben, schultert Verantwortung – was natürlich auch für Guido Burgstaller gilt, und das nicht nur wegen seiner 18 Saisontore. Der Routinier marschiert stets vorweg, gibt den Kollegen allein durch seine Anwesenheit Halt. Im Prinzip ist er kaum zu ersetzen. Ein Status, zu dem Jakov Medic noch gelangen will. Aber für einen, der als entwicklungsfähiger Backup aus der 3. Liga geholt wurde, hat der Kroate einen mächtigen Schritt nach vorne gemacht. In der Hinrunde wurde sein Potenzial ersichtlich, in der Rückrunde waren es mehr seine Baustellen, unterm Strich sprechen die meisten Einsätze aller Innenverteidiger (30) eine deutliche Sprache.
Torhüter Vasilj und Smarsch vertrieben Zweifel
Vor der Saison war das größte Fragezeichen, ob St. Pauli zwischen den Pfosten gut genug aufgestellt ist. Die Antwort darauf gaben gleich beide Keeper. Nikola Vasilj bekam in der ersten Saisonhälfte so wenig zu tun, dass es ihn schon fast nervte, in der Rückrunde dann hagelte es Gegentreffer. Dem Bosnier unterliefen insgesamt kaum gravierende Fehler, er strahlte über weite Strecken Ruhe und Sicherheit aus – und darf sich seiner Sache für die Zukunft trotzdem nicht zu sicher sein. Denn Konkurrent Dennis Smarsch punktete mit seinen Leistungen im Pokal und auf Schalke, auch wenn manch Aktion mangels regelmäßiger Spielpraxis etwas wild wirkte. Aber an seiner Liga-Tauglichkeit dürfte es keine Zweifel mehr geben. Eben diese hatten einige Altgediente schon längst unter Beweis gestellt und jetzt erneut bestätigt.
Ritzka und Beifus: Zwei Youngster machen Hoffnung
Die neunte und letzte St. Pauli-Saison war die konstanteste, die Philipp Ziereis am Millerntor abgeliefert hat, Luca Zander avancierte – auch mangels Konkurrenz – zum Stamm-Rechtsverteidiger. Adam Dzwigala ging großartig mit seiner Rolle als Mädchen für alles in der Viererkette um, bewarb sich in der Summe um mehr Einsätze. Die Entwicklungskurve von Youngster Marcel Beifus zeigt, inklusive der Karriere-üblichen Bremsen wie auf Schalke, deutlich nach oben, und Lars Ritzka durfte bei seinem Startelf-Debüt gegen Düsseldorf zeigen, dass auch er einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Und schließlich hat Maximilian Dittgen die Umschulung vom Flügelspieler zum Stürmer erfolgreich abgeschlossen, weiteres Potenzial inklusive.
Luft nach oben bei Aremu, Smith und Kollegen
Eigentlich war James Lawrence als feste Säule links in der Innenverteidigung eingeplant, doch früh hatte er seinen Platz an Jakov Medic verloren. Zehn Startelf-Einsätze dürften für den verletzungsanfälligen Waliser enttäuschend gewesen sein. Bei Afeez Aremu deutete in der Hinrunde vieles darauf hin, dass er den Sprung final gemeistert hat. Die Rückrunde belehrte einen eines Besseren, auch weil er durch Erkrankung und Verletzung nie in einen relevanten Rhythmus kommen konnte. Gleiches gilt für Eric Smith, dem eine tragende Rolle zugedacht war. Die konnte er zu selten ausfüllen, weil sein Körper in unschöner Regelmäßigkeit sein Veto eingelegt hat. Ein Problem, dass Christopher Buchtmann nur zu gut kannte. Jetzt war er zwar fast durchgehend fit, doch die Konkurrenz im Mittelfeld erwies sich als zu stark. Nur sieben Startelf-Nominierungen waren zu wenig, um sich nach zehn Jahren Braun-Weiß für einen neuen Vertrag zu empfehlen. Gar nur viermal stand Rico Benatelli bei Anpfiff auf dem Platz. An der Spielweise hat sich beim ballsicheren Mittelfeld-Routinier nichts geändert, sie ist nur nicht mehr gefragt.
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Dagegen liegt die Zukunft noch vor Lukas Daschner und Etienne Amenyido. Daschner zeigte gegen Darmstadt endlich mal, was in ihm steckt, Amenyido war der Gewinner der ersten Partien in 2022. Fortan gilt es für beide, Konstanz reinzubekommen. So auch für Igor Matanovic, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass der Junge noch in der U19 hätte spielen dürfen. Mit seinem Doppelpack auf Schalke unterstrich er, dass es einen Grund hat, warum Eintracht Frankfurt ihn ab Sommer unter Vertrag hat. Simon Makienok hingegen wird im November 32, und noch ist unklar, ob er den Geburtstag in Hamburg feiern kann. Einerseits zeigte er, welch Faktor er sein kann, andererseits sind sechs Saisontore für einen Stürmer übersichtlich viele.
Finn Ole Beckers Weiterentwicklung blieb aus
Wenn man mit dem Potenzial eines Finn Ole Becker gesegnet ist, steigen die Erwartungen. Natürlich ist das Eigengewächs mit seinen bald 22 Jahren noch jung, dennoch hatte man sich von ihm für die abgelaufene Serie, seine dritte bei den Profis, einen messbaren Satz nach vorne erhofft. Der blieb allerdings aus. Dass ihm sein Ziehvater Timo Schultz nur 13-mal von Beginn an das Vertrauen schenkte, hat Aussagekraft. Zwei Profis hatten hingegen kaum Gelegenheit, positiv auf sich aufmerksam zu machen. Jannes Wieckhoff kam nur zu zwei Einsätzen, ist verletzungsbedingt seit September 2021 raus. Sebastian Ohlsson ereilte ein ähnliches Schicksal, der Schwede stand nur siebenmal auf dem Platz, musste immer wieder körperliche Rückschläge verkraften.