St. Pauli-Trainer Hürzeler ganz privat: Über Liebe, Tattoos, Alter und Obsession
Fabian Hürzeler hat die Mannschaft des FC St. Pauli in seinem ersten Jahr als Cheftrainer zum Aufsteiger geformt. Gegenüber der MOPO gewährt der 31-Jährige ganz neue und auch überraschende Einblicke in sein Denken, Arbeiten und Leben. Hürzeler von A wie Aberglaube über E wie Emre, K wie Karriereplan und S wie Schwächen bis zu Z wie Zähne – in seinen eigenen Worten.
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Er ist der Shootingstar an der Seitenlinie, einer der erfolgreichsten und auch spannendsten Trainer im deutschen Fußball. Hochgelobt, heiß begehrt. Extrem ehrgeizig und ambitioniert. Fabian Hürzeler hat die Mannschaft des FC St. Pauli in seinem ersten Jahr als Cheftrainer zum Aufsteiger geformt und das Verlieren abgewöhnt. Seine Erfolgsserie oder Idee von Fußball kennt man. Über den Menschen Fabian Hürzeler ist hingegen nach wie vor wenig bekannt. In der MOPO gewährt der 31-Jährige ganz neue und auch überraschende Einblicke in sein Denken, Arbeiten und Leben. Hürzeler von A wie Aberglaube über E wie Emre, K wie Karriereplan und S wie Schwächen bis zu Z wie Zähne – in seinen eigenen Worten.
Aberglaube: Ich versuche, darauf zu verzichten, aber es ist schon so, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, dass es Dinge gibt, wo der Aberglaube durchkommt. In den Abläufen vorm Spiel beispielsweise, da gibt es den einen oder anderen Tick. Was ich verraten kann: ich gehe immer zur Bank und stelle zwei Wasserflaschen für Peter (Co-Trainer Peter Nemeth) und mich da hin. Immer.
Für St. Pauli-Trainer Hürzeler ist Fußball eine „Obsession“
Besessenheit: Ich bin fußballverrückt, absolut. Ich würde tatsächlich nicht nur von einer Leidenschaft, sondern von einer Obsession sprechen. Im positiven Sinne. Es ist eine Besessenheit, die mir Freude macht, weil ich mich gerne mit Fußball beschäftige, Fußball schaue, mich mit anderen darüber austausche. Fußball ist für mich ein Beruf – aber wie für andere Leute einfach auch ein Hobby.
Champions League: Das habe ich mal gesagt, dass das ein Ziel ist, eine Vision. Ich finde, es ist immer berechtigt, Ziele und Visionen zu haben für ein zielorientiertes Arbeiten. Die Champions League ist aber dann doch etwas, was ich im Moment noch im TV schaue, anstatt live dabei und involviert zu sein (schmunzelt).
Details sind für die Entwicklung von St. Paulis Spielern besonders wichtig
Details: Darauf lege ich großen Wert. Für die generelle Entwicklung eines Spielers ist es sehr wichtig, dass er auf die Details achtet. Da geht es um Fußstellung, Positionierung, Ballannahme und -mitnahme. Je höher man kommt, desto ausgeglichener werden die Spiele und auch das Niveau der Spieler – und umso mehr kommt es dann auf die Details an. Es geht um Kleinigkeiten, die entscheidend sind.
Emre: Emre Can! Er war einer meiner besten Freunde in der Jugend, wir haben beim FC Bayern gespielt und jeden Tag miteinander verbracht. Ein überragender Fußballer und Mensch. Das sieht man auch daran, dass er Kapitän geworden ist bei Dortmund. Das zeigt, dass er sich in seiner Persönlichkeit entwickelt hat. Ein Top-Fußballer war er schon immer. Wir haben nicht mehr so intensiv Kontakt, aber wenn man sich sieht, dann freut man sich.
Familie: Ich liebe Familie und habe eine sehr große. Familie ist für mich das Wichtigste im Leben. Es sind zum einen deine größten Kritiker, zum anderen geben sie dir einfach Halt, Vertrauen und Unterstützung. Ich habe tolle Eltern und wirklich tolle Geschwister – meine Schwestern Michelle und Svenja und meinen Bruder Adrian – die auch Großes leisten. Ich bin sehr stolz auf sie. Sie bringen auch jeweils Partner oder Partnerin mit, sodass die Familie größer ist. Jetzt bekommt meine große Schwester auch noch Nachwuchs, worüber wir uns extrem freuen. Dann wächst die ganze Familie weiter, was sehr schön ist.
Gänsehaut: Da gibt es viele Momente im Fußball bei mir, die das auslösen. Wenn ich sehe, wie meine Mannschaft Dinge, die wir trainiert haben, perfekt umsetzt, wenn sie schöne Tore schießt, wenn sie emotional füreinander da ist, dann berührt mich das sehr und verursacht Gänsehaut. Das gilt auch, wenn wir es schaffen, die Fans mit besonderen Aktionen oder Momenten zu elektrisieren und das Millerntor kocht – das sind auch Gänsehautmomente.
Humor: Ich kann über vieles lachen und würde mich als sehr humorvollen Menschen bezeichnen – und das gilt auch für meinen Job als Trainer. Es muss immer in der richtigen Balance sein, aber Spaß gehört bei der Arbeit einfach dazu. Mir ist es wichtig, dass meine Mitarbeiter mit Freude zur Arbeit kommen. Wenn ich ein Stinkstiefel wäre, dann wäre immer schlechte Laune. Wir sollen lachen und ich versuche auch, dass wir oft gemeinsam lachen, weil das für eine positive Arbeitsatmosphäre entscheidend ist. Mit meinen Spielern ist das nicht anders. Neulich habe ich im Trainer-Büro mal „Aushalten: Nicht lachen“ von Joko & Klaas laufen lassen. Das kam gut an.
St. Pauli-Trainer Hürzeler: „Ich schaue gerne über den Tellerrand“
Innovation: Grundsätzlich gilt: Wir und auch ich können den Fußball nicht neu erfinden. Das ist Punkt eins. Trotzdem gibt es immer wieder neue Technologien, neue Möglichkeiten oder neue Trends und es gehört zum Trainerberuf dazu und ist auch Pflicht, finde ich, auf dem neuesten Stand zu sein. Was Standardsituationen angeht, gebe ich die Verantwortung an Peter und Marco (Knoop, Torwarttrainer und für Defensiv-Standards zuständig, Nemeth für offensive), die sich auch extrem viele andere Spiele angucken. Deshalb haben sie auch immer wieder innovative Ideen, die ich zulasse. Zu schauen, welche Trends es gibt und was davon zu deiner Mannschaft passt, sehe ich als Aufgabe eines Trainers. Ich schaue gerne über den Tellerrand und gucke, was in anderen Sportarten passiert. Das Blocken im Basketball ist ein Thema. Oder mit wie vielen Spielzügen sich die Spieler im American Football auseinandersetzen müssen – das ist etwas, das im Fußball auch noch nicht so richtig angekommen ist. Ich denke, da ist noch Potenzial da.
Junkie: Was Süßigkeiten angeht, bin ich schon ein Junkie, das muss ich zugeben. Das gilt besonders für weiße Schokolade. Bei mir gibt es auch eine klare Regel im Trainingsalltag: Wenn jemand zu spät kommt, muss er zur Strafe sieben Marzipan-Croissants aus dem Elbgold-Café mitbringen. Ich liebe die Dinger!
Bundesliga und Europapokal sind große Ziele von Hürzeler
Karriereplan: Natürlich hast du eine Vision, wo du hinwillst. Das finde ich auch extrem wichtig. Dennoch ist Fußball enorm schnelllebig, ein Wochen- oder sogar Tagesgeschäft. Da groß zu planen, ist schwer. Trotzdem hast Du ein klares Ziel, wo deine Karriere enden kann und soll. Zu sagen: in zwei Jahren will ich dort sein und in vier Jahren dort – das mache ich nicht. Der Wunsch und das Ziel, in der Bundesliga zu landen, mal Europapokal zu erleben – der ist hundertprozentig vorhanden. Aber da gehört natürlich viel dazu.
Liebe: Ich bin glücklicher Single. Bei mir ist es gut so, dass ich mein Privates auch privat halten kann und das wird auch in Zukunft so sein bei mir. Natürlich werden auch viele Dinge hineininterpretiert in mein Privatleben. Aber ich kann ganz klar sagen, dass ich im Moment für die Arbeit lebe, dass ich nicht auf der Suche nach einer Frau bin. Wenn sich etwas ergibt, dann ist es so, aber ich bin niemand, der verzweifelt eine Partnerin an seiner Seite braucht. Die Liebe kommt – davon bin ich überzeugt.
Hürzeler besitzt drei Pässe – aus den USA, der Schweiz und Deutschland
Multikulti: Ich habe drei Pässe, bin in den USA geboren, in der Schweiz und Deutschland aufgewachsen. Ich fühle mich in allen drei Ländern extrem wohl, kann mich mit vielen Leuten, Werten und Eigenschaften identifizieren, die für die jeweilige Nationalität stehen. Ich glaube, dass meine Persönlichkeit das in gewisser Weise auch vereint. Die Berge geben mir ein Gefühl von Heimat, in Amerika ist es ein Gefühl von Offenheit und die Einstellung, anderen Menschen Erfolg und das Leben zu gönnen, das sie sich erarbeitet haben, was mir gefällt.
Natur: Das ist das, wo ich am besten abschalten kann. Ich verbinde Natur am liebsten mit Aktivitäten – gerne mit Familie oder Freunden. Ich bin keiner, der allein in die Berge geht, davon bin ich kein Fan. Ich brauche dann schon meine Engsten um mich herum, um richtig abschalten zu können und mal meine Gedanken wegzubekommen von Fußball. Natur ist definitiv etwas, das mir viel gibt.
Outfit: An der Seitenlinie bin hier ich ganz klar die Fraktion Trainingsanzug, weil es auch zu St. Pauli passt. Ich fände es unangemessen, wenn ich da im Rollkragenpullover und der Moncler-Jacke an der Linie stehen würde. Ich bin der Meinung, dass die Outfits zum jeweiligen Verein passen müssen. Privat ziehe ich mich schon gerne modern und auch gut an. Und ich finde auch, dass die Außendarstellung zum Trainerjob dazugehört. Da kannst du nicht ständig mit Jogginghose herumlaufen.
Pünktlichkeit: Ich hasse Unpünktlichkeit. Pünktlich zu sein, hat für mich oberste Priorität – das liegt vielleicht auch am Schweizer in mir. Eine Minute Verspätung finde ich schlimmer als zehn Minuten, weil es etwas mit Undiszipliniertheit zu tun hat. Wenn du zehn oder fünfzehn Minuten zu spät kommst, gibt es meistens einen Grund.
Quality Time: Zeit mit Freunden und der Familie, aber auch einfach mal in einem Wellness-Hotel entspannen. Das ist für mich auch Qualitätszeit.
Rampenlicht als St. Pauli-Trainer? Hürzeler kommt „damit sehr gut klar“
Rampenlicht: Das gehört zum Fußball einfach dazu. Ich kenne das jetzt seit einem Jahr und fremdele gar nicht damit. Als Trainer des FC St. Pauli ist man einfach auch eine Person des öffentlichen Lebens – das bringt Vor- und auch Nachteile mit sich. Darüber bin ich mir im Klaren, aber ich kann mich damit total gut auseinandersetzen und komme damit sehr gut klar.
Schwächen: Natürlich habe ich einige Schwächen, dazu gehört, dass ich lernen muss, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht beeinflussen oder kontrollieren kann – wie zum Beispiel Wetter oder eine Erkrankung eines Spielers. Für Verletzungen gilt das auch nur zu einem gewissen Prozentsatz. Da muss ich selbst und auch im Umgang mit anderen kontrollierter und auch rationaler werden. Und auch meine Emotionalität an der Seitenlinie ist etwas, wo ich mich reflektieren und verbessern kann.
Für Hürzeler sind Tattoos eine „gewisse Sucht“
Tattoos: Ich habe einige davon. Es ist eine gewisse Sucht. Jeder, der Tattoos hat, weiß, wovon ich rede. Mein erstes Tattoo habe ich mir mit 15 oder 16 stechen lassen, einen Kompass am Unterarm mit den Initialen von meiner Familie. Ich habe auch eins mit Fußballbezug. Es zeigt mich mit einem Ball in der Hand und der Sehnsucht und Leidenschaft, dem Fußball nachzugehen. Ein neues Tattoo habe ich nicht und im Moment auch keine Idee – aber es kann wieder passieren.
U-Nationalteam: Ich durfte von der U15 bis zur U20 alle Jugend-Nationalmannschaften durchlaufen. Es war für mich etwas Besonderes, für Deutschland aufzulaufen. Das war eine aufregende Zeit und ich hatte wirklich tolle Erlebnisse. Der DFB ist immer noch die Institution, wo du von der maximalen Professionalität profitierst, weil du mit den besten Spielern Deutschlands zusammenspielst, mit hervorragend ausgebildeten Experten und Staff-Mitgliedern zusammenarbeitest. Das hat mich eindeutig geprägt.
Vertrauen: Extrem wichtig für mich. Ich bin ein Mensch, der nicht schnell vertraut und auch nicht zu allen Vertrauen aufbaut. In dem Geschäft ist das auch nicht einfach. Aber Vertrauenspersonen innerhalb vom Staff und der Mannschaft sind extrem wichtig, weil es auch Ratgeber sind, die dir unterstützend zur Seite stehen und auch ehrlich Feedback geben können und müssen. Du weißt immer: wenn du mit ihnen unter vier Augen redest, bleibt es unter vier Augen. Das ist etwas, das im Fußball nicht oft vorkommt, aber für mich sehr entscheidend ist.
Wohnmobil: Als ich ein Kind war, haben unsere Eltern viele tolle Dinge mit uns gemacht und da gehören große Wohnmobil-Reisen in den USA dazu, wo wir zu sechst in einem Camper verschiedene Orte, verschiedene Nationalparks bereist haben und besondere Tiere sehen konnten. Das war eine sehr prägende Zeit. Das ist auch etwas, wo ich sage: So will ich mal meine Kinder, falls ich welche haben werde, erziehen und das gemeinsam erleben, was ich genossen habe. Meine Freunde und ich planen tatsächlich, auch mal einen Wohnmobil-Trip zu machen. Das muss nicht in den USA sein. Es gibt auch in Europa schöne Orte, die noch nicht so in der Öffentlichkeit sind.
XG-Werte: Da guckt man natürlich drauf, aber die muss man immer mit Vorsicht genießen, sage ich. Dafür gibt es genügend Beispiele. Bayern verliert gegen Frankfurt 1:5 und hat den besseren xG-Wert. Wir spielen gegen Hansa Rostock und Rostock hat den besseren xG-Wert. Da fragt man sich schon: Wie kann das sein? Das ist etwas, das nicht den Spielverlauf widerspiegelt. Da musst du wirklich gehörig aufpassen, wie man das definiert und was man daraus ableitet. Langfristig geben die Werte wahrscheinlich eine gewisse Orientierung, aber man sollte sie nicht einfach so übernehmen.
Auf sein Alter wird Hürzeler inzwischen nicht mehr häufig angesprochen
Youngster: Anfangs war mein Alter immer wieder ein Thema, nach einem Jahr ist es nicht mehr so das ganz große Ding. Ich komme damit gut zurecht. Natürlich denke ich manchmal selbst, dass ich noch sehr jung für dieses Geschäft bin, aber es kommt nicht auf die Lebensjahre, sondern auf gut oder schlecht an. Ich wachse mit der Aufgabe, das merke ich, kann viel lernen, von meinen Mitarbeitern oder auch von meinen Trainerkollegen etwas mitnehmen. Ich fühle mich nicht zu jung für das Geschäft, sondern absolut reif und vorbereitet für alle Möglichkeiten und Dynamiken, die kommen könnten. Es ist doch vielmehr so, dass man nie zu alt ist, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.
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Zähne: Schöne Zähne sind für mich sehr wichtig. Das liegt natürlich in der Familie, weil meine Eltern beide Zahnärzte sind. Das Erste, was sie machen, wenn wir uns sehen: Sie schauen sich meine Zähne an. (lacht) Das ist wohl jobbedingt.