St. Pauli-Legende Boll über Zoff mit Ultras: „War mir ein Bedürfnis”
Der FC St. Pauli und die Polizei – ein Dauerthema. St. Paulis Ultras haben jüngst den stellvertretenden Abteilungsleiter des Amateurvorstands öffentlich zum Rückzug aus dem Verein aufgefordert, weil er Polizist ist. Ex-Kapitän Fabian Boll, selbst Polizist, ist empört – und erklärt sich in der MOPO.
Der FC St. Pauli und die Polizei – ein Dauerthema. St. Paulis Ultras haben jüngst den stellvertretenden Abteilungsleiter des Amateurvorstands öffentlich zum Rückzug aus dem Verein aufgefordert, weil er Polizist ist. Ex-Kapitän Fabian Boll, selbst Polizist, ist empört.
„Ich dachte tatsächlich, dass ich es zumindest ansatzweise geschafft hätte, Vorurteile in beiden Lagern abzubauen”, schrieb Boll auf Facebook als Reaktion auf eine Ultra-Aktion beim Heimspiel gegen Lautern (1:0) Mitte Februar. „All Carsten Are Balschats”, stand auf einem Transparent von „Ultrà St. Pauli”: „Bullen raus aus Vorstand und Verein”. Die Anfangsbuchstaben ACAB stehen für „All Cops Are Bastards”. Gemeint war Carsten Balschat, ehrenamtlich im Amateurvorstand tätig, der sich um die vielen Nichtprofi-Sportarten beim FC St. Pauli kümmert. Das Problem für die Ultras: Hauptberuflich ist Balschat Polizist.
Boll: „Hatte wohl Glück, dass ich so viele Jahre ‚geduldet’ wurde“
Boll bezog die Aktion auch auf sich: „Dieser Mensch ist offenbar von Teilen des Vereins unerwünscht, weil er jetzt nochmal was genau gemacht hat? Den Beruf des Polizisten auszuüben? Dann hatte ich wohl offenbar nur Glück, dass ich so viele Jahre ‚geduldet’ wurde.” Mittlerweile hat Boll zahlreiche Reaktionen erhalten. Die meisten zustimmend, sagt der 43-Jährige, der bis 2016 für St. Pauli spielte. „Es war mir einfach ein Bedürfnis, mich für einen Freund einzusetzen, der sich im Verein engagiert”, erklärt Boll im Gespräch mit der MOPO: „So ein Transparent macht ja auch etwas mit dir.”
Das könnte Sie auch interessieren: Auslaufende Verträge: So sieht St. Paulis Torhüter-Planung aus
Der Konflikt schwelt schon länger. Auf St. Paulis Mitgliederversammlung im Dezember berichtete Amateur-Abteilungsleiter Jörn Sturm, dass sein Stellvertreter angefeindet werde – auch wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, die sich konservativer positioniert als die mitgliederstärkere Gewerkschaft der Polizei. Im Mitgliedermagazin „Polizeispiegel” schreibt Hamburg-Chef Thomas Jungfer, dass Deutschland „scheinbar ein ‚verweichlichtes’ Land” geworden sei, „wo mutmaßlich jeder machen darf, was er will”. Woran das liegt, ist für Jungfer keine Frage: „Es muss doch mal gesagt werden dürfen, dass in unserem Land in den letzten Jahren offensichtlich in Sachen Migration und Integration einiges schiefgelaufen ist.”
Harter Tobak, der nicht nur bei St. Pauli-Ultras auf Widerspruch stoßen sollte. Aber deshalb ein Transparent gegen ein namentlich genanntes Mitglied? Nach MOPO-Informationen gab es Gespräche des Vereins mit den Ultras, in denen das Missfallen über die Aktion deutlich ausgedrückt worden ist.
Rückendeckung: St. Pauli spricht Balschat Vertrauen aus
„Da stand ja nicht: ‚Wir sind gegen deine Gewerkschaft’, sondern ‚Bullen raus dem Verein’“, kritisiert Boll: „Natürlich kann man auf Transparenten nicht alles im Detail ausführen, aber da habe ich mich auch angesprochen gefühlt.”
Auch der Verein reagierte inzwischen. „In einem von den Mitgliedern geführten Verein entscheiden nicht Plakate im Stadion, Online-Abstimmungen oder einzelne Wortmeldungen, wie Posten oder Gremien besetzt werden”, erklärte der FC St. Pauli auf MOPO-Anfrage: „Die sporttreibenden Abteilungen des FC St. Pauli haben Carsten Balschat ihr Vertrauen ausgesprochen. Auch das Präsidium hat Carsten direkt nach dem betreffenden Spiel die volle Rückendeckung und große Wertschätzung versichert.”
Das könnte Sie auch interessieren: St. Pauli zeigt Interesse an diesem Top-Verteidiger
Boll hat sich in seiner aktiven Zeit selbst mit den Ultras ausgetauscht, dabei sei aber kein „Meinungskonsens” erreicht worden. Ihm gegenüber zeigten sich die Ultras allerdings flexibler. „Nach 17 Jahren Fußballheld jetzt nur noch Beamtengeld”, dichteten sie 2014 auf einem Transparent zum Profi-Abschied des Mittelfeldspielers. „Das hat mein Humorzentrum voll getroffen”, blickt Boll zurück und äußert die Hoffnung: „Vielleicht kommen wir ja dazu, dass jeder, der zum FC St. Pauli hält, am Millerntor willkommen ist.”
Am 25. März wird Boll beim Abschiedsspiel für Jan-Philipp Kalla am Millerntor auflaufen. Der Verein bewirbt es unter dem Motto „All Kallas Are Beautiful”.