St. Pauli-Boss Göttlich bremst Euphorie und spricht über Hürzeler-Vertrag
Nach zehn Spieltagen grüßt der FC St. Pauli von der Tabellenspitze der Zweiten Liga, ist seit 15 Spielen unbesiegt, wird von seinen Fans gefeiert und von Experten und Konkurrenten mit Lob überhäuft, mal als beste Mannschaft der Liga geadelt oder zum klaren Aufstiegskandidaten erhoben. Doch wie wird das erste Saisondrittel intern bewertet? Die MOPO sprach mit Präsident Oke Göttlich über den Start, den Hype, die Saisonziele und die Zukunft von Trainer-Shootingstar Fabian Hürzeler beim Kiezklub.
Nach zehn Spieltagen grüßt der FC St. Pauli von der Tabellenspitze der Zweiten Liga, ist seit 15 Spielen unbesiegt, wird von seinen Fans gefeiert und von Experten und Konkurrenten mit Lob überhäuft, mal als beste Mannschaft der Liga geadelt oder zum klaren Aufstiegskandidaten erhoben. Doch wie wird das erste Saisondrittel intern bewertet? Die MOPO sprach mit Präsident Oke Göttlich über den Start, den Hype, die Saisonziele und die Zukunft von Trainer-Shootingstar Fabian Hürzeler beim Kiezklub.
St. Pauli ist Gesprächsthema in Fußball-Deutschland – und das hat mit Fußball zu tun. Dem Fußball, den die Kiezkicker in den letzten Wochen spielen: anspruchsvoll, aufregend, erfolgreich. Und es liegt am Coach, dem fußballbesessenen 30-Jährigen, der besagten Fußball komponiert und dirigiert.
„Es ist ein guter Start – nicht mehr, nicht weniger“, sagt Göttlich recht nüchtern zu den bislang 20 Punkten, 20:8 Toren und Platz eins – vor dem punktgleichen HSV. Viel geleistet, viel gewonnen, aber: „Wir haben noch gar nichts erreicht.“
Göttlich spricht von Bodenhaftung
Freude ja, Euphorie nein. Dafür hat Göttlich schon viel zu viel mitgemacht mit seinem Verein in den letzten Jahren und in dem schnelllebigen Geschäft Profifußball. „Wir sehen uns nicht im Höhenflug. Wir fliegen nicht hoch und wollen auch nicht tief fallen, sondern bleiben auf dem Boden und wollen dort unseren Weg Schritt für Schritt weitergehen.“
Viele Beobachter sind der Meinung: dieser Weg führt zwangsläufig in die Bundesliga. St. Pauli sei die aktuell beste Mannschaft der Liga, spiele den besten Fußball der letzten Jahre in Liga zwei und sei deshalb Aufstiegsfavorit. Die Messlatte liegt schon früh verdammt hoch. Selbst schuld, könnte man sagen.
„Wir machen den Hype nicht mit“, sagt Göttlich. „Wir wollen und werden uns nichts einreden und uns wund quatschen lassen.“ Es gebe innerhalb der Mannschaft und auch des Vereins „kein Schwelgen oder Schwärmen. Wir sind absolut geerdet und bleiben voll konzentriert.“
Trotz Euphoriebremse: Göttlich ist vom Spielstil angetan
Gar keine Glücksgefühle? Wenigstens auf der Tribüne? Göttlich lacht. Doch, er kann auch Fan sein. „Es macht unfassbar viel Spaß, der Mannschaft beim Fußballspielen zuzuschauen und die Früchte der harten Arbeit nach einem erfolgreichen Spiel zu feiern und den Moment zu genießen – aber nur kurz, um dann weiterzuarbeiten für das nächste schwere Spiel.“ Vom Schwärmen zur Vernunft – in einem Satz.
Die Lobeshymnen für St. Pauli sieht Göttlich pragmatisch. „Es freut uns, wenn das von Außenstehenden anerkannt, gelobt oder wertgeschätzt wird. Das ist nett. Aber es bringt uns keinen Zentimeter voran.“ Es könne sogar durch die öffentliche Wahrnehmung kontraproduktiv sein und zur Gefahr werden. „Wir müssen jetzt aufpassen, dass die Erwartungen nicht zu hoch werden und Siege als selbstverständlich angesehen werden. Das ist völlig unangemessen. Wenn alle Wölfe das Lied des Superteams heulen, dann ist es für uns nur noch mehr Ansporn, an unseren Potenzialen und auch Defiziten zu arbeiten.“

Wenig Verständnis hat der 47-Jährige für Rollenzuschreibungen, Vorhersagen oder Prognosen für den weiteren Saisonverlauf und das aus einem simplen Grund. „Es sind erst zehn Spieltage gespielt, knapp ein Drittel der Saison“, so Göttlich. „Wir stehen oben – und wir haben acht Punkte Vorsprung auf Platz 15. Das will keiner hören, ist aber Tatsache.“ Und überhaupt: „Diese Liga ist so wahnsinnig eng und sau-spannend, dass sich Prognosen oder Hochrechnungen verbieten.“
Dennoch: St. Paulis Chancen, in dieser Spielzeit endlich den Aufstieg zu schaffen, erscheinen aufgrund der Leistungsstärke der Mannschaft, der Qualität des Kaders und der Stabilität in diesem Kalenderjahr unter der fast einjährigen Regie von Hürzeler so gut wie lange nicht.
Nach starker Hinrunde: 2021/22 folgte der Absturz
Ausgangslagen sind das eine, was man daraus macht, das andere – das entscheidende. Wer weiß das besser als die Braun-Weißen? Niemand im Verein hat die Saison 2021/22 vergessen, in der nach einer furiosen Hinrunde der Absturz folgte und es einmal mehr nicht gelang, zwei stabile Halbserien zu spielen.
Nur ein Saisonziel, das über allen anderen Ambitionen stehe, könne es deshalb geben. „Unsere Aufgabe ist es, konstant guten Fußball zu spielen und zu punkten – und das über eine ganze Saison. Das ist unser erstes und wichtigstes Ziel und unser Ansporn“, betont Göttlich. „Darauf haben alle richtig Bock: eine richtig gute ganze Saison. Die hat es beim FC St. Pauli leider schon länger nicht mehr gegeben. Jetzt von Aufstiegskurs zu träumen oder zu reden, wird der Konkurrenzsituation in der Liga nicht im Ansatz gerecht und hilft nur den Anderen.“ Der Konkurrenz, die nur allzu gern den Kiezkickern die Favoritenrolle und damit auch den Druck zuschiebt.
Voll des Lobes ist Göttlich über die Arbeit im Sportlichen Bereich in den zurückliegenden Wochen, Monaten und – im Falle von Sportchef Andreas Bornemann – Jahren. „Wir haben einen Trainer, der fantastische Arbeit leistet. Und wir haben einen Top-Top-Sportchef, der über Jahre mit viel Arbeit und einigen unbequemen, aber richtigen und wichtigen Entscheidungen einen hervorragenden Kader aufgestellt hat, der nicht nur sportlich überzeugt, sondern auch charakterlich zum FC St. Pauli passt.“ Das sei die Grundlage des aktuellen Erfolges. Beiden attestiert er eine enorme Leidenschaft. „Wir werden weiter brennen. Das leben Fabian und Andreas jeden Tag vor.“
Göttlich spricht über Hürzeler-Vertrag
Wie lange noch gemeinsam? Hürzelers Vertrag läuft bekanntlich zum Saisonende aus. Beide Seite sind in Gesprächen über eine Verlängerung.
„Wir als Verein können nicht über seine Zukunft entscheiden, sondern Rahmenbedingungen schaffen, in denen ein Trainer erfolgreich und mit Freude arbeiten kann“, stellt Göttlich klar. „Und ich habe den Eindruck, dass Fabian das und auch die Zusammenarbeit zu schätzen weiß.“
Avancen anderer Klubs beunruhigen den Klubboss nicht. „Natürlich weckt so ein junger, ambitionierter und erfolgreich arbeitender Trainer andernorts Aufmerksamkeit und Interesse. Das liegt in der Natur der Sache und ist auch eine Bestätigung für unseren Weg“, findet Göttlich.
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Einen Aufstieg von St. Pauli in dieser Saison als Bedingung für Hürzelers Verbleib sieht Göttlich nicht. „Er ist 30 Jahre alt und hat beste Voraussetzungen für eine lange und erfolgreiche Karriere. Es ist absolut nachvollziehbar, dass er als ambitionierter Trainer so hochklassig wie möglich arbeiten möchte, aber aus meiner Sicht hat er da keinerlei Zeitdruck. Insofern bin ich da entspannt. Unser Gesamtpaket, das wir ihm im Rahmen unserer Möglichkeiten bieten können, ist sehr interessant. Es ist eine gute Situation für beide Seiten.“
Unmissverständlich und zuversichtlich stellt der Präsident klar: „Wir würden uns sehr wünschen, dass Fabian gemeinsam mit uns den eingeschlagenen Weg weitergeht. Das ist kein Geheimnis und ich bin da guter Dinge.“