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  • St. Paulis neuer Cheftrainer Timo Schultz hat alles fest im Blick. Beim Umgang mit seiner Mannschaft hilft ihm seine Vergangenheit als Profi.
  • Foto: WITTERS

Sportpsychologe über FC St. Pauli: „Nur mit Kuscheln gibt es keine Topleistung“

Wenn man den Kiezkickern in diesen Tagen beim Training zuschaut, dann stellt man fest: Sie arbeiten hart und konzentriert, haben gleichzeitig Freude an ihrem Job. Das hat ganz offenbar mit dem neuen Coach Timo Schultz (42) zu tun. Der geht ganz anders mit den Profis des FC St. Pauli um als es Vorgänger Jos Luhukay getan hat.

Der angesehene Hannoveraner Sportpsychologe Matthias Herzog (43) kann verstehen, dass die Spieler wie befreit wirken. „Unter dem Perfektionisten und ’Diktatoren’ Luhukay war es für sie wie im Gefängnis, wo sie ab und zu Ausgang hatten.“ Der Vorteil: Die Akteure hätten klare Strukturen gehabt, an die sie sich nur halten mussten. Der Nachteil: Sie hätten sich nicht entfalten können, wären ihrer größten Stärken beraubt worden. Herzog: „Die waren praktisch nur Erfüllungsgehilfen.“

Sportpsychologe Matthias Herzog ist 43 Jahre alt.

Sportpsychologe Matthias Herzog ist 43 Jahre alt.

Foto:

HFR

FC St. Pauli: Kritik am Führungsstil von Luhukay

Von Luhukays Art, mit den St. Paulianern umzugehen, sie überwiegend hart anzupacken und oft einen rauen Ton anzuschlagen, habe er nicht viel gehalten: „Er war eine Mischung aus Sherlock Holmes und Tarzan. Weil er einerseits ein Schnürsenkelbügler, Korinthenkacker und gnadenloser Analytiker war. Andererseits hat er getrommelt und laut geschrien, und dabei wenig gesagt.“

Er habe Schultz in dessen ersten beiden Wochen beobachtet und glaubt, dass dieser es bislang gut macht. „Er ist ein Kumpeltyp, viel lockerer, lobt wesentlich mehr als Luhukay. Er redet die Spieler groß, gibt den Jungs andauernd ein Feedback und sorgt so dafür, dass Potenzial freigesetzt wird.“

Sportpsychologe lobt St. Pauli-Trainer Schultz

Herzog fand es genau richtig von Schultz, dass der sich bei seinem Amtsantritt wünschte, dass seine Spieler gern zur Arbeit kommen: „Es ist ein großer Unterschied, ob die Profis sagen, ich muss oder ich will zum Training.“

Die heutige Spielergeneration sei extrem sensibel, weil sie bereits in frühester Kindheit in den Nachwuchsleistungszentren „gepampert“ worden wäre. „Deshalb brauchen sie mehr Zuwendung. Als Trainer bist du auch ein Vaterersatz.“

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Das bedeutet aber nicht, dass ein Trainer immer nur lieb und nett sein muss. Herzog: „Nur mit Kuscheln gibt es keine Topleistung. Die Mischung macht’s.“ Der Experte glaubt aber, dass Schultz grundsätzlich auf einem guten Weg ist. „Eine Studie hat belegt, dass die Arbeit bis elf Mal leichter fällt, wenn sie mit Spaß verrichtet wird.“ Dies würde der Coach vermitteln. Herzog: „Wenn er es schafft, die vorherige negative Motivation in positive umzudrehen, dann besteht die Chance, dass einzelne Spieler durch die Decke gehen können, dann kann es zur Leistungsexplosion kommen.“

Davon könnte vor allem Marvin Knoll profitieren, der in seinem ersten Jahr am Millerntor sofort zum Führungsspieler wurde, danach unter Luhukay kein Bein auf die Erde bekam. Auch Youngster Finn Ole Becker könnte Nutznießer werden. Nach einer Achterbahn-Saison will er jetzt den Durchbruch schaffen.

Sportpsychologe rät St. Paulis Schultz zu Mitteln von Jürgen Klopp

Klar ist: Auch Schultz muss sich erstmal beweisen, wenn es um Punkte und die Tabelle geht. Und: Er kann ebenfalls nur elf Spieler aufstellen. Dann muss sich zeigen, wie die nicht für die Startelf oder den Kader Nominierten reagieren.

Herzog: „Fußballer können damit besser umgehen, wenn sie wie bei Jürgen Klopp stets wissen, woran sie sind. Auch Schultz hat einen offenen kommunikativen Führungsstil, kommt wie Klopp bei allem Fachwissen vor allem über das Menschliche.“

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