Richtungswahl bei St. Pauli: Wer die besten Chancen auf den Aufsichtsrat hat
Dem FC St. Pauli steht eine der spannendsten und auch wegweisendsten Mitgliederversammlungen der letzten Jahre bevor. Seit dem Rauswurf von Trainer Timo Schultz rumort es und der Unmut vieler Fans über die Entscheidung der Vereinsführung um Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann könnte sich am Samstag im CCH entladen – und auch in Abstimmungen und Personalentscheidungen niederschlagen. Formiert sich eine Opposition? Wird das aktuelle Machtgefüge aufgebrochen? Oder – im Gegenteil – zementiert?
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Dem FC St. Pauli steht eine der spannendsten und auch wegweisendsten Mitgliederversammlungen der letzten Jahre bevor. Seit dem Rauswurf von Trainer Timo Schultz rumort es und der Unmut vieler Fans über die Entscheidung der Vereinsführung um Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann könnte sich am Samstag im CCH entladen – und auch in Abstimmungen und Personalentscheidungen niederschlagen. Formiert sich eine Opposition? Wird das aktuelle Machtgefüge aufgebrochen? Oder – im Gegenteil – zementiert?
Vieles deutet darauf hin, dass es nicht nur ein langer, sondern auch ein emotionaler Tag im 1500 Personen fassenden, aber erweiterbaren Saal 3 des Kongresszentrums am Dammtor wird. Mit mindestens sechs Stunden Dauer der um 11 Uhr beginnenden Veranstaltung rechnet der Verein.
Es werden kritische Wortbeiträge erwartet. Wie viele, wie wütend – das ist schwer einzuschätzen. Zudem könnten Mitglieder den Tagesordnungspunkt „Entlastung des Präsidiums“ für das Geschäftsjahr 2021/22 zu einem Denkzettel nutzen, indem sie bei der Abstimmung die Entlastung verweigern, wozu einzelne Mitglieder aufrufen.
Wiederwahl von Sandra Schwedler in St. Paulis Aufsichtsrat gilt als wahrscheinlich
Entscheidender für die Zukunft ist aber die Wahl des Aufsichtsrates. Nur drei des sieben Personen umfassenden Gremiums, das die Beurlaubung von Schultz mehrheitlich mitgetragen hat, treten erneut zur Wahl an. Ihre Wiederwahl wird als wahrscheinlich bis sicher eingeschätzt. Bei dem Trio handelt es sich um die amtierende Aufsichtsratschefin Sandra Schwedler (42), Sönke Goldbek (46/ beide seit 2014 im Rat) und Dr. Philippe Niebuhr (51/seit 2018).
Mindestens vier Plätze werden neu besetzt. Aufgrund der 2021 beschlossenen Frauen-Quote werden künftig mindestens zwei weibliche Räte der Gruppe angehören.
Maik Nöcker überraschend und kurzfristig Kandidat für St. Pauli-Aufsichtsrat
Neu-BewerberInnen gibt es zehn, darunter mit Inga Schlegl (40/ Abteilung Fußball Frauen und Mädchen) und Kathrin Deumelandt (49/ Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung) und Anna-Maria Hass (34) drei Frauen. Spannend ist die Personalie Hass, die im Verein in der AG Diversität und dem AK Awareness und darüber hinaus im bundesweiten Fan-Netzwerk „Zukunft Profifußball“ engagiert ist. Die Tatsache, dass sie jahrelang für das oft sehr vereinsführungskritische „Magischer FC“-Blog schrieb, blieb bei den Vorstellungsformaten bislang überraschenderweise unerwähnt.
Kurzfristig in die KandidatInnen-Liste aufgenommen wurde am Mittwoch überraschend Maik Nöcker (53). Nach Vereinsangaben wurde die Bewerbung fristgerecht eingereicht und „seitdem auf die satzungsgemäßen Vorgaben überprüft“. Der Medien-Mann (u.a. Sky, Sport1) moderiert beim vereinseigenen St. Pauli-TV. Interessant: Nöcker postete nach der Trainerentlassung bei Twitter ein Foto von der kleinen Pro-Schultz-Demo mit Anti-Bornemann-Transparent am Stadion.
Es bewegt sich einiges im Feld, was für Aufgeregtheit und Aktivitäten hinter den Kulissen spricht. Während Bäckerei-Unternehmer Christoph Schleuter (53) vor wenigen Tagen überraschend den ebenso überraschenden Rückzug seiner Kandidatur revidierte, ist zu Wochenbeginn Markus Heidemanns (58/TV-Produzent) aus dem Rats-Rennen ausgestiegen.
Kein Kandidat für St. Pauli-Aufsichtsrat mit Fußball als Kernkompetenz
Das Feld komplettieren der Kulturschaffende René Born (45), Wirtschaftsrechtler Georg Margaretha (52), Telekommunikationsunternehmer Ali Sabetian (55), Christian Anger (57/ Automobilbranche) und Kommunikationsberater Joachim Weretka (71), der bei „Fairnetzer 1910“ engagiert ist und übrigens einige Zeit lang die Kiezkicker an der Kollaustraße bekochte – ein privates Engagement.
Auffällig: Im großen Kreis der sich Bewerbenden findet sich niemand, der Fußball oder Sport als Kernkompetenz hat.
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Als absolut sichere Sache wird derzeit keine der Neu-Kandidaturen eingeschätzt. Es bleibt abzuwarten, ob sich KandidatInnen bei der dreiminütigen Vorstellung auf offener Bühne mehr oder weniger deutlich gegen oder für den Kurs von Göttlich und Bornemann positionieren.