Revolutionärer Manager und Stadion-Chaos: Das ist St. Pauli-Gegner Coventry City
Am Samstag (16.30 Uhr) gastiert der FC St. Pauli für einen weiteren Härtetest bei Coventry City. Doch was ist der Zweitligist aus den West Midlands für ein Klub? Die Geschichte beginnt mit einem revolutionären Trainer und Manager, führt über sportliche Rückschläge bis zum Fast-Aufstieg in der vergangenen Saison – und wurde in der abgelaufenen Dekade stets begleitet von Stadion-Streitereien neben dem Platz.
Wer die Historie von Coventry City nachzeichnen möchte, kommt um den Namen Jimmy Hill nicht herum. Der 2015 verstorbene Engländer stand von 1961 bis 1967 bei Coventry an der Seitenlinie, war aber weit mehr als nur ein Übungsleiter: Hill war ein Revolutionär, und das weit über die Grenzen der heute rund 380.000 Einwohner zählenden Großstadt hinaus.
Jimmy Hill modernisierte Coventry City in den 1960er-Jahren
Hill verpasste dem Klub – bis dahin eine graue Maus der Dritten Liga – eine moderne Markenidentität, auch bekannt als „Sky Blue Revolution“: Er ersetzte etwa die marine-weiße Spielkleidung durch die bis heute gebrauchten hellblauen Trikots, samt eines passenden Spitznamens „The Sky Blues“ und der bis heute bei Heimspielen besungenen Hymne „Sky Blue Song“.

Außerdem revolutionierte Hill das Stadion- und Fanerlebnis: Er hob das Konzept der Pre-Match-Unterhaltung durch Musik und Radioprogramm auf ein neues Level, führte die erste elektronische Anzeigetafel und das erste Hochglanz-Spieltagsmagazin des englischen Fußballs ein und organisierte für den reiselustigen Anhang einen exklusiven Zugservice.
Über 30 Jahre am Stück in der ersten Liga
Passend zum aufgefrischten Image stimmte auch die sportliche Entwicklung. Hill führte das Team von der dritten in die erste Liga und leitete so die bis heute erfolgreichste Epoche des Klubs ein. Zwar konnte Coventry mit Ausnahme des sensationellen FA-Cup-Sieges 1987 nie einen größeren Titel gewinnen, aber alleine die jahrzehntelange Erstliga-Zugehörigkeit nach dem Aufstieg 1967 war ein großer Erfolg.
Erst 2001 musste Coventry erneut den Gang in die zweite Liga antreten. Ein Rückschlag, von dem sich der Klub so schnell nicht erholen sollte, im Gegenteil: 2012 folgte der Absturz in die drittklassige League One, 2017 gar der Abstieg in die vierte Liga unter Mark Robins, dem es im Anschluss aber gelang, Coventry umgehend zurück in die dritte und 2020 schließlich wieder in die zweite Liga zu führen und dort zu etablieren. 2024 musste Robins bei Coventry trotz großer Verdienste nach über sieben Jahren und fast 400 Pflichtspielen dennoch seine Koffer packen, ursächlich war ein schwacher Saisonstart, nach 14 Spielen stand ein ernüchternder 17. Platz.

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Die Wende sollte eine Ikone des englischen Fußballs bringen: Frank Lampard, der als Spieler des FC Chelsea Legenden-Status erreichte, als Trainer aber bis dahin noch keine allzu großen Fußspuren hinterlassen konnte. Das sollte sich in Coventry ändern: Unter Lampard starteten die „Sky Blues“ eine respektable Aufholjagd und qualifizierten sich über Platz 5 für die Aufstiegs-Playoffs. Dort scheiterte die Mannschaft letztlich dramatisch im Halbfinale gegen den späteren Aufsteiger AFC Sunderland (2:3) und muss in der kommenden Saison einen weiteren Anlauf nehmen.
Stadion-Chaos begleitet den Klub seit über zehn Jahren
Dann wird es auch wieder auf die Unterstützung der Fans in der Coventry Building Society Arena ganz im Norden der Stadt ankommen. Dabei war es in der jüngeren Vergangenheit alles andere als selbstverständlich, dass das Team in seiner Heimstätte antreten kann. Mehrfach musste der CCFC auf umliegende Stadien ausweichen: In der Saison 2013/14 verdrängte ein Zwist um Mietzahlungen das Team ins 55 Kilometer entfernte Northampton, zwischen 2019 und 2021 musste Coventry seine „Heimspiele“ aufgrund eines Lizenzstreits im nahegelegenen Birmingham austragen.
Aus dieser Rastlosigkeit entwickelte sich beim Klub und seinen Fans ein ausgeprägtes Verlangen nach Selbstbestimmung, das schließlich in der Idee eines Stadion-Neubaus mündete. Der Plan hatte es durchaus in sich: Gemeinsam mit der University of Warwick entwickelte der Verein das Konzept für ein rund 20.000 Zuschauende fassendes Stadion, das von einem großen „Eco Park“ umgeben sein sollte. Das Stadion sollte nachhaltig, ressourcenschonend und mit einer modernen ÖPNV-Infrastruktur ausgestattet werden.
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Bis heute aber verharrt das Konzept in der Schreibtischschublade, umsetzungsreife Architektur- und Baupläne wurden nie entwickelt. Unter dem neuen Mehrheitseigner Doug King (seit 2023) genießt das Projekt keine Priorität mehr. 2024 stellte der Klubboss gegenüber der „Sun“ klar: „Das Projekt steht momentan nicht ganz oben auf meiner Prioritätenliste“, ein neues Stadion liege „in der heutigen Welt noch in weiter Ferne.“ Dabei hätte Jimmy Hill die Idee sicher gefallen – das innovative Konzept wäre ganz in der Tradition des Klub-Revolutionärs gewesen.
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