Rechte Anhänger? St. Paulis Pokal-Gegner will vor allem „guter Gastgeber“ sein
Wenn St. Pauli am Samstag beim SV Atlas Delmenhorst gastiert, dann ist das für die Gastgeber das erste „echte“ Heimspiel im DFB-Pokal seit 42 Jahren. Hinter dem Klub liegt eine bewegte Geschichte. Vor der Aufgabe St. Pauli wartet jede Menge Arbeit. Dass es zu Problemen zwischen den Fans kommen kann, glauben die Verantwortlichen nicht. Was sie dazu sagen, dass Fans des Klubs in der rechten Ecke verortet werden, lesen Sie mit MOPO Plus.
Wenn es langsam düster wird über der Düsternortstraße, ist die Zeit für ein Bier gekommen. Bis dahin wird das Städtische Stadion für das größte Ereignis seit Jahrzehnten aufpoliert: Wie St. Paulis Gegner SV Atlas das erste DFB-Pokal-Spiel in Delmenhorst seit mehr als 42 Jahren vorbereitet.
„Am Freitag um 19 Uhr wollen wir fertig sein“, verrät Stefan Keller, Marketing-Vorstand des niedersächsischen Amateurvereins: „Deshalb wuseln wir herum wie die Heinzelmännchen, egal, ob Vorstand oder Ehrenamtlicher. Tagsüber werden die Handschuhe angezogen, abends zusammen ein Bier getrunken.“
2019 absolvierte Delmenhorst sein DFB-Pokal-Spiel gegen Werder im Weserstadion
Atlas Delmenhorst rüstet sich für das große Treffen. 2019 stand der Klub auch im DFB-Pokal, zog damals Werder Bremen und trug das Spiel im Bremer Weserstadion aus. Kein Vergleich zur jetzigen Aufgabe. „Im Weserstadion sind die Ränge definiert, es gibt Ticketing und Catering“, schildert Keller: „Wir müssen beinahe komplett eine Infrastruktur entwickeln, das Stadion erst mal sektoral aufbauen. Außer den Gästefans kann bei unseren Spielen normal jeder herumlaufen, wo er will.“
⚽️DFB-POKAL SV ATLAS – FC ST. PAULI⚽️
— SV Atlas Delmenhorst von 1973 e.V. (@svatlas1973) August 7, 2023
Beachtet unbedingt unsere Hinweise zur Anfahrt am Samstag zum Stadion. Gilt nicht nur für Gäste-Fans, sondern auch für SVA-Anhänger! Alle Infos unter https://t.co/Phm9MpIYyG pic.twitter.com/Njv4uHf6os
Die Möglichkeit zum Umzug wie 2019 war diesmal nicht gegeben. Das Marschweg-Stadion in Oldenburg wird gerade umgebaut, im Weserstadion das Bundesliga-Eröffnungsspiel gegen Bayern München vorbereitet. So wurde Atlas zu seinem Heim-Glück auch gezwungen. Wie man Aufgaben meistert, wusste der alte Grieche Atlas, der nicht weniger als die Welt auf seinen Schultern trug. Dass die Delmenhorster Kicker genauso heißen, liegt aber an einem Baumaschinenhersteller jüngeren Datums.
Ausnahmezustand in der Kleinstadt Delmenhorst
Das SVA-Organisationskomitee für das DFB-Pokal-Spiel bilden zwölf Personen, doch eine Vielzahl kümmert sich um große und kleine Angelegenheiten rund um den Samstagnachmittag. „250 Leute arbeiten dafür, dass das Spiel stattfinden kann“, sagt Keller und taxiert 3000 ehrenamtliche Stunden Arbeitseinsatz. Stände aufbauen, Personal für die Stände finden – es herrscht ein positiver Ausnahmezustand in der 80.000-Einwohner-Stadt.
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Alles, um an die glorreiche Tradition anzuknüpfen. Dabei ist der Klub streng genommen erst elf Jahre alt. Der alte SV Atlas, der 1980 ans Tor zur 2. Liga klopfte, ging 2002 pleite. 2012 saßen sechs Leute in einer Kneipe, fanden noch einen Schriftführer als siebten Mann und gründeten den neuen SVA, der danach von der Kreisklasse bis in die Regionalliga aufstieg. Im Sommer ging’s zurück in die Oberliga. Nach einem Jahr Neuaufbau ist in der nächsten Saison der Wiederaufstieg das Ziel.
1980 warf Atlas Delmenhorst die Offenbacher Kickers aus dem Pokal
Gegen St. Pauli spielt der SVA in einer Trikot-Eigenkreation, die an die glorreichen 1970er-Jahre des Vorgängervereins erinnern soll. „Wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen“, sagt Keller, der zwischendurch genug damit beschäftigt war, wo der Strom für den Samstag herkommt: „Du hast an so einem Tag unheimlich viele Dinge, die Strom brauchen.“

Allein 12.000 Euro zahlt Atlas für Generatoren, die die Sky-Übertragung auch bei einem Stromausfall absichern sollen. Damit es Bilder vom ersten DFB-Pokal-Spiel in Delmenhorst seit dem 20. Dezember 1980 gibt. Damals schulterte der alte SV Atlas die Offenbacher Kickers und erreichte mit einem 2:1 gegen den Zweitligisten das Achtelfinale.
Aufregung um Freundschaftsschal mit Verbindung zu „Böhsen Onkelz“
2019 stoppte Werder Bremen den Verkauf eines Freundschaftsschals, weil das Motto „Auf gute Freunde“ einem Songtitel der Rechtsrock-Band „Böhse Onkelz“ entsprach. Dass SVA-Fans gegen den Kiezklub für Probleme sorgen werden, glaubt Keller nicht: „St. Pauli kommt mit vielen Fans und wird dazu beitragen, dass es eine gute Stimmung geben wird. Wir und auch die Polizei gehen davon aus, dass es über die üblichen Frotzeleien nicht hinaus gehen wird.“ Die Frage nach gewaltbereiten oder rechten Atlas-Anhängern, beteuert Keller, setze den Verein in ein „absolutes Missverhältnis“.
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Was wünscht sich Keller für die nächsten Tage? „Die begonnene Vorfreude soll sich verstetigen“, sagt der Atlas-Marketingchef, „und dann wollen wir gute Gastgeber sein“.