Psychotrick: Wie Unglücksrabe Van der Heyden bei der Elfer-Parade half
Es war ein Riesen-Theater. Verrückte Minuten, die keiner der Beteiligten und Zuschauenden so schnell vergessen dürfte. Das Chaos rund um den Stuttgarter Elfmeter am Millerntor – denkwürdig. St. Paulis Nummer eins Nikola Vasilj entschärfte den Strafstoß von Nick Woltemade und untermauerte seinen Status als Elfer-Killer der Liga. Aber eine ganz wichtige Rolle bei dieser Heldentat spielte dabei ein Kiezkicker, der zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Spiel war – eigentlich.
Es war das Letzte, was Siebe Van der Heyden in diesem Momant noch tun konnte für seine Mannschaft, insbesondere für seinen Torhüter. Gerade erst war der Innenverteidiger von Schiedsrichter Florian Exner per Gelb-Roter Karte vom Platz gestellt worden. Die zweite Verwarnung hatte er erhalten, weil er im eigenen Strafraum im Fallen einen Schuss gegen die Hand bekommen und den Ball damit geblockt hatte, weshalb es Elfmeter für den VfB gab. Woltemade stand zum Schießen bereit – doch St. Paulis Unglücksrabe ließ sich Zeit.
Siebe Van der Heyden sieht Gelb-Rot – und macht langsam
„Jeder hat mitbekommen, was im Stadion los war“, sagte VfB-Trainer später dazu, sprach von einer „sehr toughen Situation“ für den Schützen und schloss dann knapp: „Das Ende ist bekannt, muss ich nicht weiter ausführen.“
Gemessenen Schrittes war Van der Heyden nach dem Platzverweis vom Feld gegangen, hatte niedergeschlagen mit Trainer Alexaner Blessin abgeklatscht, der dem Belgier Trost spenden wollte. Ging dann an der Seitenlinie vor der Gegengerade entlang und verließ nicht etwa den Stadioninnenraum durch den nächstgelegenen Tunnel zwischen Gegengerade und Südtribüne, sondern bog rechts ab und trottete mit hängendem Kopf auch noch vor der Süd in Richtung des richtigen Einlauftunnels. Ein meditativ anmutender Marsch inmitten der wütenden Kakophonie.
Schiedsrichter Florian Exner ausgepfiffen
Schiri Exner gestikulierte derweil auf der anderen Seite des Spielfeldes wild mit den Armen, versuchte Van der Heyden zur Eile anzutreiben und bedeutete ihm, auf kürzestem und schnellstem Wege den Innenraum zu verlassen, damit der Strafstoß ausgeführt werden kann. Es war eindeutig, dass der über das gesamte Spiel hinweg fehlerbehaftete, unsouveräne und überforderte Referee (auch die Stuttgarter beschwerten sich über einige aus ihrer Sicht fragwürdige Entscheidungen) den Elfer vorher nicht ausführen lassen würde.
Das nutzte Van der Heyden aus. Er dürfte genau gewusst haben, was er tat, schaute zu keiner Zeit in Richtung Schiedsrichter und dachte gar nicht daran, sich zu beeilen, während das Publikum den hektischen Schiedsrichter, den es längst auf dem Kieker hatte, gnadenlos auspfiff. Lauter und lauter. In der Nähe der Eckfahne vor dem Einlauftunnel zwischen Süd- und Haupttribüne, aber außerhalb der Spielfeldbegrenzung, blieb der des Platzes verwiesene Linksfuß schließlich stehen und drehte sich zum Geschehen um, um sich vor seinem Weg in die Kabine noch den Elfmeter anzuschauen. Exner bedeutete ihm vehement mit den Armen, er müsse den Rasen verlassen und Van der Heyden stellte sich schließlich hinter eine LED-Bande.
Nikola Vasilj hält Elfmeter von Nick Woltemade
Ein Riesen-Theater, in dem Woltemade zum Warten gezwungen war. Es verging verdammt viel Zeit, bis für Exner die Rahmenbedingungen zur korrekten Ausführung gegeben waren. Zwischen Van der Heydens Platzverweis (57.) und dem Schuss des Stuttgarter Stürmers, den Vasilj unter ohrenbetäubendem Jubel parierte (60.), vergingen rund drei Minuten. So etwas kann Nerven und Konzentration kosten.
Van der Heyden und Vasilj gegen Frankfurt gesperrt
Der Fehlschütze rehabilitierte sich zwar mit seinem späten Siegtreffer (88.), ärgerte sich dennoch und wollte sich die Strafstoß-Szene beim TV-Interview am liebsten gar nicht anschauen. „Ich habe noch keinen Elfmeter in meiner ganzen Karriere verschossen. Im Spiel hat es mich schon enorm gewurmt“, gab er zu und räumte auch ein, dass er zu viel nachgedacht habe – und dafür hatte ihm Van der Heyden ausreichend Zeit gegeben. „Ich wollte eigentlich die ganze Zeit über das Standbein schießen, habe mich dann kurz vorher nochmal umentschieden. Meistens ist das erste Gefühl das richtige. Habe ich leider nicht drauf gehört, lerne ich auch daraus.“ Nach seinem Siegtor sei ihm nicht nur ein Brocken, sondern ein „Riesending vom Herzen gefallen“.
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Riesen-Frust herrschte dagegen bei Elfer-Held Vasilj, der in der Nachspielzeit eine umstrittene Gelb-Rote Karte gesehen hatte und auch bei Van der Heyden, dessen Verzögerungs-Trick letztlich nicht mit einem Remis und Punkt belohnt worden war. Beide sind im Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt gesperrt.
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