Der St. Pauli-Gästeblock in Frankfurt

Der St. Pauli-Gästeblock in Frankfurt Foto: WITTERS

„Nicht hinnehmbar“: Blessin verurteilt Fan-Randale – St. Pauli warnt vor Folgen

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Das Thema schlägt weiter hohe Wellen. Der gewaltsame Zusammenstoß von Fans in Hannover sowie die in der Folge gegen mehr als 200 St. Pauli-Fans verhängten Stadionverbote für das Auswärtsspiel der Kiezkicker bei Eintracht Frankfurt beschäftigen weiter alle Beteiligten und involvierten Parteien, sorgen für Diskussionen und erhitzen die Gemüter. St. Pauli-Trainer Alexander Blessin, der nach der 0:2-Niederlage seiner Mannschaft kernige Worte für das Vorgehen der Polizei gefunden hatte und seinerseits scharfe Kritik eines Polizei-Gewerkschafters erntete, äußerte sich am Montag erneut zu den Vorfällen – und musste sich trotz Klartext auf die Zunge beißen. Auch vom Kiezklub gibt es eine neue Stellungnahme.

Die Wortwahl war sehr ungewöhnlich für einen Bundesligatrainer, insbesondere in einem Zusammenhang, der mit Fußball gar nichts zu tun hatte. „Die Polizei hat dann halt Schiss gehabt“, hatte Blessin zur Maßnahme der Frankfurter Polizeikräfte gesagt, einen ICE voller St. Pauli-Fans – darunter auch mutmaßliche Beteiligte des Zusammenstoßes von Anhängern der Braun-Weißen mit Fans des VfL Wolfsburg auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs Hannover – im Hauptbahnhof der Main-Metropole zu stoppen und auszusetzen, eine ausgiebige Personenkontrolle durchzuführen und gegen mehr als 200 Hamburger Fans für den Tag ein Stadion- und Stadtverbot zu verhängen.

Alexander Blessin räumt Fehler bei Formulierung ein

Selbstkritisch meinte Blessin darauf angesprochen am Montag: „Das kam verfälscht rüber. Ob das jetzt mit Schiss zu betiteln war von meiner Seite… Da bin ich auch soweit, dass ich sage: Das war vielleicht in dem Moment aus der Emotion heraus, aber das war ja im Kontext völlig anders gemeint. Da ging es mir einfach nur um die Verhältnismäßigkeit.“ Er selbst mache auch mal Fehler. „Das einzugestehen und das kritisch zu hinterfragen, das tu ich immer.“

St. Pauli-Trainer Alexander Blessin während des Spiels seiner Kiezkicker bei Eintracht Frankfurt IMAGO/Steinsiek.ch
St. Pauli-Trainer Alexander Blessin reagiert während der Partie gegen Frankfurt auf das Spielgeschehen
St. Pauli-Trainer Alexander Blessin während des Spiels seiner Kiezkicker bei Eintracht Frankfurt

Was der Coach im Kontext meinte: „Schiss“ der Polizei vor einer erneuten Eskalation in Frankfurt, Zusammenstößen mit Eintracht-Fans, weshalb es zu der rigorosen Maßnahme gekommen war, deren Verhältnismäßigkeit sowohl Blessin als auch sein Verein in einem noch vor Spielbeginn veröffentlichten Statement infrage stellten. In seinen weiteren Ausführungen hatte der 52-Jährige dann nochmal ausgeführt: „Schiss aufgrund der Tatsache, dass sie die Situation mit den Fans hier in Frankfurt kennen, und dass es schwer einzuordnen ist.“ Doch die Wortwahl sorgte für Aufsehen und Kritik. Zu bedenken ist dabei, dass Blessin direkt im Anschluss an die Pressekonferenz nach dem Spiel auf die Thematik angesprochen war, sich kein ausgewogenes Statement zurechtgelegt hatte.

St. Pauli-Trainer zur Attacke von Polizei-Vertreter Osburg

Scharf schoss der stellvertretende Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Hamburg, Lars Osburg, der Blessin auch persönlich angriff. „Trainer Blessin sagt, die Polizei habe ‚Schiss gehabt‘. Vielleicht sollte sich der Trainer auf seine vermeintliche Kompetenz konzentrieren und Fußball lehren. Die Polizei kümmert sich derweil um die Sicherheit“, hatte Osburg via Social Media verlauten lassen.


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Zur Attacke von Osburg sagte Blessin süffisant: „Es ist ja schön, dass dieser junge Herr meint, sich über Social Media zu äußern in seiner Position.“ Zu dessen Kompetenz-Stichelei meinte der gebürtige Stuttgarter: „Ob ich diese vermeintliche Kompetenz habe, ist eine andere Entscheidung, aber letzten Endes will ich darauf dann auch nicht mehr eingehen. Das ist, wie gesagt…“ Blessin zögerte kurz und fügte dann mit einem leichten Schmunzeln an: „Nee, ich lasse mich nicht hinreißen. Von daher lassen wir es dann dabei.“

„Wollen wir alle nicht“: Blessin verurteilt die Fan-Prügelei

Was Blessin am Samstag und kurz nach dem Spiel noch nicht gemacht hatte, holte er zwei Tage später nach und verurteilte die Fan-Randale in Hannover, die Auslöser der kritisierten Polizei-Maßnahme gewesen war. Ausschreitungen mit einem „hohen Aggressionspotenzial“ seien „auf jeden Fall zu vermeiden und das wollen wir auch nicht“, erklärte er zur Eskalation in Hannover und lobte das Verhalten der Polizeikräfte und Anhänger am Frankfurter Bahnhof. „Von dem, was ich jetzt mitgekriegt habe, haben die Polizisten in Frankfurt sehr gut reagiert. Es war halt ein hohes Aufkommen. Das war sehr deeskalierend. Auch unsere Fans haben sich dementsprechend hervorragend verhalten.“ Die Kritik an der vorausgegangenen Gewalt unterstrich Blessin nochmals. „Wenn dann aber 10, 15 mal ausscheren, dann ist das natürlich auch eine Situation, die nicht hinnehmbar ist. Das ist ja auch klar und das wollen wir alle nicht.“

Polizisten in Montur stehen am Gleis in Frankfurt MOPO
Polizisten in Montur stehen am Gleis
Polizisten in Montur stehen am Gleis in Frankfurt

Auch der FC St. Pauli bezog zu Wochenbeginn erneut Stellung. „Im Zusammenhang mit den Ereignissen im Vorfeld des Auswärtsspiels bei Eintracht Frankfurt behalten wir uns vor, polizeiliche Maßnahmen kritisch zu hinterfragen – etwa im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen ihrer Rechtsgrundlagen und die fehlerfreie Adressat*innenauswahl. Auch muss jede Maßnahme verhältnismäßig sein“, ließ der Kiezklub in einem längeren Statement verlauten.

Kiezklub nimmt Stellung zur Randale und warnt vor Folgen

Vize-Präsidentin Luise Gottberg, im Hauptberuf Rechtsanwältin und innerhalb des höchsten Vereinsgremiums für die Themen Recht und Fans zuständig, betonte: „Die Prinzipien der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und der Verhältnismäßigkeit sind grundlegende Pfeiler des Rechtsstaats. Es ist legitim, notwendig und Ausdruck demokratischer Kultur, diese Fragen immer wieder zu stellen und auch stellen zu dürfen. Dabei handelt es sich um eine selbstverständliche Erwartung an rechtsstaatliches Handeln.“

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Auch Gottberg übte Kritik an der Eskalation in Hannover, die nach Vereinsangaben keine Verletzungen auf Seiten der eigenen Fans zur Folge hatte. „Wir bestärken besonnenes Verhalten und verantwortungsvolles Handeln von Fußballfans nicht nur zu Hause, sondern auch unterwegs. Gewalttätige Auseinandersetzungen haben weder im Stadion noch anderswo Platz“, stellte die Vize-Präsidentin klar und verwies auch auf die negativen Folgen solcher Vorkommnisse. „Neben möglichen Risiken bringen sie in der öffentlichen Diskussion vor allem denjenigen Auftrieb, die trotz statistisch nachweisbarem Gewaltrückgang härtere Maßnahmen und weitere Einschränkungen gegenüber Fußballfans fordern – beispielsweise in zugespitzten Darstellungen auf Social Media.“ Damit dürfte auch Osburg gemeint sein.

Gottberg: Alle müssen „Verantwortung übernehmen“

Vor diesem Hintergrund und damit Stadion nicht zu Hochsicherheitstrakten werden und sich die Fronten verhärten, sei es aus Sicht des FC St. Pauli wesentlich, „dass alle Beteiligten – Vereine, Behörden, Polizei, Fanorganisationen und Fanprojekte – im Dialog bleiben, gemeinsam Verantwortung übernehmen, Vertrauen stärken und Lösungen finden, um bereits im Vorfeld absehbare Risiken sowie Beeinträchtigungen für Beteiligte und Unbeteiligte zu vermeiden.“

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