• Für Steffen Baumgart ein wesentlicher Faktor des Aufschwungs bei St. Pauli: Guido Burgstaller (r.)
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Nächster Gegner: Paderborn-Trainer Baumgart: „Guido Burgstaller peitscht St. Pauli an“

Vor dem Hinspiel zwischen St. Pauli und Paderborn waren die Ostwestfalen Tabellenfünfter und die Kiezkicker Vorletzter. Seit dem vergangenen Spieltag steht St. Pauli erstmals seit Oktober wieder vor dem SCP. Im MOPO-Interview spricht Paderborns Trainer Steffen Baumgart (49) über die veränderten sportlichen Vorzeichen, St. Paulis Lauf, ein Jahr Geisterspiele und eine mögliche berufliche Zukunft im Ausland.

MOPO:Herr Baumgart, gerade jähren sich die Geisterspiele erstmals. Und ausgerechnet jetzt geht es für Sie ans Millerntor. Wie fühlt sich das für Sie an?
Steffen Baumgart:
Ich erinnere mich an unser erstes Spiel am Millerntor. Da hat St. Pauli 20 Minuten nicht viel auf die Reihe gekriegt und dann ist der Funke von den Zuschauern auf die Spieler übergesprungen. Die Zuschauer haben die Jungs nach vorne gepeitscht in einer schlechten Situation. Das gibt es in Deutschland für mich nur in zwei Stadien. Das eine steht in Berlin bei Union und das andere auf St. Pauli. Das Millerntor ist immer besonders. Das ist das, was man erleben will. Deswegen ist das nicht nur ein trauriges Jubiläum, sondern wir sollten mal anfangen zu überlegen, wie es da anders weitergehen kann.

Paderborn-Trainer Baumgart: „Du genießt das Millerntor“

Ist es denn für Sie ohne St. Paulis Fans immerhin einfacher?

Für mich macht es das nicht einfacher. Jeder normale Fußballer freut sich auf so eine Atmosphäre. Du fährst ja nicht ans Millerntor und hast Angst, sondern du genießt das, was da abgeht. Gegen die Wucht von der Tribüne willst du ankämpfen. Für mich ist das kein Vorteil, weil ich dafür viel zu viel Spaß habe, wenn Zuschauer da sind.

Die sportlichen Vorzeichen sind völlig andere als vor dem Hinspiel. St. Pauli ist in Top-Form, Sie haben Schwierigkeiten. Was erwarten Sie für ein Spiel?

Ich halte mich mit Erwartungen zurück, weil die letzten Gegner, die gegen uns gespielt haben – Mannschaften, die eher über uns stehen und einen fußballerischen Ansatz haben – eher hinten drinstanden. Oft wird das Fußballspielen uns überlassen, das war auch im Hinspiel gegen St. Pauli so. Jetzt hat St. Pauli einen riesen Lauf und spielt richtig starken Offensivfußball. Deswegen habe ich die Hoffnung, dass es ein richtig gutes Spiel wird.

Worauf führen Sie die gute Entwicklung bei St. Pauli zurück?

Man erkennt, wie wichtig es ist, Spieler mit Mentalität auf dem Platz zu haben. Da rede ich zum Beispiel von Guido Burgstaller. Der zeigt, wie man mit Mentalität als Einzelner die Mannschaft nach vorne peitschen kann und wie viel Selbstvertrauen dadurch die anderen Spieler bekommen können.

Welche Faktoren sehen Sie noch?

Ins Rollen gebracht hat den Lauf der Fußball, den St. Pauli spielt. Die Idee konnte man ja auch vorher erkennen. Dann geht es um die Entwicklung und Umsetzung, und das sieht man jetzt ganz klar. St. Pauli hat daran festgehalten, Fußball zu spielen, verletzte Spieler sind zurückgekommen. Die Mannschaft insgesamt hat sich entwickelt. Dann kommen Spiele wie gegen Darmstadt oder Hannover dazu, die sie nicht hätten gewinnen müssen, aber trotzdem gewonnen haben, weil sie in den entscheidenden Situationen besser waren.

Steffen Baumgart ist seit April 2017 Trainer in Paderborn. 2019 stieg er mit dem Verein in die Bundesliga auf.

Steffen Baumgart ist seit April 2017 Trainer in Paderborn. 2019 stieg er mit dem Verein in die Bundesliga auf.

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St. Pauli hat – auch als es nicht lief – an Timo Schultz festgehalten. Freut es Sie, dass es bei all den Trainer-Entlassungen auch solche Beispiele gibt?

Ich glaube weniger, dass es St. Pauli war, das festgehalten hat, sondern Andreas Bornemann. Er ist dafür bekannt, dass er nicht gleich nervös wird, dass er nicht nur Ergebnisse betrachtet. Er hat die Lage und die Gründe dafür richtig erkannt, sich nicht beeindrucken lassen und an dem Plan festgehalten. Auch wenn die Ergebnisse nicht stimmten, war die Arbeit gut. Jetzt wird man dafür belohnt.

2. Liga: Baumgart ruft in Paderborn Abstiegskampf aus

Sicher auch, weil St. Pauli im Winter personell nachgelegt hat. Beneiden Sie Timo Schultz um Spieler wie Omar Marmoush?

Nein. Ich bin immer mit dem zufrieden, was ich habe, und arbeite gern mit unseren Jungs. Man sieht, dass wir uns auch entwickeln. Wir haben viele Leute ohne Erfahrung in der 2. Bundesliga, die sich hier einarbeiten müssen. Dass da nicht alles wie am Schnürchen läuft, dass man Phasen wie aktuell durchläuft, gehört zur Entwicklung. Fußball wird nicht am Reißbrett gespielt, sondern es passieren einfach Fehler, die bestraft werden. Wir sind eine Mannschaft, die sich jedes Jahr wieder neu aufstellt. Und ich finde, dass die Jungs das fußballerisch gut machen, auch wenn wir ergebnistechnisch hinter dem hinterherhinken, was wir wollen. Die Tabelle lügt nicht, wir stehen nicht da, weil wir Pech haben, sondern weil wir einige Sachen nicht gut gemacht haben.

Sie haben den Abstiegskampf ausgerufen. Befürchten Sie ernsthaft, dass Sie unten hineinrutschen könnten oder wollten Sie nur die Sinne Ihrer Spieler schärfen?

Das hat nichts damit zu tun, Sinne zu schärfen, das ist eine einfache Rechnung. Es sind noch 30 Punkte zu vergeben, wir brauchen noch drei, vier Siege. Gewinnst du Spiele, bleibst du drin, gewinnst du keine Spiele, bleibst du nicht drin. Und wir gewinnen im Moment keine Spiele. Also kann ich doch nicht von etwas anderem reden, wenn der Abstand nach unten geringer wird. Deswegen sehe ich uns momentan im Abstiegskampf. Ich hoffe, dass wir da schnell wieder rauskommen. Von den Leistungen könnten wir woanders stehen, von den Ergebnissen nicht. Deswegen haben wir noch einiges zu tun.

Steffen Baumgart über seine Zukunft in Paderborn

Und welche Ziele haben Sie nach dem Klassenerhalt? Ihr Vertrag in Paderborn läuft aus.

Wir setzen uns ab dem 15. März zusammen und werden über alles reden. Mein Hauptaugenmerk liegt jetzt erstmal darauf, hier eine Aufgabe zu erfüllen. Es geht gar nicht darum, welche Ziele ich habe, sondern wir müssen hier Zweitliga-Fußball etablieren. Wir können ein guter Zweitligist sein, und das sollten wir auch bleiben. Ich gebe keine Bekenntnisse ab, in keine Richtung. Ich weiß, was ich hier habe, ich fühle mich hier wohl, und trotzdem gibt es auch viele Möglichkeiten im Fußball. Nicht nur in Deutschland, sondern überall. Ich bin ja kein Trainer geworden, um einen Beamten-Job zu haben.

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Reizt sie das Ausland?

Mich reizt alles im Fußball. Es gibt überall so viele gute Vereine, und die Welt im Fußball ist so klein geworden. Es gibt viele gute Trainer in Japan, in China, in Russland. Da sollte man sich doch Gedanken drüber machen dürfen.

Sie waren auch auf Schalke im Gespräch. Gab es einen Anruf aus Gelsenkirchen? Nein.  

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