„Kein Problem mit Rechten“: Magdeburger Autorin über ihre Liebe zum St. Pauli-Gegner
Sie ist vermutlich eine der kreativsten Fans des 1. FC Magdeburg. Anne Hahn ist eine erfolgreiche Autorin und leidenschaftliche Anhängerin des Europapokalsiegers von 1974. Mit der MOPO spricht sie über die Entführung eines Fußballidols, die Magdeburger Fan-Szene und das Aufeinandertreffen mit dem FC St. Pauli.
- Deutsch (Deutschland)
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Im Buch „Anne Hahn träumt Christian Beck“ wird das Magdeburger Fußballidol Beck von drei Krankenschwestern entführt, die so die Einrichtung eines Fußballmuseums für den 1. FC Magdeburg durchsetzen wollen. Auf 99 Seiten schildert Hahn nicht nur die liebevoll-groteske Entführung, sondern erzählt auch viel über die Geschichte der Stadt und ihren Fußballverein, der 1974 den Europapokal der Pokalsieger gewonnen hat. Der MOPO verriet Hahn, was es mit dem nächsten St. Pauli-Gegner auf sich hat.
MOPO: Wann gibt es denn das Fußballmuseum für den 1. FC Magdeburg?
Anne Hahn: Ich glaube, die Chancen stehen gar nicht schlecht. Am 8. Mai haben wir das große Jubiläum, 50 Jahre Europapokal-Gewinn. Dafür werden schon viele Devotionalien für eine Ausstellung gesammelt. Ich habe gestrickte und gehäkelte Schals sowie ein großes Fanklub-Banner bereitgelegt. Ob die Ausstellung dann zu einem Museum führt, werden wir sehen.
In Ihrem Buch entführen Krankenschwestern das Magdeburger Fußballidol Christian Beck, um ein solches Museum durchzusetzen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich hätte auch einen der Europapokal-Helden von 1974 nehmen können, aber als Kind habe ich vom Verein relativ wenig mitbekommen. Seit zehn Jahren bin ich glühender FCM-Fan, deshalb wollte ich eine Figur aus der Jetztzeit nehmen.
Christian Beck, der entscheidend zu Magdeburgs Aufstiegen beigetragen hat, bot sich da an. Dazu spielt noch der Heilige Mauritius als Dompatron und Schutzheiliger der Stadt eine Rolle.
Abgesehen von der Entführung handelt das Buch ganz stark von der Geschichte und den Geschichten der Stadt und ihrer Menschen. Was wollten Sie erzählen?
Ich habe mir einige Fragen gestellt. Wieso verehrt man diese Helden eigentlich, was hat das zu bedeuten? Woher nimmt eine Stadt, die 1631 und 1945 zweimal vollständig zerstört worden ist, das Selbstbewusstsein, sich sogar „die Größten der Welt“ zu nennen, wie die Magdeburger Fans es tun?
Magdeburgs Aufstiegsheld fand seine Betäubung „selbst ganz lustig“
Als Kontrapunkt erzähle ich von fünf Frauen, die die Helden mundtot machen. Christian Beck sagt im Buch kein Wort und liegt nur betäubt da. Bei meiner Premierenlesung ist er überraschend aufgetaucht und fand das selbst ganz lustig.
Welche Bedeutung hat der FCM für die Stadt?
In Magdeburg gibt es nur einen Verein und deshalb eine totale Identifikation, die in alle Himmelsrichtungen weit ins FCM-Land hineinreicht. Ich fahre am Samstag mit dem Berliner FCM-Fanklub „Spreefeuer“ zum Spiel.
„Der Wiederaufstieg hat einen neuen Wind hereingebracht“
Der Wiederaufstieg hat einen neuen Wind hereingebracht. Viele Kinder und Jugendliche sind dazugekommen, außerdem gibt es eine Ultra-Szene, die bedacht an die Dinge herangeht. Viele angenehme Leute. Es gibt hier kein Problem mit Rechten, vielleicht mit der einen Ausnahme gerade.
Das bezieht sich auf Luc Castaignos, der vor sechs Tagen nach einem verschossenen Elfmeter beim 1:1 gegen Kiel im Netz rassistisch beschimpft worden ist. Was war da los?
Dass es bei 26.000 Zuschauern im Stadion schwarze Schafe gibt, kommt leider vor. Gut ist aber, dass sofort gehandelt wurde. Dass die betreffenden Leute sofort vom Verein und von anderen Fans gemaßregelt worden sind. Problematisch ist es, wenn so etwas von einer schweigenden Masse akzeptiert wird.
Die Fußball-Renaissance in Magdeburg kommt leicht verspätet. 2007 hätte ein Sieg im letzten Heimspiel gegen St. Pauli zum Zweitliga-Aufstieg gereicht, aber der FCM kam nicht über ein 1:1 hinaus und versank dann wieder in der Bedeutungslosigkeit …
Selbst habe ich das nicht miterlebt, aber ich kenne die Geschichten. Ich fürchte mich auch ein bisschen vor der Begegnung am Samstag. Da kommt schon etwas auf uns zu.
Tatsächlich hat Magdeburg in acht Anläufen noch nie gegen St. Pauli gewonnen. Was gibt Ihnen Hoffnung?
Ich bin voller Zuversicht – und noch heiser vom Rumbrüllen gegen Kiel am letzten Freitag, als wir in der Nachspielzeit den Ausgleich geschafft haben.
Magdeburg mit „Wolke-sieben-Spiel“ gegen Hertha
Vielleicht ist jetzt der Knoten geplatzt und es kommt wieder so ein Wolke-sieben-Spiel wie beim 6:4 gegen Hertha in der Hinrunde. Davon habe ich mich im positiven Sinne lange nicht erholt. Am Samstag würde mir ein Unentschieden aber auch genügen.
In Ihrer Jugend gehörten Sie zur in der DDR kriminalisierten Punk-Szene Magdeburgs. Auf dem Rasen wird von Punk nicht viel zu sehen sein, denn Magdeburg und St. Pauli spielen beide einen sehr kontrollierten Fußball, oder?
Nein, in die Begegnung kann man wohl keinen Punk-Song reinbasteln. Aber Punk spielt immer noch eine Rolle. Das Heimspiel gegen Schalke werde ich verpassen, weil Schleim-Keim gleichzeitig in Magdeburg auftreten.
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Da habe ich lange mit mir gerungen, aber über eine der ersten Punkbands in der DDR habe ich mit meinem Mann ein Buch geschrieben. Wenn die dann in meiner Heimatstadt spielen, muss ich da hin.
Punk steht für Protest. Fliegen als Reaktion auf die DFL-Investorenpläne am Samstag auch in Magdeburg Tennisbälle auf den Platz?
Ich glaube nicht, dass Magdeburgs Ultras die Hertha-Fans einfach nachmachen. Wenn, dann lassen sie sich etwas Eigenes einfallen. Ich hoffe nur, dass es dann keine Fische sind.