Interview: St. Paulis Co-Trainer über Freundschaft mit Spielern und ihre Pläne
Man kann sich nicht alles im Leben aussuchen und so war St. Paulis Co-Trainer Fabian Hürzeler dazu verdammt, während des Trainingslagers in St. Leonhard für zwei Tage nach England zu einem Lehrgang zu reisen. Was sofort auffiel: Es war leiser. Im Interview mit der MOPO spricht sein Co-Trainer-Kollege Loic Favé über seine geschonten Ohren und darüber, ob ein Trainer mit seinen Spielern befreundet sein darf. Und Hürzeler erklärt, warum er nicht als Talent gesehen werden möchte und was ihn an Timo Schultz fasziniert.
Man kann sich nicht alles im Leben aussuchen und so war St. Paulis Co-Trainer Fabian Hürzeler dazu verdammt, während des Trainingslagers in St. Leonhard für zwei Tage nach England zu einem Lehrgang zu reisen. Was sofort und auch seinem Kollegen Loic Favé auffiel: Es war leiser.
MOPO: Herr Favé, tat es Ihren Ohren gut, dass Ihr Kollege für ein paar Tage weg war?
Loic Favé: Man merkt, wenn eine Person aus dem Trainerteam nicht da ist, weil die Aufgaben dann anders verteilt sind. Und es ist kein Geheimnis, dass wir uns gut verstehen, ich habe ihn auf jeden Fall vermisst. Aber ein bisschen Pause für die Ohren ist schon okay (lacht).
Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben, Herr Hürzeler?
Fabian Hürzeler: Das Geheimnis eines vertrauensvollen Verhältnisses ist die offene Kommunikation. Das heißt, dass man nichts in sich hineinfrisst. Genau das machen wir nicht, sondern wir reden offen miteinander und sagen, wenn uns was nicht passt, aber auch, wenn etwas gut war. Ich war gerade in Liverpool und da habe ich gelernt: Es gibt den Cheerleader-Freund, der immer nur sagt: Du machst alles top. Dann gibt es den zu kritischen Freund. Und dann gibt es den Developer-Freund, der versucht, einen anderen Menschen zu entwickeln. Durch positives, aber auch durch kritisches Feedback.
Fällt das leichter, wenn man wie Sie im selben Alter ist?
Favé: Dafür bräuchte ich einen Vergleichswert. Aber ich glaube schon, weil wir uns auch privat gut verstehen. Dadurch sprechen wir auch über andere Dinge. Viel wichtiger als das Alter ist aber die Persönlichkeit. Es ist wichtig, dass man da einen guten Zugang zueinander hat.
Loic Favé konnte von Guido Burgstaller „extrem profitieren“
Stichwort Zugang: Die Spieler betonen immer wieder, wie wichtig Sie beide für ihre Entwicklung sind.
Hürzeler: Das Wichtigste ist auch da, Vertrauen aufzubauen. Wenn ein Spieler merkt, dass wir an ihm als Menschen interessiert sind, wenn er merkt, dass und wie wir ihn besser machen wollen, dann entsteht etwas, das nicht zu bezahlen ist: gegenseitiges Vertrauen. Trotzdem soll das nicht zu intim werden. Wir haben für uns definiert: Auch wenn wir jung (beide 29 Jahre, d. Red.) sind, haben wir diese freundschaftliche Autorität, weil wir von den Spielern auch etwas verlangen auf dem Platz und sehr einfordernd sind.
In so einem Spannungsfeld aus Nähe und Distanz ergibt sich die Frage: Dürfen Sie eigentlich mit den Spielern befreundet sein?
Favé: Eine gewisse Distanz muss schon immer da sein, weil wir am Ende mit Timo (Schultz, d. Red.) entscheiden, wer spielt und wer nicht. Aber trotzdem glaube ich, dass gerade bei uns als Co-Trainern nichts dagegenspricht, eine gute, enge Beziehung zu den Spielern zu haben.
Hürzeler: Da sind wir wieder bei der freundschaftlichen Autorität. Jetzt ist zwar jemand wie Guido Burgstaller weg, aber es bleibt dabei: Wir sind ja teilweise jünger als die Spieler. Wenn wir zu autoritär auftreten würden, dann würden das die Spieler nicht verstehen. Das sind wir auch nicht. Wir sind nicht diejenigen, die draufhauen, sondern versuchen immer das Warum zu erklären.
Favé: Dieses Verhältnis geht ja auch in beide Richtungen. Wir sind jung, das ist unsere erste Station. Das wird für dich, Fabi, sicher auch gelten, dass du von vielen Spielern super viel mitgenommen hast.
Zum Beispiel?
Favé: Ich habe mich in der letzten Saison viel mit den Stürmern beschäftigt. Ein Burgstaller hat in der Champions League gespielt, und wenn Guido dann kam und wir uns ausgetauscht haben, dann konnte ich von seinen Erfahrungen extrem profitieren. Oder mal mit Kofi (Kyereh, d. Red.) darüber zu sprechen, was er auf dem Spielfeld alles sieht und seine Perspektive zu verstehen, das macht einen schlauer.
Loic Favé und Fabian Hürzeler über ihre Trainer-Zukunft
Sie gelten beide als Trainer-Talente, als Co-Trainer bei St. Pauli werden Sie Ihre Karriere sicher nicht beenden. Welchen Plan haben Sie für die nächsten Jahre?
Hürzeler: Vorneweg muss ich sagen, dass wir total privilegiert sind, hier sein zu dürfen: Wir zählen zu den Jüngsten in der Liga und sind bei einem großen Traditionsverein. Und sowieso, wenn Sie sagen Trainer-Talente, dann sage ich: Ich wurde früher auch als Spieler-Talent gefeiert und daraus habe ich eine Sache gelernt – du kannst dich nicht ausruhen. Ich kann das Wort Trainer-Talent gar nicht mehr hören.
Dann eben so: Sie machen für Ihr Alter einen guten Job.
Hürzeler: Das kann man schon eher sagen. Aber auch das heißt für uns: viel Arbeit. Einfach talentiert zu sein, das reicht nicht. Was uns auszeichnet, ist diese Hingabe und diese Leidenschaft für den Sport und mehr zu tun als andere.
Favé: Das ist genau das, was wir auch von den Spielern einfordern: sich weiterzuentwickeln, lernen zu wollen, eine Haltung zu haben. Das sehe ich wie Fabi: Wir müssen weiter die Bereitschaft haben, an uns zu arbeiten.
Was können Sie da von Timo Schultz lernen? Was zeichnet ihn aus?
Favé: Er ist sehr ausgeglichen, sehr positiv, nimmt alle mit. Das schätze ich schon sehr.
Hürzeler: Schulle ist ein sehr mutiger Mensch, auf seiner ersten Trainer-Station im Profibereich so junge Co-Trainer zu holen und darauf zu vertrauen. So nehme ich ihn auch wahr: Er ist ein Menschen-Entwickler, er hat ein super Gespür für seine Mitmenschen. Er erkennt sehr genau: Wann lass’ ich einen Spieler mal in Ruhe, wann gehe ich auf einen Spieler ein? Wann werde ich mal lauter, wann nehme ich mich zurück? Ich finde das gut, dieses Unberechenbare von Timo. Die Spieler wissen nie, was am nächsten Tag kommt, das hält sie auf Spannung. So eine Menschenführung kann man nicht erlernen.