„Haben danach gelechzt“: So feiert St. Pauli den erlösenden Bundesliga-Sieg
Es zeichnet sich eine Entwicklung ab beim FC St. Pauli, und zwar eine ausgesprochen positive aus Sicht des Kiezklubs. Während die Mannschaft von Trainer Alexander Blessin an den ersten drei Spieltagen der Bundesliga zwar oft, aber nicht immer auf dem erforderlichen Niveau agierte, zeigte sie vor Wochenfrist gegen RB Leipzig endgültig, dass sie mithalten kann in der höchsten deutschen Spielklasse. Und am Samstagnachmittag bewies sie nun beim SC Freiburg, dass sie die Reife und Cleverness besitzt, um eine Bundesligaführung über die Zeit zu bringen und eine Partie für sich zu entscheiden. Bei den bis dato drittplatzierten Breisgauern siegte St. Pauli mit 3:0 (2:0). Der erste braun-weiße Bundesligasieg seit 13 Jahren.
„Wir haben danach gelechzt“, sagte Blessin nach dem Spiel und ihm war die Erleichterung anzumerken, dass eine gute Leistung endlich ihren verdienten Lohn gefunden hatte: drei Punkte. „Wir haben in den richtigen Momenten zugeschlagen und die Effizienz gezeigt, die bisher gefehlt hat“, sagte er.
Und noch etwas zeigte St. Pauli: Blessins Spieler – dieselben elf wie gegen RB – beherzigten von Beginn an, was ihr Trainer zuletzt unermüdlich von seinen Spielern gefordert hatte und was man bereits vor Wochenfrist am Millerntor gegen Leipzig zu sehen bekam: maximalen Willen, scheppernde Zweikämpfe, unbändige Gier auf den Ball.
Saad bringt St. Pauli in Freiburg in Führung
Anschauungsmaterial in dieser Hinsicht bot sich nach zwölf Minuten: Manolis Saliakas übte sich bei seinem Einwurf zunächst in Geduld, bis Johannes Eggestein endlich freistand. Dieser spielte zurück zum Griechen, der den Ball in den Strafraum schnippelte, da war wieder Eggestein, der verlängerte zu Elias Saad. Und der war einfach dynamischer, zielstrebiger, gieriger als seine Gegenspieler, die er stehen und SC-Keeper Noah Atubolu keine Chance ließ – das 1:0.
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Spätestens jetzt war Blessin angezündet an der Seitenlinie und rannte beinahe aufs Spielfeld, um seine Spieler anzufeuern. Er besann sich dann aber doch und sah von seiner Coaching Zone aus, wie Johannes Eggestein seinen Bruder Maximilian kurz vorm Strafraum foulte.
Den folgenden Freistoß von Vincenzo Grifo lenkte Nikola Vasilj ob des regennassen Rasens mit Mühe zur Seite und verhinderte den Ausgleich (16.). Zwölf Minuten später war es erneut der Italiener, der für Freiburg zum Abschluss kam, diesmal per Kopf, diesmal daneben.
Grifo versucht alles, kommt aber nicht an Vasilj vorbei
Und St. Pauli? Ja, ein paar Flanken flogen herein, die meisten von der linken Breisgauer Seite, also der rechten Hamburger, wo sich Saliakas und Oladapo Afolayan zeitweise drei Gegenspielern gegenübersahen und damit einem zu viel. Aber viel ließen die ungewöhnlich tief stehenden Kiezkicker nicht zu. Stattdessen blieben sie selbst gefährlich, immer wieder über Elias Saad, der nach 35 Minuten noch soeben vorm Eintritt in den Strafraum von Weltmeister Matthias Ginter gefoult wurde. Den Freistoß zirkelte Eric Smith an die Latte.
Dass es zur Pause nicht unentschieden stand, sondern St. Pauli 2:0 führte, war zwar verdient, allerdings ein aus Hamburger Sicht trotzdem eher schmeichelhafter Umstand. Denn nach 39 Minuten stellte sich Karol Mets bei einer der besagten Flanken arg plump an und rannte Ginter um. Nach Intervention von Videoassistentin Katrin Rafalski entschied Schiedsrichter Timo Gerach auf Strafstoß, Grifo schoss, aus dem Stand, flach, rechts – in die Arme des genau richtig spekulierenden Vasilj.
Freiburg druckvoll, aber im Abseitspech
Und auf der Gegenseite übernahm Johannes Eggestein die Sache mit dem Flanken, Saad brachte den Ball nicht unter Kontrolle, dafür aber Afoyalan, der ihn aus zehn Meter ins Tor drosch. Eine unfreiwillige Vorlage und ein sehr verbindlicher Abschluss, das 2:0 (45.).
Freiburg startete druckvoll in die zweite Hälfte, aber St. Pauli hielt dagegen, nach Wiederbeginn mit australischer Doppelsechs und dem eingewechselten Connor Metcalfe anstelle von Carlo Boukhalfa neben Kapitän Jackson Irvine. Und kassierte doch den Anschlusstreffer. Eine Freiburger Freistoßflanke rutschte durch zu Innenverteidiger Philipp Lienhart, der den Ball ins Tor touchierte. Diesmal schaltete sich Videoassistentin Rafalski aber zu St. Paulis Gunsten ein – Abseits.
Den Höhepunkt dieses an Höhepunkten nicht armen Spiels brachte Elias Saad. Aus der eigenen Spielhälfte rannte er zum Konter los gen SC-Tor, ließ seine Gegenspieler stehen wie Statisten und schoss mit letzter Kraft gerade noch wuchtig genug, um den Ball Freiburg-Torwart Atubolu durch die Finger glitschen zu lassen (73.).
Saad über sein Tor zum 3:0: „Hatte keine Kraft mehr“
„Ich habe gesehen, dass ich auf einmal sehr viel Platz habe. Jojo hat einen guten Laufweg gemacht, um den Innenverteidiger ein bisschen nach außen zu drängen“, erklärte Saad die Entstehung seines famosen Treffers. Er habe dann überlegt abzuspielen, sich dann aber doch anders entschieden, „dann bin ich irgendwie an drei vorbei oder zwei. Ich hatte keine Kraft mehr und versuche, noch mit der letzten Kraft zu schießen, der Torwart spekuliert, also geht der sehr glücklich rein.“ So sei das eben: „Mal klappt’s, mal nicht. Ein bisschen Glück und ein bisschen ruhiger vor dem Tor“, und schon fielen die Treffer.
Auch die Gastgeber trafen noch einmal, allerdings fand auch das Tor von Ritsu Doan nach einer flachen Hereingabe keine Anerkennung – wieder Abseits. Ja, ein wenig Glück, gestand Irvine, „aber das haben wir uns selbst erarbeitet, es war unser selbstverdientes Glück“.
Und so feierte St. Pauli seinen ersten Sieg in der Saison, einen verdienten, wenngleich nicht in dieser Höhe. Das Ergebnis sei deutlicher als es das Spiel hergegeben habe, sagte Heimtrainer Julian Schuster, erkannte aber St. Paulis gute Defensivleistung an und berichtete, die tiefe Verteidigung der Kiezkicker „hat uns vor eine große Herausforderung gestellt“.
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27 Prozent Ballbesitz hatte St. Pauli, so wenig wie ewig nicht. „Für uns war von Anfang an klar, dass wir genau so spielen wollen“, sagte Eggestein, „die Trainer haben uns so eingestellt, dass wir auf diese Weise mithalten konnten“, bestätigte Afolayan. Und Saad brachtes einmal mehr auf den Punkt: „Ich denke, in der Liga ist es schon wichtig, gegen den Ball zu arbeiten. Da geben wir gerne dem Gegner mehr den Ball.“