Bekommt der FC St. Pauli eine zweite Profi-Mannschaft?
Der FC St. Pauli fiebert einem großen und für ganz Hamburg historischen Fußballabend im Millerntorstadion entgegen. Ganz ohne Männer auf dem Rasen und vor einer Rekordkulisse auf den Tribünen. Das Derby zwischen den Frauen des Kiezklubs und denen des HSV im DFB-Pokal ist ein Publikums-Magnet. Ein erstklassiger Rahmen, der mehr denn je die Frage aufwirft, wie hoch hinaus es für die kickenden Frauen bei St. Pauli gehen kann. Ist ein zweites Profiteam möglich? Und ist das überhaupt gewollt?
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Der FC St. Pauli fiebert einem großen und für ganz Hamburg historischen Fußballabend im Millerntorstadion entgegen. Ganz ohne Männer auf dem Rasen und vor einer Rekordkulisse auf den Tribünen. Das Derby zwischen den Frauen des Kiezklubs und denen des HSV im DFB-Pokal ist ein Publikums-Magnet. Ein erstklassiger Rahmen, der mehr denn je die Frage aufwirft, wie hoch hinaus es für die kickenden Frauen bei St. Pauli gehen kann. Ist ein zweites Profiteam möglich? Und ist das überhaupt gewollt?
Wer Freitag bei Anpfiff um 18.30 Uhr (Sky live) auf einer der Tribünen des Millerntors sitzt oder steht, erlebt nicht nur Geschichte – er oder sie ist auch Teil davon. Das Duell der 2. Pokalrunde zwischen St. Paulis Drittliga-Frauen (Regionalliga Nord) und den Zweitliga-Aufsteigerinnen des HSV wird – bezogen auf die Kulisse – das größte Frauenfußballspiel in Hamburg aller Zeiten.
St. Pauli gegen HSV vor rund 17.000 Fans – neuer Hamburger Rekord!
Mehr als 17.000 Tickets sind schon verkauft. Rund 20.000 könnten es noch werden. Die bisherige Bestmarke liegt bei 12.183, aufgestellt 2011 im Länderspiel der DFB-Frauen gegen Schweden, ebenfalls am Millerntor. Echte Millerntor-Atmosphäre war damals nicht aufgekommen. Das wird jetzt anders sein. Derby sei Dank.
„Das wird ein super schönes Fußball-Fest“, sagt Präsident Oke Göttlich zur MOPO. „Der FC St. Pauli freut sich wahnsinnig, Gastgeber dieses reizvollen Pokalspiels zu sein. Das Millerntor ist ein fantastischer Rahmen für die Spielerinnen und eine Mega-Plattform für den Frauenfußball in Hamburg, die wir gerne zur Verfügung stellen.“
Ein Spieltag am Millerntor kostet eine sechsstellige Summe – und das Frauen-Pokalspiel macht keinen Unterschied. Die Bereitstellung des Stadions mag wie eine Selbstverständlichkeit anmuten, doch der Verein war damit zunächst ins finanzielle Risiko gegangen. Auch der personelle Aufwand von Mitarbeitenden des Vereins ist enorm. Göttlich spricht von einer „großen Herausforderung“ und „mutigen Entscheidung“, die durch starke Ticket-Verkäufe belohnt wird.
Zweitligist HSV ist der klare Favorit
Die Ausgaben sind längst gedeckt, die Einnahmen teilen sich die Frauen von St. Pauli und HSV – im Pokal üblich. Gerade für die Kiezkickerinnen, die in der Vereinsstruktur den Amateursportabteilungen angehören und vom Amateurvorstand organisiert werden, ein Segen.
Für die am Freitag klar favorisierten HSV-Frauen soll St. Pauli eine stimmungsvolle Etappe auf dem Weg in die nächste Pokal-Runde sein – und die Zweite Liga eine Durchgangsstation in die Bundesliga. Ein klar definiertes mittelfristiges Ziel.
Und St. Paulis Frauen? Ambitioniert sind sie auch. Das Trainerteam, Ex-Kiezkicker Jan-Philipp Kalla und Kim Koschmieder, bemüht sich um eine deutliche Professionalisierung. Manch eine(r) wünscht sich – oder fordert – eine stärkere Förderung durch den Verein.
Muss nicht gerade der Kiezklub, der als einziger deutscher Profiverein eine Frauen-Quote hat und den Slogan „Football has no gender“ propagiert, einiges, wenn nicht alles, daran setzen, dass seine Frauen in der höchsten Spielklasse kicken?
Strukturell ist ein zweites Profi-Team bei St. Pauli kaum möglich
Mehr Geld für die Frauen = mehr Erfolg = Aufstieg? Ein Milliönchen vom Etat der Profi-Männer abzwacken und ins Frauen-Team investieren? „So einfach ist das nicht“, sagt Göttlich. „Wir können nicht einfach so Geld aus unserem Kerngeschäft wegnehmen und in den Frauenfußball stecken. Das geht formal auch gar nicht.“ Auch strukturell ist ein zweites Profi-Team kaum möglich.
„Das ist keine Ablehnung oder Veto des Vereins, sondern der konzeptionelle und organische Weg, der durch und mit den Abteilungsverantwortlichen abgestimmt ist“, so Göttlich. „Niemand hat etwas dagegen, wenn unsere Frauen so hoch wie möglich spielen – aber es muss strukturell möglich sein. Der FC St. Pauli kann sich mit der derzeitigen Infrastruktur nur Schritt für Schritt weiterentwickeln.“
Dem sportlichen Aufstieg der Frauen sind Grenzen gesetzt – längst nicht nur finanziell. Man kann sie sehen. Sie trainieren in der „FeldArena“, dem Kunstrasenplatz neben dem Millerntor. Dort bestreiten sie auch ihre Heimspiele. Es gibt keine Tribüne. Zuletzt kamen 200 Zuschauende. Das sind die Dimensionen. Trainings- wie Spielstätten sind in Hamburg bekanntlich rar und umkämpft, wie das zähe Ringen des Kiezklubs um den dringend benötigten Ausbau des Trainingszentrums an der Kollau deutlich zeigt.
Boss Göttlich freut sich auf „ein richtig schönes Derby“
Ein Konflikt im Klub? Zwei Fronten? Göttlich wiegelt ab, berichtet von „konstruktiven Gesprächen über die mittelfristige Entwicklung“ mit der Abteilung Fußball Frauen und Mädchen. „Der Weg unseres Vereins ist, sich sukzessive zu entwickeln und zu wachsen. Organisch, nicht künstlich.“
Dem künstlichen Weg erteilt Göttlich eine Absage: Eine Ausgliederung des Frauen-Teams aus dem Gesamtverein, ein Investoren-Modell wie etwa bei Viktoria Berlin, ist entgegen des st. paulianischen Ansatzes. „Ich nehme auch keine Stimme wahr, die dies ernsthaft wünscht, zumal auch dann ein Platzmangel bleibt “
Bei allen wichtigen Zukunftsfragen freut sich Göttlich erst einmal auf ein „richtig schönes Derby“, in dem die St. Paulianerinnen dem HSV bestmöglich Paroli bieten wollen. Gewinnerinnen dürften sie alle sein.