Roger Stilz über Trainer-Talent Hürzeler und St. Paulis Aufstiegs-Chancen
Er war als Spieler hochklassig unterwegs, Jugendleiter und Spielertrainer beim SC Victoria, parallel Freier Journalist, danach Co-Trainer beim HSV und dem 1. FC Nürnberg, machte den Fußballlehrer, wurde NLZ-Leiter beim FC St. Pauli, Sportchef in Beveren (Belgien) und schließlich in Regensburg. Gut eine Woche nach dem 2:0 des SSV im Hinspiel gegen St. Pauli aber warf Roger Stilz beim Jahn hin, kehrte nach Hamburg zurück und hüllte sich seitdem in Schweigen. Im Gespräch mit der MOPO erklärt der 46-Jährige nun seinen Abgang – und vieles mehr.
Er war als Spieler hochklassig unterwegs, Jugendleiter und Spielertrainer beim SC Victoria, parallel Freier Journalist, danach Co-Trainer beim HSV und dem 1. FC Nürnberg, machte den Fußballlehrer, wurde NLZ-Leiter beim FC St. Pauli, Sportchef in Beveren (Belgien) und schließlich in Regensburg. Gut eine Woche nach dem 2:0 des SSV im Hinspiel gegen St. Pauli aber warf Roger Stilz beim Jahn hin, kehrte nach Hamburg zurück und hüllte sich seitdem in Schweigen. Im Gespräch mit der MOPO erklärt der 46-Jährige nun seinen Abgang – und vieles mehr.
MOPO: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht beim Jahn? Und warum verließen Sie den Verein nach einem knappen Jahr aus persönlichen Gründen wieder?
Roger Stilz: Ich habe viel gelernt. Und vor allem habe ich sehr viel gearbeitet. Meine ganze Energie dem Verein geschenkt und nicht zuletzt mit Trainer und Scouting im vergangenen Sommer versucht, den Abgang von neun Spielern aufzufangen. Viele davon waren jahrelange Stammspieler. Mit einem wirklich kleinen Etat glaube ich, dass wir ein Team zusammengestellt haben, das den Klassenerhalt trotz des Umbruchs erreichen kann. Ich glaube, dass uns in Bezug auf die Kaderzusammenstellung auch der eine oder andere geschickte Zug gelungen ist. Gerade, wenn ich an Spieler wie Viet, Idrizi oder Thalhammer denke. Es war nicht leicht, diese Spieler zu bekommen. Im vergangenen Frühjahr und auch im Herbst habe ich ganz bewusst an Trainer Mersad Selimbegovic festgehalten, auch entgegen kritischer Stimmen. Das war gut und richtig so. Es gab persönliche Gründe, warum ich mich in Regensburg nicht mehr gesehen habe. Und die bleiben persönlich.
Singh war nicht Schuld am Stilz-Aus in Regensburg
Welchen Einfluss auf Ihre Entscheidung hatte die Personalie Sarpreet Singh, der nicht hat für den Jahn spielen dürfen, weil er nach der Sommertransferperiode nicht spielberechtigt war?
Selbstverständlich gehörte in meinen Verantwortungsbereich auch das Abschließen von Arbeitsverträgen. Und deshalb habe ich auch dafür die Verantwortung zu übernehmen. Das habe ich auch stets getan. Das Nicht-Zustandekommen der Spielberechtigung von „Saddi“ war ein administrativer Fehler in der Vertragsabwicklung, der so nicht passieren darf, der uns aber passiert ist. Es war eine doofe Situation für den Spieler, den Verein und auch mich. Im Endeffekt habe ich persönlich aus der Geschichte auch mitgenommen, wie wichtig es ist, dass die Strukturen und Abläufe um einen herum im Team klar sind. Ausschlaggebend für meinen Weggang war „Saddis“ Malheur nicht.
Wie sah Ihr Alltag seit der Rückkehr nach Hamburg aus?
Ich habe endlich mal Zeit für meine Familie und mich gehabt. Das war wichtig, weil ich in den vergangenen zehn Jahren viel unterwegs war. Ich treffe Leute, erweitere meine Kenntnisse, hospitiere und beobachte den Markt.
Gibt es aktuell Anzeichen, wohin Sie Ihr weiterer Weg führen könnte?
Ich bin und war stets offen und bleibe das auch. Und das meine ich auf das Leben als Ganzes und nicht ausschließlich auf den Fußball bezogen. Ich sehe mich als Entwickler und Entscheider. Als Entwickler von Strukturen, Mitarbeitern, Trainern oder Spielern. Und als Entscheider, weil all die angestellten Analysen auch in Entscheidungen münden müssen. Denn wenn man nicht entscheidet, dann dümpeln die besten Gedanken so dahin.
Roger Stilz würde künftig gerne als Sportdirektor arbeiten
In welcher Position sehen Sie sich am ehesten?
Ich glaube, dass ich zwischen Platz, Kabine und Büro am besten bin. Wenn ich das in einem Job vereinen kann, was mich aus- und stark macht, dann hat auch der Arbeitgeber am meisten davon. Konkret: Geschäftsführer, Sportdirektor oder auch in der Schnittstelle, also im Übergang vom Talent zum Profi, als Trainer und Begleiter.
Gibt es noch Verquickung mit dem Jahn und/oder regelmäßige Kontakte zum FC St. Pauli?
Durchaus, zu beiden Vereinen. Aber jetzt auch nicht täglich. Mal ein Gespräch hier, mal eins da.
Sie haben vor Regensburg in Beveren in Belgien gearbeitet und dort den Umgang mit einem Investorenmodell kennengelernt. Das ist hierzulande, vor allem bei Traditionsvereinen, streng verpönt. Wie waren Ihre Erfahrungen?
Gut. Insbesondere mit den Ownern. Die Denke war offen. Auch offener als hierzulande. Man muss, wie so oft, vorsichtig sein mit Pauschalurteilen. Ich kann, gerade aufgrund meiner eigenen Erfahrung, keinen Kausalzusammenhang erkennen zwischen Investor und Habgier oder gar schlechtem Charakter. Die Arbeit mit den US-Verantwortlichen hat Freude gemacht. Wissen Sie, Belgien ist ein verhältnismäßig kleines Land, aber mit unglaublich vielen Einflüssen, gerade aus Nordafrika und Frankreich. Die zwei höchsten belgischen Ligen sind ganz klare „Buying-And-Selling-Ligen“. Die Spieler wollen dahin, um dann interessant für die Top-Fünf-Ligen zu werden. Das muss man wissen. Deshalb ist das Thema mit dem Aufbau von Vereinskultur so eine Sache. Auch da gibt es Tradition und bedeutende Vereine, aber die in Deutschland so gerne geführte Diskussion zu Fußball- und Fan-Kultur, Vereins-Identifikation, Fanbasis etc. ist nie so ausladend und bedeutungsschwanger, wie ich sie phasenweise hierzulande wahrnehme. Und von daher kann ich abschließend sagen: Alles zuerst genau anschauen, bevor ich urteile.
Stilz gönnt St. Pauli-Coach Hürzeler den Erfolg „von Herzen“
Sie haben einst Fabian Hürzeler im NLZ in Hamburg kennengelernt. Wie war Ihr Eindruck damals und hätten Sie ihm einen so schnellen Sprung ins Profi-Geschäft zugetraut?
Fabi war damals Regionalliga-Trainer und Co-Trainer beim DFB und hat bei mir ein einwöchiges Praktikum absolviert. Eins war damals schon klar: Er war in der inhaltlichen Analyse in Bezug auf Fußball seinerzeit seinem Alter auf jeden Fall Jahre voraus. Er war wissbegierig, filterte Informationen und Ratschläge gut und wollte an sich arbeiten. Nicht so schlechte Voraussetzungen für einen jungen Trainer. Dass er so schnell Cheftrainer werden würde, konnte keiner ahnen. Er wohl auch nicht. Ich gönne es ihm von Herzen.
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Was trauen Sie St. Pauli in dieser Saison noch zu? Und schafft der SSV den Klassenerhalt?
Die Liga ist brutal. In beide Richtungen. Und zwar von Wochenende zu Wochenende. Eng, sehr eng. Viel enger als zum Beispiel in den Niederlanden, Belgien oder der Schweiz. Mit dem positiven Lauf und dem damit gestiegenen Selbstvertrauen ist St. Pauli alles zuzutrauen. Und ja, der SSV Jahn schafft den Klassenerhalt.