„Ellenbogen und durchs Feuer!“ Wie sich St. Pauli gegen die Krise stemmen will
Die Kiezkicker sind weiter im Tiefflug. Die Probleme ziehen sich wie ein roter Faden durch die letzten Wochen der Braun-Weißen und verlängern die schwarze Serie. Vorne wieder kein Tor, hinten wieder entscheidende Fehler. Das 0:2 (0:1) des FC St. Pauli bei Eintracht Frankfurt ist ein weiterer Wirkungstreffer. Fünf Niederlagen in Serie wiegen schwer, vor allem mental. Neuer Rückschlag, altbekannte Defizite, ein zu Recht genervter Trainer. Wie kriegt der Kiezklub wieder die Kurve?
Nur gut, dass St. Pauli nach dem starken Saisonstart bereits sieben Punkte auf dem Konto hat und auch die Konkurrenz im munteren Tabellendrittel nicht von der Stelle kommt. Platz 14 lässt die Alarmglocken noch nicht schrillen und ein verlorenes Spiel bei einem Champions-League-Teilnehmer ist kein Beinbruch, aber der anhaltende Misserfolg lässt Frust und Druck steigen, wenngleich die Leistung besser war als das Endergebnis – und besser als beim 0:3 gegen Hoffenheim. Kein Trost. Klar.
St. Pauli nach Niederlage in Frankfurt: „Fühlt sich schlecht an“
„Fünf am Stück tun schon weh“, redete Abwehrroutinier Hauke Wahl, der nach überstandenem Infekt sein Startelf-Comeback gegeben hatte, im Hinblick auf die Niederlagenserie nicht drumherum und auch die Situation nicht schön. „Wir brauchen einfach ein Erfolgserlebnis.“ Abwehrkollege Karol Mets, der ein überzeugendes Startelf-Comeback nach elfmonatiger Verletzungspause gegeben hatte, bekannte: „Es fühlt sich schlecht an.“
Die Zahlen sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Seit nunmehr drei Spielen warten die „Boys in Brown“ auf ein Tor und wer keine Tore schießt, kann bekanntlich nicht gewinnen. In den vergangenen fünf Spielen ist St. Pauli nur ein einziger Treffer gelungen, beim 1:2 gegen Leverkusen.
Drei Spiele ohne Tor, dafür zu viele Gegentore
Einen Treffer hatten die Kiezkicker sogar erzielt, hervorragend herausgespielt zudem und ebenso eiskalt wie gekonnt eingenetzt – nur leider war Martijn Kaars in der 4. Spielminute vor seinem sehenswerten Tor ins Abseits gelaufen. Bitter. Denn diesen Vorteil hätte es gar nicht gebraucht, um den entscheidenden Vorsprung zu haben, derart gut getimt war der Pass in die Tiefe von Mathias Pereira Lage gewesen. „Ich bin zu früh gestartet“, ärgerte sich der Niederländer, der als zentraler Stürmer aufgelaufen war, hinterher. Es wäre nicht nur sein ersehnter Saisontreffer gewesen, sondern endlich auch mal wieder eine Führung für St. Pauli.
Bitter, dass das Abseitstor die beste Chance des Spiels für die Braun-Weißen war, die es trotz einiger vielversprechender Umschaltmomente und Angriffe zu selten schafften, mit dem vorletzten und letzten Pass wirkliche Großchancen zu kreieren, Spieler im Strafraum freizuspielen und in gute oder gar optimale Schussposition zu bringen. Bezeichnend: erst in der 78. Spielminute brannte es wieder im Sechzehner der Eintracht als nacheinander die eingewechselten Oladapo Afolayan und Connor Metcalfe in aussichtsreicher Position mit ihren unpräzisen Abschlüssen scheiterten.
Vasilj patzt, auch Saliakas sieht ganz schlecht aus
Noch bitterer, dass die Kiezkicker mit eigenen Fehlern die Gegentore begünstigten. Beim 0:1 durch Frankfurts Burkhart (35.) war eine scharfe Flanke von Uzun dem sonst so sicheren Keeper Nikola Vasilj durch die Flossen geflutscht, sodass der schnell schaltende Stürmer den verlangsamten Ball nur noch einköpfen musste. Nicht der einzige braun-weiße Fehler: Manolis Saliakas ließ Uzun bei der Flanke auf der Torauslinie sträflich viel Platz. Doppelfehler.
Beim zweiten Gegentor nach der Halbzeit, der alle Pläne, das Spiel nochmal in die andere Richtung zu drehen, zunichte gemacht hatte, verschätzte sich Wahl bei einer sehr langen und hohen Flanke in den Strafraum, sodass Burkhart den Ball annehmen und dann – nicht genügend bedrängt – mustergültig verwandeln konnte (56.). Ansonsten war es nicht so, dass die Frankfurter, die 72 Stunden zuvor in der Königsklasse eine 1:5-Klatsche gegen Liverpool kassiert hatten und merklich verunsichert waren, die Gäste dominierten, echte Drangphasen hatten und Großchancen im Übermaß herausspielten. Sie nutzten die Gastgeschenke eiskalt. Und das reichte, um St. Pauli zu schlagen. Und: sie hatten in Person von Burkhart die Qualität im Sturm, die den Hamburgern fehlte.
Blessin: Kiezkicker „extrem bestraft worden“
„Wir haben grundsätzlich kein schlechtes Spiel gemacht, aber wir haben wieder Fehler gemacht, für die wir extrem bestraft wurden“, ärgerte sich Trainer Alexander Blessin deshalb zu Recht. „Was mich stört, sind die individuellen Fehler. Das begleitet uns.“ Seit einigen Wochen. Die Ergebnisse der Spiele sind die Folge dieser Fehler.
Noch mehr Konsequenz im Zweikampf, mehr Fokus, Konzentration, auch Härte fordert der Coach. „Es gilt, dagegenzuhalten, mit Ellenbogen, mit allem, was man hat. Wir müssen uns mit Händen und Füßen wehren.“ Seine Mannschaft müsse „die Stabilität wieder finden und füreinander durchs Feuer gehen.“
Eric Smith: St. Pauli hat das Rezept für den „Turnaround“
Ratlosigkeit oder Verzweiflung sind noch nicht zu spüren in den Reihen der Braun-Weißen. Insbesondere die Führungsspieler reden Klartext, sind aber auch konstruktiv. „Wir wissen wir, was wir machen müssen, um aus dieser Situation herauszukommen“, gab sich Abwehrchef Eric Smith noch vor dem Anpfiff zuversichtlich. „Natürlich läuft es ein wenig in die falsche Richtung aktuell, wir wissen aber, was zu tun ist, um den Turnaround zu schaffen.“
Es gehe um „Details“ sagen Wahl, Mets oder auch Smith. Um die letzten Prozentpunkte Intensität, Konzentration, Präzision, aber auch Willen. „Eine Niederlage ist schlecht, aber es gibt auch Dinge, die mir ein gutes Gefühl geben“, sagt Mets, dessen Erfahrung, Führungsqualitäten mentale Stärke die Mannschaft gerade jetzt gut gebrauchen kann. Zum einen habe St. Pauli aus dem Spiel heraus nicht allzu viele Chancen der Eintracht zugelassen und zum anderen einige „gute Situationen mit dem Ball“ gehabt, aber eben nicht genug daraus gemacht, was es zu verbessern gilt.
Fokus auf den Details und der defensiven Stabilität
Die größte Dringlichkeit gibt es bei der defensiven Stabilität, die es schnell zu verbessern gilt. „Das hat uns letztes Jahr stark gemacht, hat uns in den Siegen diese Saison stark gemacht. Das ist einfach das, was momentan der Fokus ist“, betont Wahl. „Wir müssen es schaffen, mal wieder länger die Null zu halten.“
St. Pauli, die zweitbeste Abwehr der Vorsaison und „eine der intensivsten Mannschaften der Bundesliga“, wie Frankfurts Trainer Dino Toppmöller nach dem Sieg seiner Mannen lobte, kassiert einfach zu viele Tore. Fünf in den letzten beiden Partien, zehn Gegentreffer in den vergangenen fünf Partien. Es ist nur logisch, dass es dann fünf Niederlagen gibt, wenn auch die Offensive stottert. Nach wie vor sucht St. Pauli die richtige Balance aus defensiver Stabilität und offensiver Wucht.
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Lösungen und Verbesserungen müssen schnell her, denn schon am Dienstagabend empfangen die Kiezkicker am Millerntor erneut die TSG Hoffenheim, diesmal im Pokal. Auch wenn es nicht um Bundesliga-Punkte geht, hat der Ausgang der Partie massiven Einfluss auf die Liga. Ein Sieg brächte Selbstvertrauen, Selbstverständnis und auch Sicherheit zurück, eine weitere Niederlage wäre ein Krisen-Beschleuniger und ließe den Druck vor dem folgenden Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag enorm anwachsen.
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