Diskussion nach HSV-Banner: Das komplizierte Problem der St. Pauli-Ultras
Freitag, der 21. April 2023, war kein schöner Tag für die Fans des FC St. Pauli. Trotz starker Leistung ging das schwer unterhaltsame Derby beim HSV mit 3:4 verloren, wodurch sich alle zarten Aufstiegshoffnungen vollends verflüchtigten. Und dann trafen die Ultras des Stadtrivalen mit einem Plakat auch noch einen wunden Punkt bei der aktiven Szene des Kiezklubs.
Freitag, der 21. April 2023, war kein schöner Tag für die Fans des FC St. Pauli. Trotz starker Leistung ging das schwer unterhaltsame Derby beim HSV mit 3:4 verloren, wodurch sich alle zarten Aufstiegshoffnungen vollends verflüchtigten. Und dann trafen die Ultras des Stadtrivalen mit einem Plakat auch noch einen wunden Punkt bei der aktiven Szene des Kiezklubs.
Der Satz „AEK‘S-Antisemitismus wird geschluckt, bis ihr an brennenden Israel-Fahnen erstickt“ stand über zwei Banner auf der Nordtribüne des Volksparks geschrieben und richtete sich gegen Ultrà Sankt Pauli (USP), das seit vielen Jahren eine enge Beziehung pflegt zu einigen Ultras von AEK Athen. Auslöser der Botschaft waren Ereignisse bei einem Basketballspiel in Griechenland, als AEK-Fans bei der Champions-League-Partie gegen Hapoel Jerusalem eine Israel-Fahne verbrannten und gegnerische Anhänger mit Feuerwerkskörpern attackierten.
USP zählen zum ALERTA-Netzwerk
Nun ist die Wortwahl des HSV-Plakats gewollt drastisch und provokant. Der Vorwurf, USP würden Antisemitismus tolerieren, läuft fraglos vollends ins Leere, die Thematik als solche aber ist zumindest nicht komplett konstruiert. USP zählen zum sogenannten ALERTA-Netzwerk, in dem sich antirassistische und antifaschistische Fangruppierungen aus nahezu allen Teilen der Welt zusammengeschlossen haben. Und so großartig die Internationalität von ALERTA (italienisch für „Alarm”; der Slogan „Alerta! Alerta! Antifascista!” stammt aus dem Italien der 1920er Jahre, als Faschismus-Gegner:innen gegen Diktator Benito Mussolini kämpften) auch ist, genau dort liegt die Problematik.
Denn während in Deutschland ob der eigenen Historie bekanntermaßen jede Form der Kritik an Israel in höchstem Maße sensibel zu handhaben ist, gibt es diese Hemmschwelle in anderen Nationen nicht. Und vor allem politisch linke Fan-Gruppierungen gehen wegen des Umgangs mit Palästina hart mit Israel und der dortigen rechtsgerichteten Regierung ins Gericht, wobei es sich verbietet, dies automatisch mit Antisemitismus gleichzusetzen.
Auch Bayern-Ultras bei ALERTA aktiv
Exklusiv haben die Hamburger die Sorge übrigens nicht, mit den „Schickeria“-Ultras des FC Bayern sowie Fan-Gruppen aus Düsseldorf, Hanau oder Berlin sind mehrere deutsche Vertreter bei ALERTA aktiv. Und sie alle eint der Grundsatz, dass Antisemitismus immer und überall falsch ist.
St. Paulis Austausch mit AEK Athen ist über lange Zeit gewachsen, in Bezug auf das HSV-Plakat gilt es allerdings, eine Besonderheit zu berücksichtigen. Denn anders als in Deutschland, wo die Ultras als solche organisiert und erkennbar sind, gibt es diese klare Definition in Griechenland nicht. Bei AEK wird aus vielen kleinen Fanklubs, die alle ihre eigene Agenda haben, auch politisch, am Ende eine große Gruppe. Ergo sind die AEK-Fans, die beim Basketballspiel eskalierten, nicht automatisch jene, zu denen man von Hamburg aus Kontakt hat.
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St. Paulis aktive Fanszene unterhält zudem Beziehungen unter anderem nach Glasgow, Bordeaux, Lüttich, Bergamo – und Israel. Mit den Ultras von Hapoel Tel Aviv, die ebenfalls zum ALERTA-Netzwerk zählen, sind die Hamburger seit vielen Jahren dicke. Im Dezember unterstützten USP die Hapoel-Fraktion beim Eurocup-Spiel bei den Towers in Wilhelmsburg, erst kürzlich war eine Fraktion von der Elbe in Tel Aviv zu Gast. Beim Derby wiederum standen Fans aus Israel in der St. Pauli-Kurve im Volkspark und konterkarierten allein durch ihre Anwesenheit den Vorwurf von der gegenüberliegenden Seite.