Die große Analyse: So stark ist St. Pauli schon vor dem Saisonstart
Keine zwei Wochen mehr, dann geht es schon wieder los. Die vergleichsweise kurze Pause zwischen der vergangenen und der neuen Saison mag manch einer als Nachteil empfinden, dem FC St. Pauli indes kam sie eher gelegen. Denn der in der rekordträchtigen vergangenen Rückrunde eingeschlagene Weg wurde konsequent weiterverfolgt, und vor dem Auftakt beim 1. FC Kaiserslautern muss niemandem beim Kiezklub bange sein. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass schon viel an Negativem zusammenkommen müsste, damit die Braun-Weißen keine gute Saison hinlegen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig.
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Keine zwei Wochen mehr, dann geht es schon wieder los. Die vergleichsweise kurze Pause zwischen der vergangenen und der neuen Saison mag manch einer als Nachteil empfinden, dem FC St. Pauli indes kam sie eher gelegen. Denn der in der rekordträchtigen vergangenen Rückrunde eingeschlagene Weg wurde konsequent weiterverfolgt, und vor dem Auftakt beim 1. FC Kaiserslautern muss niemandem beim Kiezklub bange sein. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass schon viel an Negativem zusammenkommen müsste, damit die Braun-Weißen keine gute Saison hinlegen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Kader und Konkurrenzkampf: Es fällt schwer sich zu erinnern, wann das Aufgebot zuletzt so hochwertig zusammengestellt gewesen ist. Jede Position ist mindestens doppelt besetzt, der Qualitätsabfall zwischen den personellen Alternativen fällt jeweils marginal aus – wenn überhaupt. Natürlich gibt es Spieler, die besser nicht länger ausfallen sollten (Nikola Vasilj, Jackson Irvine, Eric Smith, Marcel Hartel, Manolis Saliakas), aber selbst wenn es so käme, stünden ausreichend gute Alternativen parat.
St. Pauli auf jeder Position mindestens doppelt besetzt
Der bisweilen geäußerte Vorwurf, den Abgang von Leart Paqarada nicht adäquat aufgefangen zu haben, läuft deswegen ins Leere, weil die Qualitäten des Ausnahme-Akteurs auf mehrere andere Schultern verteilt wurden und Trainer Fabian Hürzeler die taktischen Variationsmöglichkeiten erweitert hat. Wie eng es zugeht, wurde allein dadurch offenbar, dass für David Otto in den Spielen gegen Sabah und Bielefeld kein Platz in der Startelf war, obwohl zwei komplett unterschiedliche Teams auf dem Rasen standen. Der Angreifer wird nicht der letzte Härtefall gewesen sein. Und wer die Mannschaft im Trainingslager in Südtirol hat spielen und trainieren sehen, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass weitere Neuverpflichtungen nur dann Sinn machen, wenn sie einen sofortigen Qualitätszuwachs garantieren.
Transfers bisher voll eingeschlagen – auch Medic-Abgang könnte kompensiert werden
Neuzugänge: Hauke Wahl hat im Trainingslager in St. Leonhard zwar eine Woche angeschlagen verpasst. Dass Hürzeler ihn dennoch in den Mannschaftsrat berief, spricht Bände über die Wertschätzung des ehemaligen Kielers, der zudem bis zum Auftakt wieder bei 100 Prozent sein dürfte. Durch ihn (und die Rückkehr von David Nemeth) wäre auch ein weiterhin möglicher Verkauf von Jakov Medic problemlos kompensierbar. Philipp Treu brauchte keine Anlaufzeit, liefert sich mit Lars Ritzka ein Rennen auf Augenhöhe im Kampf um den Platz links in der Abwehr.
Danel Sinani wird, bedingt durch die Trainingspause wegen muskulärer Probleme, wohl noch ein, zwei Wochen länger brauchen, auf Dauer aber zur ernsthaften Alternative für mehrere offensive Positionen werden. Andreas Albers könnte sich als das in der Vorsaison fehlende Puzzleteil erweisen, mit seiner Physis und Kopfballstärke zum entscheidenden Faktor werden. Und Luca Günther wird man wohl auch in die Kategorie Neuzugänge einordnen dürfen. Der Rechtsverteidiger der U23 ist unter lauter Gewinnern der größte der Vorbereitung, wird auch künftig bei den Profis trainieren und bringt das Zeug dazu mit, sich im Profi-Bereich zu behaupten.
Albers könnte fehlendes Puzzleteil in St. Paulis Sturm werden
Testspiele: Kann man sich sicherlich grundsätzlich nichts für kaufen, klar. Aber sechs Siege in sechs Spielen mit 26:3 Toren sind in jedem Fall Beleg dafür, dass der Weg der richtige ist. Ein Dutzend verschiedene Torschützen sprechen für die schwere Ausrechenbarkeit, die Kiezkicker lassen andersrum kaum Chancen zu. Außerdem lieferten allein die jüngsten drei Partien auf unterschiedliche Art Qualitätsnachweise.
St. Pauli gewann jedes seiner sechs Testspiele – mit 26:3 Toren
Beim 7:1 gegen Lustenau brannte St. Pauli lange ein fußballerisches Feuerwerk ab, beim 4:1 gegen Sabah beherrschten die Braun-Weißen einen spielerisch starken Gegner, beim 2:0 gegen Bielefeld nahm man die härtere Gangart des Kontrahenten an. Zudem haben beim Test-Doppelpack am Samstag alle Profis gezeigt, dass sie auch dann noch füreinander da sind, wenn alle auf der letzten Rille unterwegs sind.
Stimmung: Hürzeler ist der Ansicht, dass man Teambuilding nicht trainieren oder vorgeben kann, dass sich Zusammenhalt aus der Gruppe heraus entwickeln muss. Mit Hinnerk Smolka hat St. Pauli einen Teamcoach dazugeholt, der den Prozess antreiben und in wichtige, schwer erreichbare Lücken vordringen soll. Aber man ahnt, was er meint, wenn er sagt, er hätte selten eine so offene Gemeinschaft vorgefunden wie jetzt bei St. Pauli.
Es spricht schon Bände, wenn Oladapo Afolayan und Connor Metcalfe die Tagebuch-Berichterstattung aus dem Trainingslager eigenständig an sich reißen und mit viel Witz und Verve versehen, wenn die Erfolge bei den zahllosen kleinen Wettbewerben im Training von ausufernd jubelnden Gruppen gefeiert werden, wenn sich nach den teils episch langen Einheiten noch Gruppen zum Torschuss-Contest zusammenfinden, bis sie quasi vom Feld gejagt werden müssen, um das Mittag- oder Abendessen nicht zu verpassen. „Das spricht für die Spieler, dass sie gar nicht mehr runter wollen vom Platz”, befand auch Hürzeler. Fast überflüssig zu erwähnen, dass alle Neuen – ob nun Spieler oder im Staff – charakterlich super passen und sofort integriert wurden.
Charaktere passen gut zusammen – die Stimmung in St. Paulis Mannschaft ist super
Fitness: Man hatte teils als Beobachter fast schon Mitleid, wenn die Profis nach bereits mehr als zwei Stunden bei sengender Hitze in der Sonne von Südtirol von Hürzeler und seinem Trainerteam zu noch einer Übung zitiert wurden. Aber unterm Strich haben nicht nur alle die große Belastung überstanden, bis auf Maurides (nach Knie-OP) standen auch alle Akteure nahezu immer zur Verfügung.
Hürzeler kann auf fast alle St. Pauli-Profis zum Saisonstart bauen
Natürlich gab es hier und da Einschränkungen wegen kleinerer Blessuren (Hauke Wahl, Jackson Irvine, Danel Sinani, Marcel Hartel), aber niemand – bis auf den Brasilianer – wird mit exorbitantem Rückstand in die Saison gehen.
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Fazit: Für ein gutes Gefühl gibt es keine Punkte. Aber St. Pauli vermittelt vor dem Start in die Spielzeit 2023/24 den Eindruck von einem homogenen, ausgesprochen gefestigten Gebilde, das zudem über enorme Qualität verfügt. Oder anders formuliert: Kann losgehen!