„Das sind Spiele fürs Leben“: St. Paulis Pokal-Torwart hat in Berlin ein Heimspiel
Eines hat Dennis Smarsch seinen Mitspielern beim FC St. Pauli in dieser Saison voraus: er ist noch unbesiegt. Mehr noch: er hat jedes seiner Spiele gewonnen. Im DFB-Pokal ist Smarsch die Nummer eins der Kiezkicker und fiebert dem Viertelfinale bei Union Berlin entgegen, in seiner Heimatstadt, beim Erzrivalen seines Ausbildungsvereins Hertha BSC. Vor dem Cup-Kracher spricht der ehrgeizige Torwart in der MOPO über Lust und Last seiner Teilzeit-Rolle, Ansprüche, Ziele und ganz spezielle Erinnerungen an den Pokal-Gegner.
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Eines hat Dennis Smarsch seinen Mitspielern beim FC St. Pauli in dieser Saison voraus: er ist noch unbesiegt. Mehr noch: er hat jedes seiner Spiele gewonnen. Im DFB-Pokal ist Smarsch die Nummer eins der Kiezkicker und fiebert dem Viertelfinale bei Union Berlin entgegen, in seiner Heimatstadt, beim Erzrivalen seines Ausbildungsvereins Hertha BSC. Vor dem Cup-Kracher spricht der ehrgeizige Torwart in der MOPO über Lust und Last seiner Teilzeit-Rolle, Ansprüche, Ziele und ganz spezielle Erinnerungen an den Pokal-Gegner.
Er kann es kaum erwarten. Endlich wieder Wettkampf, Adrenalin, Nervenkitzel. Jedes Spiel, in dem er das Tor der Braun-Weißen hüten darf, ist ein besonderes für Smarsch, denn es sind rare Gelegenheiten, sein Können unter Beweis zu stellen. Die kommende Partie ist aber besonders besonders. Ein Auswärts-Heimspiel mit Extra-Würze.
St. Pauli: Für Smarsch ist jedes Spiel etwas Besonderes
„Ich freue mich riesig, nach Berlin zurückzukehren und quasi zu Hause zu spielen“, sagt der 23-Jährige, der in der Hauptstadt geboren, aufgewachsen und zum Fußballprofi geworden ist, im Gespräch mit der MOPO. Natürlich werden seine Eltern und Freundin Alina im Stadion sein. Er hat ihnen Karten besorgt.
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Bis zu 10.000 Fans darf Union ins Stadion lassen, das damit halb voll sein wird, aber „wahrscheinlich ein richtiger Hexenkessel“, ahnt Smarsch. „Ich freue mich extrem drauf!“ Hitzige Stimmung? Für ihn kein Problem. Das hat er in der ersten Pokalrunde in Magdeburg und in Runde zwei in Dresden bewiesen, wo er sich von den Rängen allerlei Schmähungen hatte anhören müssen, aber cool geblieben war und der Sieg nur noch süßer schmeckte.
St. Pauli – Union Berlin: Ein Wiedersehen mit alten Rivalen
An der Alten Försterei hat er noch nie gespielt, gegen Union schon. In der Jugend, mit Hertha BSC, mehr als einmal. „Die Rivalität ist auch im Jugendbereich sehr ausgeprägt“, erzählt der 1,95 Meter große Blondschopf. „Spiele gegen Union oder Tennis Borussia, die durftest du nicht verlieren, auf keinen Fall.“ Er wolle die Vergangenheit nicht zu hoch hängen vor der Pokal-Partie, die ja „auch nur ein Spiel“ sei, gibt aber zu: „Das ist schon eine Prise Extravaganz, dass ich als Ex-Herthaner nach Berlin fahre, um bei Union zu spielen.“
Extravagant ist auch seine Rolle bei St. Pauli in dieser Saison. Pokal-Torwart. Was zu Saisonbeginn wie ein Trostpflaster nach dem verlorenen Kanpf um die Kiste mit Nikola Vasilj aussah und angesichts der jüngeren braun-weißen Pokal-Vergangenheit ein äußerst kurzes Vergnügen zwischen den Pfosten versprach, hat sich zu einer echten Erfolgsstory entwickelt – für Smarsch ebenso wie für den Kiezklub.
Torwart im Pokal: „Ich will noch natürlich noch mehr Spiele“
„Was den Pokal betrifft, läuft es gut für mich“, sagt der zweimalige Junioren-Nationaltorwart. „Das kann man natürlich vorher nicht wissen, es hätte auch schnell vorbei sein können. Deshalb bin ich glücklich darüber, dass wir mit dem Union-Spiel auf jeden Fall schon mal vier Spiele haben und ich will natürlich noch mehr Spiele – ist ja klar.“
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Nächstes Etappen-Ziel: Halbfinale! St. Pauli habe keinen Druck, sagt Smarsch, der liege bei Erstligist Union. „Wir können einfach frei aufspielen, wir können Spaß haben, bei dem, was wir tun und was wir lieben.“ Vielleicht ist es auch das, was die Mannschaft, der die Leichtigkeit der Hinrunde abhandengekommen ist, gerade mal wieder braucht. Im Pokal ist für St. Pauli auch 2022 noch alles in bester Ordnung und es könnte gar nicht besser laufen. Das gilt auch für Smarsch.
Sieg über Dortmund als bisheriger Karriere-Höhepunkt
Was seinen Teilzeit-Job angeht, legt er auf eine Feststellung besonderen Wert: „Es ist für mich kein Trostpreis, denn es ist immer noch eine Ehre und ein Zeichen von Vertrauen, wenn der Verein sagt: Er spielt im Pokal, egal, was ist“, sagt Smarsch und wird noch deutlicher: „Das ist ja auch keine Kindergarten-Gruppe, das ist DFB-Pokal! Das ist ein krasser Wettbewerb. Du spielst gegen Topklubs. Wir haben gegen Dortmund gespielt! Das ist einfach geil.“
Der sensationelle 2:1-Sieg über den BVB Mitte Januar am Millerntor ist zweifelsohne bislang der Höhepunkt seiner noch jungen Karriere und mit Sicherheit einer, der ewig in Erinnerung bleiben wird. „Magdeburg, Dresden und dann halt Dortmund – das war wahnsinnig. Diese Erlebnisse werde ich nicht vergessen. Davon kriege ich jetzt noch Gänsehaut. Das sind Spiele fürs Leben und riesengroße Erfahrungsschätze“, sagt Smarsch.
Zum ersten Mal im Pokal: Erfolgreiche Saison für Smarsch
Welcher Zweitliga-Keeper kann schon von sich behaupten, einer Weltklasse-Offensive mit Erling Haaland, Marco Reus oder Jude Bellingham gegenübergestanden und am Ende triumphiert zu haben? „Gegen große Namen kann man sich auch ein Stück selbst beweisen“, sagt Smarsch. „Gerade, wenn man nicht so viel spielt, ist das wichtig, so eine Art Zeugnis für sich selbst zu bekommen, unabhängig davon, wie es von außen bewertet wird. Das ist mir relativ egal. Ich muss in den Spiegel gucken und das kann ich momentan.“
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Vor dieser Saison hat Smarsch noch nie DFB-Pokal gespielt und in der vergangenen Spielzeit, seiner ersten beim Kiezklub, in der er sich in der Rolle als Reservekeeper mit Svend Brodersen abgewechselt hatte, war mehr als ein Einsatz im sportlich bedeutungslosen letzten Liga-Heimspiel gegen Hannover (1:2) nicht drin gewesen. Insofern ist diese Saison ein Fortschritt. „Es sind wieder ein paar Profispiele mehr, die ich auf dem Konto habe. Das ist nicht verkehrt.“
St. Pauli: Sieht sich Smarsch als zweite Nummer eins?
Bei aller Freude über die Pokal-Erfolge und das Vertrauen, in diesem Wettbewerb die erste Wahl zu sein, bestreitet Smarsch nicht, dass das Tagesgeschäft mit dem Stammplatz auf der Bank nicht befriedigend ist. „Es würde sich besser anfühlen, wenn man immer spielt, auch im Liga-Betrieb. Wenn ich was anderes erzählen würde, wäre das Quatsch“, gibt er ehrlich zu. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ehrgeizig bin. Ich möchte das Maximum erreichen. Das heißt: Jedes Spiel spielen.“
Sieht er sich überhaupt als Nummer zwei des FC St. Pauli? Als zweite Nummer eins? Auf Augenhöhe mit Vasilj? Oder als Nummer eins B? „War klar, dass die Frage kommt…“, sagt Smarsch schmunzelnd und holt bei seiner Antwort nach einer rhetorischen Frage („Was soll ich dazu sagen?“) aus: „Am Anfang der Saison wurde so entschieden. Ich bin jetzt im DFB-Pokal der erste Torwart, Niko in der Saison. Das ist der Stand und ich kann daran verbal nichts ändern. Ich probiere es mit Leistung auf dem Platz zu zeigen und mich dem Trainer immer wieder anzubieten und zu zeigen, dass er auf mich zählen kann. Mehr kann ich im Moment nicht machen.“
Auch die Gegentorflut der letzten Wochen sei kein Anlass, die Rollenverteilung im Tor infrage zu stellen, schon gar nicht öffentlich. „Mich jetzt hinzustellen und zu sagen: ich bin die Nummer eins, das ist nicht mein Stil, nicht mein Charakter“, betont der frühere Junioren-Nationalkeeper. „Dafür haben wir auch zu viel Respekt in unserem Torhüter-Konkurrenzkampf. Ich mache es nicht mit Worten, sondern auf dem Platz und alles andere wird dann am runden Tisch entschieden.“ Wenn die Trainer zusammensitzen.
Pokal-Torhüter Smarsch: Wie sieht die Zukunft aus?
Bis auf weiteres ist Smarsch die Nummer eins P von St. Pauli – das P steht für Pokal. Und nächste Saison? Sein Vertrag läuft noch bis 2023, auch Vasilj ist noch mindestens eine weitere Saison gebunden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Ehrgeizling ein weiteres Jahr akzeptieren kann, im Liga-Betrieb auf der Bank zu sitzen.
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„Ich bin ein Typ, der im Hier und Jetzt lebt“, antwortet Smarsch auf seine Zukunftsplanung angesprochen. „Ich mache mir Gedanken, was jetzt das Wichtigste ist und momentan läuft es für die Umstände für mich noch gut. Ich kann meine Spiele machen und alles andere wird man dann sehen.“ Es sei im Fußballgeschäft üblich, von Saison zu Saison zu schauen, sagt der Modellathlet, schiebt aber hinterher: „Es ist nicht so, dass ich sage: ich will schon wieder weg. Ich mache das ganz entspannt. Ich gucke, was die Saison noch hergibt – und außerdem haben wir noch viel vor. Die Saison läuft ja noch ein paar Monate.“
Natürlich hat Smarsch einen Karriereplan im Kopf – aber aktuell im Hinterkopf. „Das einzige, was momentan zählt, ist der mannschaftliche Erfolg“, stellt er klar. „Alles andere, meine persönlichen Ambitionen, was ich vorhabe, was ich möchte, das weiß ich persönlich natürlich, aber das behalte ich erstmal für mich. Das ist momentan einfach nicht wichtig. Die Mannschaft steht im Vordergrund und ich bin ein Teamplayer.“
Das große Ziel für den St. Pauli-Keeper: Die Bundesliga
Sein großes Ziel ist das Oberhaus. Jeder Fußballer strebe doch nach dem Höchsten, sagt Smarsch. „Es sagt doch keiner: ich möchte in der dritten Liga Stamm spielen. Natürlich möchtest du in die erste Bundesliga. Ich hatte schon mal das Glück, dass ich zweimal Bundesliga spielen durfte und das ist total geil“, erinnert er sich an seine Erstliga-Einsätze im Hertha-Trikot in der Saison 2019/20 gegen Augsburg und Mönchengladbach. „Ich war da zwar nur kurz, aber ich möchte dort wieder hin. Aber ein Schritt nach dem anderen und das heißt: Zweite Liga und spielen. Das ist für mich wichtig. Ich möchte spielen und so weit, wie es geht, hinaus.“
Spielen. An diesem Dienstag ist es mal wieder so weit. Auch ohne einen wöchentlichen Spielrhythmus sieht sich Smarsch gut gerüstet, denn im Training gebe er stets hundert Prozent, „oder ich gehe drüber“, sagt er. Der große Abstand zwischen seinen Spielen sei kein Problem, auch nicht mental. „Ich bin immer bei voller Spannung, aber auch nicht überspannt. Ich gehe gleichzeitig fokussiert und locker an die Sachen ran. Ich genieße es einfach, ich habe Spaß, mache mir da keinen Kopf.“
Als Smarsch ein Kopfballtor in der Nachspielzeit machte
Apropos Kopf. Da ist noch diese Geschichte mit Union, die er unbedingt erzählen muss. „Das war in der U14. Da haben wir mit Hertha bei Union gespielt. In der Nachspielzeit stand es 2:1 für Union“, berichtet Smarsch. „Wir hatten eine Ecke und da bin ich in der 95 Minute mal kurz nach vorne marschiert und habe den Ausgleich gemacht – per Flugkopfball. Wir sind dann alle jubelnd aufeinander gefallen. Das war Wahnsinn.“ Das Video davon habe er leider nicht mehr.
An diesem Dienstag bietet sich auf einer weitaus größeren Bühne und vor mehreren TV-Kameras die Gelegenheit für erneute Heldentaten – diesmal in braun-weiß. „Eine Wiederholung wäre völlig okay für mich“, sagt Smarsch lachend. Das gilt noch viel mehr für eine weitere Dienstreise nach Berlin in dieser Saison…