„Chapeau“: St. Pauli lässt das Millerntor explodieren – Smith scherzt über Elfmeter
Drama wird offenbar zum Programm in dieser Saison am Millerntor. Eine Woche nach dem Elfer-Krimi im DFB-Pokal gegen Norderstedt lieferte der FC St. Pauli auch zum Liga-Auftakt beste Unterhaltung und ließ das Millerntor spät erbeben. Gegen Borussia Dortmund gab es vor ausverkauftem Haus eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Entertainment at it’s best und beim 3:3 (0:1) einen Punkt trotz 0:1 und 1:3-Rückstands. Und der Zähler, das räumte auch BVB-Coach Niko Kovac ein, „war absolut verdient für sehr, sehr, sehr gute St. Paulianer“.
Die waren über die insgesamt 103 Minuten (inklusive Nachspielzeit beider Hälften) genauso aufgetreten, wie er das erwartet hatte. „Aber uns ist es zu keiner Phase gelungen, von der Physis her dagegenzuhalten“, monierte Kovac, ohne dabei den fußballerischen Ansatz der Hausherren schmälern zu wollen. „Ich denke im Allgemeinen war das eine gute Performance von uns“, befand Eric Smith, der mit einem Kracher aus 16 Metern in der 89. Minute den frenetischen bejubelten Endstand hergestellt hatte – und trotzdem was zu kritisieren fand: „In der Defensive haben wir es dem Gegner zu einfach gemacht. Das wird etwas sein, worüber wir die nächsten Tage reden werden.“
Nikola Vasilj hält wieder einen Elfmeter
Tatsächlich fiel das 0:1 durch einen Kopfball von Serhou Guirassy (34.) zu einfach, was auch Trainer Alex Blessin sauer aufstieß. „Wir wollten sie nicht aus dem Halbfeld auf den zweiten Pfosten flanken lassen, weil wir wussten, dass das eine ihrer Stärken ist“, monierte er. Und es hätte noch schlimmer kommen können, weil Adam Dzwigala Guirassy in der Entstehung eines Konters nicht attackiert, der einen Pass in den freien Raum spielen konnte und Eric Smith Karim Adeyemi nur mit einem Foul im Strafraum bremsen konnte – mit Vorsatz, wie der Schwede später witzelte. „Das habe ich mit Absicht gemacht, weil so die Wahrscheinlichkeit größer war, dass Niko den Ball hält.“
Andréas Hountondji mit seinem Debüt-Tor für St. Pauli
Damit spielte Smith auf die Elfer-Killer-Qualitäten seines Schlussmanns an – und der enttäuschte ihn nicht. Vasilj parierte Guirassys Versuch (39.). „Das war natürlich wichtig“, sagte Blessin. „Wer weiß, ob wir uns von einem 0:2 noch einmal erholt hätten. Und das Stadion war dadurch auch wieder voll da.“ Noch mehr sogar kurz nach der Pause, als Arkadiusz Pyrka die Kugel an der BVB-Eckfahne eroberte, sie zu Danel Sinani weitergab, dessen butterweiche Flanke Hountondji zum 1:1 in die Maschen nickte (50.).
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St. Pauli war jetzt am Drücker – und in Minute 74 eigentlich mausetot. Zunächst konterkarierte ein von Hauke Wahl ábgefälschter Schuss von Waldemar Anton das Geschehen auf dem Platz (67.), dann schloss Julian Brandt einen Konter technisch stark und wuchtig mit einem Knaller ins lange Eck ab (74.). „Das 1:3 war natürlich ein Moment, wo du sagst, jetzt wird es gegessen sein“, gestand Blessin. „Aber wir haben nochmal alles probiert, durchgewechselt, ein bisschen Energie reingebracht – und das mit dem Elfmeter hat uns das natürlich schon in die Karten gespielt.“
Danel Sinani eiskalt, Eric Smith mit Wucht – St. Pauli steht kopf
Filippo Mané hatte Abdoulie Ceesay bei einer Großchance zu Boden gezogen, nach VAR-Einsatz gab es nicht nur den fälligen Strafstoß, sondern auch Rot für den Innenverteidiger. Sinani übernahm Verantwortung, verwandelte souverän (86.) und leitete eine Endphase ein, die man so schnell nicht vergessen wird. Denn nun drückten die Kiezkicker in Überzahl natürlich – und belohnten sich schon wenige Minuten später durch Smiths unhaltbaren Gewaltschuss (89.). 3:3, das Millerntor explodierte. „Und es wäre sogar noch mehr drin gewesen“, meinte Blessin. Tatsächlich kam der BVB kaum noch über die Mittellinie in den zehn Minuten Nachspielzeit, einen echten Matchball aber erarbeitete sich der Kiezklub nicht mehr.
Kiezklub-Coach Alex Blessin ist stolz auf sein Team
Macht überhaupt nichts. „Chapeau an meine Mannschaft“, sagte Blessin, der den Seinen schon direkt nach der Partie im Kreis mit einer Hut-ab-Geste seinen Respekt erbrachte. Und die Protagonisten waren auch durchweg angetan von dem Gezeigten „Es gibt einige Spiele oder einige Teams, die nach dem 3:1 vielleicht so ein bisschen die Köpfe hängen lassen“, meinte Louis Oppie. „Ich glaube, bei uns hat man gemerkt, dass niemand hier den Kopf hängen lassen hat, wir weiter gemacht haben, am Drücker waren. Am Ende hat es leider nicht für drei Punkte gereicht.“
Eric Smith freut sich: „Nehmen wir mit ins Derby“
Davon wollte sich Eric Smith aber nicht die Petersilie verhageln lassen. „Wir haben uns unser Glück verdient mit der Leistung, mit dem Punkt sind wir mehr als zufrieden. Du hast am Ende noch 15 Minuten zu spielen und es steht 3:1 für den Gegner.“ Und der spielt immerhin Champions League, „und deswegen war das auch nicht leicht. Ich bin aber sehr glücklich. Wir haben Courage und Charakter gezeigt. Das“, schloss der Schwede, „nehmen wir auf jeden Fall mit ins Derby nächste Woche.“
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