Jetzt spricht Timo Schultz! „Ich bin weiterhin kompletter St. Pauli-Fan”
Das freie Wochenende nutzte er für einen der seltenen Trips in die Heimat. Am Freitag noch hatte Timo Schultz mit seinem FC Basel ein Testspiel beim FC Metz bestritten (1:1), am Abend stand ein Vereinsfest auf dem Programm. Schon am frühen Samstagmorgen jettete der 46-Jährige dann aber heim nach Hamburg zur Familie. Und ehe es abends aufs Johannes-Oerding-Konzert in den Stadtpark ging, traf sich Schultz mit der MOPO für das erste Interview seit seiner Entlassung beim FC St. Pauli im Dezember des vergangenen Jahres.
MOPO: Herr Schultz, wie war die Zeit zwischen K.o. bei St. Pauli und der Unterschrift in Basel? Wie haben Sie die Zeit genutzt, wie die Entlassung weggesteckt?
Timo Schultz: Erstmal ging es darum, Abstand zu gewinnen. Ich bin ein paar Mal mit der Familie und mit Freunden im Urlaub gewesen, habe Kurztripps gemacht. Ich musste die Sache erst einmal verarbeiten, keine Frage. Es war eine lange Zeit, die ich als Spieler und Trainer im Verein gewesen bin. Es war kein leichter Abschied, aber es gibt dieses schöne Sprichwort: Die Zeit heilt alle Wunden. Und man macht sich natürlich Gedanken, was man anders oder besser hätte machen können.
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Das freie Wochenende nutzte er für einen der seltenen Trips in die Heimat. Am Freitag noch hatte Timo Schultz mit seinem FC Basel ein Testspiel beim FC Metz bestritten (1:1), am Abend stand ein Vereinsfest auf dem Programm. Schon am frühen Samstagmorgen jettete der 46-Jährige dann aber heim nach Hamburg zur Familie. Und ehe es abends aufs Johannes-Oerding-Konzert in den Stadtpark ging, traf sich Schultz mit der MOPO für das erste Interview seit seiner Entlassung beim FC St. Pauli im Dezember des vergangenen Jahres.
MOPO: Herr Schultz, wie war die Zeit zwischen K.o. bei St. Pauli und der Unterschrift in Basel? Wie haben Sie die Zeit genutzt, wie die Entlassung weggesteckt?
Timo Schultz: Erstmal ging es darum, Abstand zu gewinnen. Ich bin ein paar Mal mit der Familie und mit Freunden im Urlaub gewesen, habe Kurztripps gemacht. Ich musste die Sache erst einmal verarbeiten, keine Frage. Es war eine lange Zeit, die ich als Spieler und Trainer im Verein gewesen bin. Es war kein leichter Abschied, aber es gibt dieses schöne Sprichwort: Die Zeit heilt alle Wunden. Und man macht sich natürlich Gedanken, was man anders oder besser hätte machen können.
Zu welchem Schluss sind Sie gelangt?
Letztlich glaube ich, dass wir viele Sachen gut gemacht haben in der Zeit. Dass die Entwicklung vom Zeitpunkt, wo ich übernommen habe, bis zum Abschied gut war. Man sieht ja auch heute noch, dass das Gefüge an sich stimmt. Sicher hätten wir in der Hinserie vergangene Saison ein paar mehr Spiele gewinnen müssen. Da haben wir Punkte liegen gelassen aus den unterschiedlichsten Gründen. Und so ist das nun mal im Fußball, am Ende zählen die Ergebnisse.
Wann und wie kam dann der Kontakt nach Basel zustande?
Kontakte hat man als vereinsloser Trainer viele. Ich bin relativ früh schon mal nach Basel geflogen, habe Gespräche mit den Verantwortlichen geführt und mir einen Überblick verschafft über die Mannschaft, den Verein, die Liga.
Wie ging es dann weiter?
Im April habe ich angefangen, mir konkret Gedanken zu machen. Will ich das? Will der Verein, der an einem interessiert ist, das wirklich? Und findet man eine Lösung mit dem Verein, bei dem man noch unter Vertrag ist? Der Entscheidungsprozess hat sich noch ein bisschen hingezogen, aber grundsätzlich war ich von der ersten Kontaktaufnahme an mega interessiert, weil der FC Basel natürlich ein Top-Verein ist, mit dem man perspektivisch europäisch spielen kann und um die Schweizer Meisterschaft. Die Chance, so einen Verein zu übernehmen, bietet sich nicht allzu oft.
So denkt Schultz über den schwierigen Start beim FC Basel
Perspektivisch ist ein gutes Stichwort. Denn der aktuelle Status quo ist mit vier Punkten aus fünf Spielen ausbaufähig, lange wurden nur Spieler verkauft, aber keine neuen geholt. Wie waren denn die ersten Wochen und Monate für Sie?
Auf jeden Fall sehr interessant. Wir haben viele Spieler abgegeben. Es war aber auch von vornherein klar kommuniziert, dass der Verein auf Transfererlöse angewiesen ist. Dementsprechend konnte ich mich da schon vorher mit auseinandersetzen. In den letzten Wochen der Transferperiode haben wir nochmal einige Spieler verpflichtet, so dass das Gesicht der Mannschaft jetzt ein ganz anderes ist als am ersten Trainingstag. Dadurch haben wir jetzt schon fast einen kleinen Neustart der Saison.
Da kommt die Länderspielpause vermutlich gelegen.
Wir haben die Möglichkeit, durch ein Testspiel und ein Spiel im Pokal drei Wochen so eine Art Mini-Vorbereitung zu machen, in die wir gerade gestartet sind. Die läuft auch wirklich gut an. Und dann müssen wir in der Liga ein paar Punkte aufholen, aber das traue ich uns allemal zu, weil die Mannschaft, die wir jetzt zusammenhaben, richtig Potenzial hat.
Wie ist es mit der öffentlichen Wahrnehmung in Basel? Nach dem Fehlstart wurde schnell Kritik laut. Auch am Trainer, der in Hamburg durch seine Vergangenheit innerhalb St. Paulis auch in schweren Zeiten sehr viel Kredit hatte, in der Schweiz aber eben noch eine große Unbekannte ist.
Kredite sammelt man durch Ergebnisse. Da müssen wir jetzt mit anfangen, das ist uns allen bewusst. Trotzdem ist es so, dass seit dem späten Ausgleich zum 2:2 im Klassiker gegen den FC Zürich so eine Art Aufbruchsstimmung herrscht. Auch durch die Neuverpflichtungen.
Die grundsätzliche Erwartungshaltung ist hoch.
Alle erwarten, dass der FC Basel um die Schweizer Meisterschaft mitspielt. Die Stadt ist rot-blau. Egal, wo man sich aufhält, man wird angesprochen, man sieht Fahnen, Brücken, die angestrichen sind. Jeder ist positiv gestimmt. Jeder will, dass der Verein Erfolg hat. Fakt ist, dass der FCB in den letzten fünf Jahren keinen Titel mehr geholt hat. Dennoch ist man durch die jahrelange Teilnahme an der Champions League natürlich anderes gewohnt. Und es ist logisch, dass man sich danach zurücksehnt.
Wie ist das Verhältnis mit den Fans?
Dadurch, dass die Stadt nicht so groß ist, ist der Verein sehr Fan-nah. Es ist ein bisschen vergleichbar mit Werder Bremen. Es gibt nur diesen Verein. Es gibt nur Leute, die wollen, dass der Verein Erfolg hat. Das schweißt schon zusammen. Alle wollen unterstützen, helfen, sprechen Mut zu. Auch jetzt in der schwierigen Anfangsphase, wo viele Leute gesagt haben, dass man ruhig bleiben müsse und wisse, dass das alles nicht in vier bis sechs Wochen geht mit dem Umbruch.
So läuft es für Co-Trainer Loic Favé in Basel
Klingt, als müssten Sie sich nicht um Ihren Job sorgen.
Ich weiß auch, wie das Geschäft tickt und dass wir jetzt Ergebnisse bringen müssen, damit wir in der Tabelle weiter nach oben klettern. Das ist unser Anspruch.
Wie geht es Ihrem Co-Trainer Loic Favé, der zeitgleich mit Ihnen bei St. Pauli entlassen wurde und den Sie mitgenommen haben zum FCB?
Im Prinzip wie mir. Er war jetzt wie auch ich am Wochenende in Hamburg, wobei ich in der ganzen Zeit erst zum zweiten Mal wieder hier gewesen bin. Uns gefällt es sehr gut in Basel, es ist eine sehr schöne Stadt.
Wie steht’s um die Verbindung zum Ex-Klub, was denken Sie über den Weg des FC St. Pauli?
Ich denke mal, dass sie es vor allem geschafft haben, sich in der Defensive brutal zu stabilisieren. Das ist schon wirklich beeindruckend, wie oft sie zu Null gespielt haben, wie wenig sie zulassen. Das ist der Schlüssel gewesen für die erfolgreiche Rückrunde und das größte Plus, das die Mannschaft immer noch hat. Ich würde mich freuen, wenn sie möglichst viele Spiele gewinnen und wenn Simon Zoller einschlägt. Das ist in meinen Augen nochmal ein richtig guter Transfer gewesen. Ich traue der Mannschaft alles zu. Es gibt sicherlich ein paar Klubs, die ganz oben mitspielen wollen, aber ich sehe keinen Grund, warum St. Pauli nicht bis zum Ende oben dabei sein sollte.
Schultz will als Fan auf die Gegengerade
Waren Sie außer beim Abschiedsspiel von Jan-Philipp Kalla nochmal am Millerntor?
Nein, es hat bei mir leider noch nicht gepasst. Aber ich habe schon vor, wenn ich das nächste Mal ein freies Wochenende habe und St. Pauli zu Hause spielt, mir das Spiel mit ein paar Kumpels zusammen auf der Gegengerade anzugucken.
Klingt, als wären tatsächlich alle Wunden geschlossen.
Es gibt keine Wunden. Ich habe 18 Jahre lang eine fantastische Zeit gehabt. Ich wünsche dem Verein und allen Leuten, die da arbeiten, wirklich nur das Beste und fände es großartig, wenn sie aufsteigen. Das hätten sie auch verdient, weil sie wirklich richtig gute Arbeit geleistet haben in den letzten Jahren. Ich habe große Lust, wieder ins Stadion zu gehen, all die Leute wiederzusehen. Es ist bei mir gar nichts Negatives hängen geblieben. Ich wusste es damals, als ich den Vertrag unterschrieben habe, dass ich auch mal entlassen werde. Und Entlassungen laufen nicht mit Friede, Freude, Eierkuchen ab, sondern wenn es nicht gut läuft, wenn das ein oder andere Nebengeräusch da ist. Aber ich bin weiterhin kompletter St. Pauli-Fan und freue mich über jeden Sieg, den sie einfahren.