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St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler redet mit Jackson Irvine
  • Als Führungsfiguren und Wortführer gefordert: Trainer Fabian Hürzeler und Kapitän Jackson Irvine
  • Foto: WITTERS

„Arschtritt“, Bremse, Tunnel: St. Paulis Motivations-Tricks für den Aufstieg

Die Mannschaft motivieren. Das klingt so selbstverständlich. Fast banal. Ebenso die vor entscheidenden Fußballspielen gern verwendete Stammtischparole: „Für dieses Spiel muss man ja wohl niemanden motivieren – wäre ja noch schöner! Wer da motiviert werden muss, hat seinen Job verfehlt.“ Tatsächlich ist die erfolgreiche Motivation eines Teams eine hohe Kunst, denn es handelt sich schließlich um eine Gruppe von Individuen, die teilweise höchst unterschiedlich ticken.

Die Frage nach dem besten Weg stellt sich auch St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler vor dem möglicherweise entscheidenden Spiel um den Aufstieg gegen Osnabrück am Sonntag am Millerntor. Es gilt, die Mannschaft und jeden Einzelnen so nah wie möglich ans Maximum zu bringen. Wie knifflig Motivation ist, habe das Derby gezeigt, verrät der Coach.

Alle wollen. An Ambition wird es keinem der elf Spieler mangeln, die am Sonntag bei Anpfiff auf dem Rasen des restlos ausverkauften Millerntorstadions stehen, bereit, alles für den Sieg und Aufstieg zu gegen. Es geht darum, diese Ambitionen und noch viel mehr die Emotionen in die richtigen Bahnen zu lenken, zu steuern, zu dosieren, zu kanalisieren, zu bündeln, aber hier und da auch zu bremsen.

Ob er vor dem anstehenden Spiel mit Final-Charakter seine Ansprache an die Spieler individueller gestalte als im bisherigen Saisonverlauf, wollte die MOPO von Hürzeler wissen. Den einen kann die Bedeutung der Partie beflügeln, den anderen überfordern, blockieren, lähmen. Alle Spieler sollen hochmotiviert sein, aber nicht übermotiviert. Alle sollen mit Anpfiff voll aufdrehen, aber nicht überdrehen.

Hürzeler spricht über die Motivation seiner Spieler

„Ich habe es in dieser Woche auch wieder gemerkt, dass jeder Spieler einfach andere Motive, andere Bedürfnisse auch im Sinne der Motivation hat. Was motiviert ihn, was motiviert ihn nicht“, berichtet der Coach.

Es ist ein Thema, bei dem Hürzeler schnell voll in seinem Element ist. „Das ist etwas, was ich einfach super spannend finden“, sagt der 31-Jährige und führt aus: „Wie gehst du da mit den einzelnen Spielern um, wie pusht du sie auch im Großen und Ganzen. Da musst du es schaffen, A) für die Mannschaft die richtigen Worte zu finden, dass du da einfach alle mit abholst und eine klare Message sendest, die eher auf der inhaltlichen Ebene basiert. Und B) auch den Einzelnen versuchen, abzuholen – und da geht es dann eher darum, die emotionale Basis zu treffen: was braucht er emotional? Ist es jemand, den man vielleicht eher reizen muss, dem man einen Arschtritt geben muss, den man positiv unterstützen sollte?“

Wie individuell Herangehensweise, aber auch Sichtweise auf die richtige Dosierung der Motivation ist, hat sich bei St. Pauli erst vor einer Woche rund um das Duell mit dem HSV im Volksparkstadion (0:1) gezeigt, erzählt Hürzeler offen. „Wir hatten das auch vor dem Stadtderby: Wie groß machen wir das Spiel? Einige sagen, wir haben es nicht groß genug gemacht innerhalb der Mannschaft. Einige sagen, wir haben es zu groß gemacht. Das ist super-individuell.“

Manche Spieler brauchen den besonderen Druck und Nervenkitzel, die Überhöhung eines Spiels, den „Spiel des Lebens“-Charakter oder die historische Dimension, vielleicht auch die Visualisierung der ersehnten Jubelszenen bei einem Tor oder nach dem Abpfiff. Sie genießen das geradezu, saugen alles auf, ziehen jede Menge Motivation aus den Szenarien. Für manch anderen ist das regelrecht Gift. Lähmendes Gift. Zu viel Druck, Gedankenkarussell, Schwindel, schwere Beine. Sie brauchen Normalität, die üblichen Abläufe, den Ein-Spiel-wie-jedes-andere-Modus. Sie wollen die exorbitante Bedeutung und die möglichen Konsequenzen lieber ausblenden, brauchen einen Tunnelblick. Und zwischen diesen beiden Polen gibt es noch ganz viele Typen mit ähnlichen oder anderen Bedürfnissen, Ritualen und Vorlieben.

„Das sind alles sehr individuelle Charaktere“

Kopfsache. Bei jedem einzelnen. In dieser Phase der Saison mehr denn je. Viel Arbeit für das Trainerteam, aber auch die Führungsspieler um Kapitän Jackson Irvine, den richtigen Ton zu treffen, den ein oder anderen Kollegen zur Seite zu nehmen, andere lieber in Ruhe ihr Ding machen zu lassen. Zu voller Konzentration zu mahnen, aber auch die nötige Portion Lockerheit und Spaß nicht zu vergessen – und Anspannung mal mit einem Witz und Gelächter zu lösen.

„Das sind alles sehr individuelle Charaktere, und das ist eines der spannendsten Themen im Fußball, wie du mit der Mannschaft und dann auch mit dem Einzelnen umgehst“, betont Hürzeler. „Das versuchen wir auf verschiedenen Ebenen im Moment. Aber auch das ist etwas, wo du nur mutig im Vorhinein Entscheidungen treffen kannst, wie du es machen solltest und fühlst. Am Ende liegt die Wahrheit dann auf dem Platz.“

Das ist ein Satz fürs Phrasenschwein. Und doch unbestreitbar Artikel eins im Grundgesetz des Fußballs.

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