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Hansa-Hooligans am Millerntor
  • Die Rostocker Fans nebeln das Millerntor mit dunklem Rauch ein. Einige Chaoten werfen Böller, andere Feuerwerkskörper und Keramikteile auf andere Tribünen und die Ordner.
  • Foto: WITTERS

„Absolut asozial“: Perfide Attacken der Hansa-Chaoten fordern mehrere Verletzte

Schönes und Hässliches liegen manchmal verdammt nah beieinander. Die Siegesfeier des FC St. Pauli nach dem 1:0 (1:0) im Nordderby gegen den Erzrivalen Hansa Rostock und die Freude über den fünften Sieg in Serie wurde durch Eskalationen im Gästeblock des Millerntorstadions und gewalttätige Angriffe auf Fans des Kiezklubs getrübt. Es gab Verletzte. Verantwortliche beider Vereine verurteilten die Vorfälle scharf. Sie werden ein Nachspiel haben.

Die Ehrenrunde ließen sich die Kiezkicker nicht nehmen. Ausgepumpt, aber voller Genugtuung trotteten die „Boys in Brown“ nach dem umkämpften und emotionsgeladenen Duell an allen Tribünen vorbei, machten vor jeder die Welle und ließen sich feiern. Als Informationen bezüglich der Bahn-Abreise des Hansa-Anhangs durchgesagt wurden, schallte es aus tausenden Kehlen: „Haut ab! Haut ab! Haut ab!“

St. Pauli siegt unter Hürzeler immer weiter

Das Schöne: St. Pauli siegt und siegt und siegt. Die Kiezkicker gewannen auch das fünfte Spiel unter der Regie von Trainer Fabian Hürzeler, blieben dabei zum vierten Mal ohne Gegentor, schoben sich in der Tabelle auf Platz sieben vor und sind im Rückrunden-Ranking jetzt sogar Spitzenreiter. Für das Tor des Tages hatte vor 29.209 Zuschauenden Kapitän Jackson Irvine gesorgt, der eine Flanke von Oladapo Afolayan wuchtig in die Maschen köpfte (26.).

Dieser Sieg war und ist mehr als nur drei Punkte wert, schließlich ging es gegen Rostock. „Vor allem nach dem verkorksten Hinspiel hatten wir etwas gutzumachen“, betonte Leart Paqarada. Das sei vor der Partie in der Kabine Thema gewesen. Und Marcel Hartel befand, jetzt könne man „einfach glücklich sein, den Fans diesen Dreier geschenkt zu haben“.

Daschner muss erhöhen, Vasilj rettet stark

Das Spiel: St. Pauli dominierte die erste Halbzeit, spielte gut Fußball und hätte durch die Großchance von Lukas Daschner (29.) nicht nur auf 2:0 erhöhen können, sondern müssen. Zwingend erwähnenswert: Der glänzend aufgelegte Nikola Vasilj im St. Pauli-Tor hatte mit einer artistischen Parade von Prögers Schlenzer einen frühen Rückstand verhindert (13.). Glück hatten die Gastgeber in der Nachspielzeit der ersten Hälfte als nach einer Eckball-Serie zunächst Fröde mit einem Kopfball an Vasilj scheiterte, dann Verhoeks Kopfball an die Latte klatschte und dann Roßbach den Ball aus kurzer Distanz über das Tor drosch.

Zur zweiten Halbzeit nahm Hansa-Trainer Patrick Glöckner drei Wechsel vor, stellte auf Viererkette um und St. Pauli vor einige „Probleme“, wie Eric Smith zugab. St. Pauli agierte zu passiv und mit Ball nicht zwingend genug. Hartel (68.) und Daschner (70.) scheiterten an Hansa-Schlussmann Kolke, auf der anderen Seite parierte Vasilj per Fuß grandios gegen Verhoek (78.). „Happy“ war Hürzeler über das Ergebnis, „aber wir können besser Fußball spielen“. Unter dem Strich war es ein Kampf-Sieg. Glücklich, aber nicht unverdient.

Rostock mit Bomberjacken-Marsch und Lichtenhagen-Banner

Die Schande: Provokationen und Schmähgesänge gehören zu einem solchen Derby und Hochrisikospiel dazu. Auch der Bomberjacken-Motto-Marsch vieler der rund 3000 Rostocker Fans zum Stadion fällt in die Kategorie „Geschmackssache“. Ekelerregend war das große „Lichtenhagen“-Banner nebst Sonnenblumenmotiv, das Hansa-Fans prominent am Zaun des Gästeblocks aufhängten. 1992 hatte es in Rostock-Lichtenhagen fremdenfeindliche Anschläge auf ein Asylbewerberheim im sogenannten Sonnenblumenhaus gegeben. Schon im Hinspiel hatte dieses Banner für Schlagzeilen gesorgt. Diesmal brachten einige Hansa-Anhänger auch noch echte Sonnenblumen ins Stadion. Widerlich.

Die Eskalation ereignete sich dann kurz vor Anpfiff der zweiten Halbzeit, als Rostocker Fans ihre Bomberjacken auf links und Orange drehten, dann jede Menge Pyrotechnik zündeten und Feuerwerkskörper auf den Rasen schossen und warfen. Auch aufgrund der starken Rauchentwicklung verzögerte sich der Wiederbeginn um mehrere Minuten.

Böller und Keramikteile verletzten Fans, Polizei und Ordner

Schlimmer: Hansa-Chaoten warfen Böller und auch zahlreiche scharfkantige Keramikteile von zerstörten Waschbecken der Stadion-Toiletten im Gästebereich in den Heimbereich der Nordtribüne. Ein Ordner wurde durch ein solches Wurfgeschoss verletzt und musste ins Krankenhaus. Mindestens ein Fan wurde durch einen Böllerwurf verletzt, vier Polizisten erlitten leichte Verletzungen. In den völlig verwüsteten Toilettenräumen wurde nach Vereinsangaben Feuer gelegt. Die Polizei – insgesamt waren 1700 Beamte im Einsatz – leitete mehrere Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung im Stadion und in den U-Bahnen sowie des Abbrennens von Pyrotechnik ein.

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„Absolut asozial“ nannte Hansa-Boss Robert Marien die gefährlichen Attacken. „Das sind Rote Linien, davon distanzieren wir uns ganz klar und das tut heute auch mehr weh als die Niederlage.“ Dem Verein drohen Sanktionen durch den DFB. St. Pauli-Präsident Oke Göttlich, sichtlich erbost und angefasst, sprach von einer „Dimension, die nur schwer erträglich ist“.

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