• Der Startschuss: Im Juli 2016 präsentierte St. Pauli die ersten Trikot-Kollektion von Under Armour (v.l.n.r. der damalige Geschäftsführer Andreas Rettig, UA-Europa-Chef Chris Bate und St. Pauli-Präsident Oke Göttlich)
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Ent-Rüstung!: FC St. Pauli trennt sich von umstrittenem Ausrüster Under Armour

Eine der umstrittensten Partnerschaften in der Vereinsgeschichte des FC St. Pauli ist bald genau das: Geschichte. Der Kiezklub wird nicht über den Sommer hinaus mit Ausrüster Under Armour (zu deutsch: unter der Rüstung) zusammenarbeiten. Das hat der Verein schon jetzt öffentlich gemacht. In welchen Trikots die Kiezkicker ab der kommenden Saison spielen werden, soll zeitnah bekannt gegeben werden.

Für viele Fans dürfte das Ende des Deals, an dem es von Anfang an Kritik gegeben hatte und der vielen Anhängern bis heute ein Dorn im Auge ist, eine gute Nachricht sein. Die Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen mit dem patriotisch-martialischen Marken-Image aus Baltimore hatte viel Geld gebracht, St. Pauli aber in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt.

FC St. Pauli beendet Zusammenarbeit mit Under Armour

Die Beendigung der Zusammenarbeit geschehe „im beiderseitigen Einvernehmen“, teilt St. Pauli in einer kurzen Erklärung mit. Der Verein spricht von einer „erfolgreichen Partnerschaft“ und „konstruktiven Zusammenarbeit“. Der Vertrag läuft nach dieser Saison aus.

Finanziell bedeutet das Aus für die im kommenden Sommer fünf Jahre laufende Partnerschaft einen erheblichen Verlust, den der Verein kompensieren muss: Rund eine Million Euro hat Under Armour dem Kiezklub seit Beginn der Partnerschaft 2016 dem Vernehmen nach gezahlt und nicht nur die Profis, sondern auch die Nachwuchsabteilungen mit Spiel- und Trainingskleidung ausgestattet.

Welches Ausrüster-Logo in Zukunft die Brust des Trikots ziert, will der FC St. Pauli zeitnah bekannt gegeben.

Welches Ausrüster-Logo in Zukunft die Brust des Trikots ziert, will St. Pauli zeitnah bekannt gegeben.

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Im Namen des Kiezklubs äußert sich Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Vertrieb: „Dass wir uns gemeinsam entschieden haben, die Zusammenarbeit nicht über die Saison 2020/21 fortzuführen, liegt daran, dass sich beide Seiten durch die Lust auf Neues auszeichnen – weshalb wir ja auch 2016 zueinander gefunden haben“, so von Geldern. „Wir sehen die Zeit für eine Neuausrichtung gekommen.“

Vertrag von St. Pauli mit Under Armour läuft im Sommer 2021 aus

Zu dieser Neuausrichtung werde sich der Verein „zu gegebener Zeit äußern“, heißt es. Man darf gespannt sein, welchen Weg St. Pauli nach dem ebenso lukrativen wie konfliktreichen Kapitel Under Armour geht. 

Seit der Bekanntgabe der umstrittenen Zusammenarbeit 2015 hatte es heftige Diskussionen innerhalb des Vereins und auch in der Anhängerschaft gegeben.

FC St. Pauli: Deal mit Under Armour von Anfang an in der Kritik

Nach einem großen MOPO-Bericht im Oktober 2015 unter anderem über die Verbindungen von Under Armour zum US-Militär, die Nähe zur mächtigen amerikanischen Waffen-Lobby NRA, die Zusammenarbeit mit dem höchst umstrittenen privaten Sicherheits-Unternehmen und Militärdienstleister „Academi“ (ehemals Blackwater), das Sponsoring von „Athleten“, die auf martialisch-brutale Weise Großwildjagd betreiben, war das Thema auch bundesweit medial thematisiert worden.

Immer wieder hatte es Skandale gegeben, die die Partnerschaft erschütterten. So hatte Under Armour-Boss Kevin Plank, ein bekennender Republikaner, im Februar 2017 den damals neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump als „Gewinn für dieses Land“ bezeichnet. St. Pauli sah sich zu einer öffentlichen Stellungnahme genötigt.

Under Armour: Fragwürdige Geschäfte und Skandale passen nicht zu St. Pauli

2018 wurde zudem eine Internet-Petition gestartet mit der Forderung einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit mit Under Armour. Mehr als 50000 Menschen unterzeichneten. Zugleich war die Petition ein Aufruf zum Boykott der Trikots. Er dürfte Wirkung gezeigt haben.

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Daniel-Kofi Kyereh im aktuellen Heim-Trikot des FC St. Pauli

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Im November 2018 enthüllte das „Wall Street Journal“ ein skandalöses und sexistisches Geschäftsgebaren bei Under Armour. So soll es Mitarbeitern jahrelang möglich gewesen sein, Kundentermine im Stripclub zu absolvieren und als Spesen abzurechnen.

Under Armour: Vorwurf des Sexismus und der sexuellen Belästigung

Zum jährlichen Firmenfest wurden laut des Berichts zudem gezielt besonders attraktive Mitarbeiterinnen als „Hingucker“ einbestellt. Leitende Angestellte von von „UA“ sollen weibliche Beschäftigte außerdem sexuell belästigt haben.

Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Vertrieb des FC St. Pauli

Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Vertrieb des FC St. Pauli (hier im Trainingslager in Mayrhofen 2019).

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Zuletzt sorgte Under Armour vor allem wirtschaftlich für Negativ-Schlagzeilen. So brach der Umsatz im ersten Quartal auch Corona-bedingt um 23 Prozent auf 930 Millionen US-Dollar (860 Mio Euro) ein, wie das US-Unternehmen mitteilte. Unterm Strich gab es einen Verlust von 490 Millionen Dollar nach einem Gewinn von 22,5 Millionen Dollar ein Jahr zuvor.

St. Pauli-Partner Under Armour macht 490 Millionen Dollar Verlust

Auf MOPO-Nachfrage hatte Bernd von Geldern im Mai zur Krise beim Ausrüster erklärt: „Die Coronakrise geht an keinem spurlos vorbei und sie wird uns noch länger beschäftigen. Wie die Auswirkungen am Ende im Detail aussehen werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner vorhersagen.“

Jetzt haben St. Pauli und Under Armour Fakten geschaffen und Schluss gemacht. Inwiefern die Corona-Krise Grund oder Beschleuniger war, ist noch unklar. Dem Vernehmen nach soll die Trennung jedoch nicht in erster Linie ein Rückzug von Under Armour, sondern auch auf Wunsch von St. Pauli geschehen sein.

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