• Die deutschen Handballer Johannes Golla und Fabian Böhm werfen sich im Spiel gegen Ungarn in einen Angriff.
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Einer war gar nicht erst dabei: Die deutschen Gewinner und Verlierer der Handball-WM

Platz zwölf ist das schlechteste Abschneiden einer deutschen Handball-Nationalmannschaft bei einer WM aller Zeiten. Angesichts der Absagen-Welle vor dem umstrittenen Turnier in Ägypten ist das Resultat unter dem neuen Bundestrainer Alfred Gislason zwar nicht repräsentativ, aber erkenntnisreich. Es gibt Gewinner und Verlierer im DHB-Team. 

Golla, Weber, Bitter, Pekeler: Gewinner der Handball-WM

Johannes Golla: Der 23-Jährige hat seine Chance genutzt. In Abwesenheit der etablierten Kreisläufer Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Jannik Kohlbacher spielte sich Golla in den Vordergrund. Die Rolle als Abwehrchef war noch eine Nummer zu groß, aber vor allem im Angriff überzeugte der Flensburger und dürfte einen Platz im künftigen Kader sicher haben. „Golla hat ein super Turnier gespielt“, lobt Gislason.

Philipp Weber: Der Leipziger hat sich bei dieser WM als Spielmacher Nummer eins bewiesen. „Er hat einen Schritt nach vorne gemacht und eine tolle Rolle gespielt“, findet DHB-Vize Bob Hanning. Auf der chronischen Problemposition überzeugte der 28-Jährige als Lenker mit starken Anspielen, aber auch als dynamischer Torschütze. Seine Weiterentwicklung ist der größte Gewinn für das Team. Aber: In der entscheidenden Phase der engen Spiele fehlte auch ihm (noch) die nötige Coolness.

Johannes Bitter: Der 38-Jährige spielte keine überragende WM, war aber der beste der drei deutschen Torhüter. In der Statistik nach der Hauptrunde auf Rang sechs aller Keeper. Bitter hielt stabil und riss seine Vorderleute mit positiven Emotionen mit. Fast noch wichtiger sind seine Führungsqualitäten abseits des Feldes. Der eloquente Riese ist einer der Wortführer und klügsten Köpfe im Team, Motivator, Ratgeber, Medienprofi. Er hat bei dieser WM unterstrichen, wie wichtig er für das Team ist.

Hendrik Pekeler: Pekeler? Der war doch gar nicht dabei! Richtig, und doch war er Thema, weil kein Spieler so sehr vermisst wurde, wie der „Verteidigungs-Minister“. Diese WM festigte seinen Status des Unverzichtbaren. Und: Der Abwehr-Stratege des THW Kiel, der gerade zu Deutschlands Handballer des Jahres 2020 gewählt worden ist, konnte durch seinen WM-Verzicht Kraft tanken für die Olympia-Quali im März – und dann hoffentlich die Spiele in Tokio.

Wolff, Kühn, Gensheimer: Verlierer der Handball-WM

Andreas Wolff: Als Torhüter „1A“ angereist, war er nie der erhoffte Rückhalt und wurde auch seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Nach Abschluss der Hauptrunde belegt er im Keeper-Ranking der WM nur Platz 31. Ja, dem Torwart von Vive Kielce fehlte auch die Spielpraxis, weil die polnische Liga wegen Corona im November und Dezember pausiert hatte. Umso unpassender war seine öffentliche Kritik an den WM-Absagen einiger DHB-Teamkollegen wegen Corona-Bedenken. Wer Mitspieler kritisiert, muss in einer starken Position sein und dann auch abliefern. Das fällt Wolff jetzt auf die Füße. Der Zeitpunkt seiner Kritik kurz vor der WM brachte ihm von Gislason einen Rüffel ein, der ihn ansonsten aber schützt. Wolff, der sich mit seinem Ehrgeiz oft mental blockiert, ist intern nicht mehr unumstritten, muss sich sein Standing neu erarbeiten. Devise: weniger reden, mehr Bälle halten.

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Julius Kühn: Eigentlich müssten die gegnerischen Abwehrreihen zittern, wenn der Rückraum-Schrank (2 Meter, 110 Kilo) den Ball hat. Stattdessen scheint dem Melsunger oft selbst die Hand zu zittern. Taucht nach Fehlern regelmäßig ab, spielt zu unbeständig. Schaffte auch bei dieser WM nicht den nächsten Schritt zum echten Leistungsträger. Kühn muss viel mehr aus seinen herausragenden physischen Fähigkeiten machen, mental stärker werden.

Uwe Gensheimer: Der Kapitän konnte nicht überzeugen, geschweige denn glänzen. „Ich weiß, dass ich besser Handball spielen kann“, räumte der Linksaußen früh im Turnier ein. Auf die überwiegend sachliche, in einigen Fällen übermäßige Kritik von außen reagierte der 34-Jährige dünnhäutig und heftig. Anstatt damit souveräner umzugehen oder nach der WM zu reagieren, um Unruhe zu vermeiden, sorgte Gensheimer mit kryptischen verbalen Gegen-Angriffen für Wirbel, was eine Richtigstellung des DHB nötig machte. Ein überflüssiger Nebenkriegsschauplatz. Fakt ist, dass Gensheimer seit Jahren kritischer beäugt und bewertet wird als andere, was ihm zusetzt und ihn ihm DHB-Trikot zu hemmen scheint. Aber von einem Weltklassespieler werden eben herausragende und nicht durchschnittliche Leistungen erwartet. Es sagt einiges, dass Gensheimer bei dieser WM nicht häufiger und nicht besser spielte als sein Back-up, der WM-Debütant Marcel Schiller. Intern, versicherte Gislason, sei Gensheimer unumstritten. Die Diskussion dürfte dennoch weitergehen – befeuert auch von seiner Konter-Kritik.

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