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  • Die Fans des FC St. Pauli sind kreativ und leidensfähig.
  • Foto: WITTERS

Diesmal geht’s um Geister-Tickets: St. Paulis Fans sollen wieder zu Rettern werden

Der FC St. Pauli steckt mal wieder in finanziellen Schwierigkeiten. Aber im Gegensatz zur Vergangenheit, als der Kiezklub oft selbstverschuldet in die Misere geschlittert war, haben die jetzigen Sorgen und Nöte ausschließlich mit der Corona-Krise zu tun. Aber die Braun-Weißen haben gegenüber vielen Konkurrenten ein dickes Faustpfand: Sie können auf ihre Fans bauen – auf die ewigen Retter vom Millerntor.

Der FC St. Pauli will am 2. Juni mit dem Verkauf von Dauerkarten für die kommende Saison beginnen, obwohl niemand weiß, wann vor Publikum wieder gespielt werden darf. Bis Ende August sind Großveranstaltungen verboten. Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Vertrieb, lässt sich so zitieren: „Wir wollen grundsätzlich positiv denken und gehen zunächst von Spielen mit Besuchern aus.“

FC St. Pauli: Fans sollen wieder zu Rettern werden

St. Pauli will ganz offensichtlich die Einnahmeverluste der vergangenen Wochen und kommenden Monate so weit wie möglich kompensieren. Dabei hofft der Verein wie so oft in der Vergangenheit auf seine Anhänger. Auf seiner Homepage betont er, dass er dem aktuellen Anspruch auf Entschädigung nachkommen wolle, schreibt aber auch: „Darüber hinaus haben wir von vielen Fans Mitteilungen erhalten, dass sie auf Rückerstattungen verzichten möchten. Hier sind wir ehrlich: Das freut uns sehr und ja: Es würde uns helfen!“ Und: Beim Verzicht auf die Ansprüche würden 19,10 Prozent (in Anlehnung an das Gründungsjahr) ans Sozialprojekt „Kiezhelden“ gehen.

Präsidium um Corny Littmann organisierte 2003 Retter-Aktion

Der FC St. Pauli weiß, dass seine Fans ein großes Herz für ihn haben. Das war schon 2003 so, als die Lizenz für die Regionalliga auf der Kippe stand. Die Führung unter Präsident Corny Littmann hatte eine geniale Idee, die deutschlandweit bestaunt wurde: 150.000 verkaufte „Retter-Shirts“ sowie Aktionen wie „Saufen für St. Pauli“ sorgten für die vom Verband geforderten 1,75 Millionen Euro.

St. Pauli-Fan als Retter

Die Retter-Aktion von 2003 ist legendär.

Foto:

imago

2004 bürgte Unternehmer Frank Otto für den FC St. Pauli

Ein Jahr später ging es erneut um alles. Frank Otto, Unternehmer und Oberfan, bürgte für die geforderten 600.000 Euro. Zudem bot Littmann „Rasenpatenschaften“ an (23 x 38 Zentimeter für 35 Euro), die von den St. Pauli-Anhängern zuhauf gekauft wurden. Niemand wollte einen Lizenzentzug wie 1979 riskieren, als der Verein für fünf Jahre in der Oberliga verschwunden war.

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2005 kamen die „Lebenslangen Dauerkarten“

Klamm blieb der FC St. Pauli auch danach. 2005 forderte das Finanzamt aufgrund einer Mitte 2002 handschriftlich gefälschten Umsatzsteuererklärung eine Million Euro. Die Reaktion von Littmann und Co. waren „Lebenslange Dauerkarten“. 200 Sitzplätze gingen für 3910, noch viel mehr Stehplätze für 1910 Euro weg.

2011 setzte St. Pauli eine Fananleihe auf

Durch den Stadionneubau ab 2007 taten sich neue wirtschaftliche Schwierigkeiten auf. Um die Finanzierung endgültig auf sichere Füße zu stellen, präsentierte St. Pauli 2011 auf Geheiß des damaligen Vize-Präsidenten und Finanzexperten Tjark Woydt eine Fananleihe. Mit Erfolg: Acht Millionen Euro konnte der Verein auf diese Weise einsammeln.

2018 setzte St. Pauli auf den Verzicht auf Rückzahlungen

Bei der vereinbarten Rückzahlung 2018 setzte man mal wieder auf die Sentimentalität der Fans. Auch wegen eines wohl formulierten Schreibens an die Anteilseigner, das nicht wenige als Bettelbrief titulierten, verzichten viele auf das ihnen zustehende Geld. Darauf hofft St. Pauli auch, wenn es um aktuelle und künftige Rückerstattungen geht.

St. Pauli-Fananleihe

Kreativ beworben: die Neuauflage der St. Pauli-Anleihe

Foto:

HFR

Fans des FC St. Pauli sind längst ein großes Faustpfand

Die Bosse wissen, dass sie sich auf die ewigen Retter vom Millerntor verlassen können. Was umso bewundernswerter ist, weil es in der großen braun-weißen Anhängerschaft überwiegend „Normalos“ gibt, die über kein allzu großes Budget verfügen und von denen der eine oder andere von der Corona-Krise selbst betroffen ist.

Was wird aus Dauerkartenbesitzern, die im Sommer nicht zugreifen?

Übrigens: Die MOPO wollte von Vertriebsleiter Bernd von Geldern wissen, ob Dauerkartenbesitzer, die für die kommende Saison wegen der Geisterspiele lieber verzichten wollen, ihr Anrecht auf ihr Abo und ihren Platz behalten. Seine Antwort: „Wir sind uns bewusst, dass es durch die Ausnahmesituation auch bei den Fans viele Detailfragen gibt. Daher wollen wir wie angekündigt Anfang Mai noch einmal gesondert zum Dauerkartenverkauf für die kommende Saison informieren. Auch individuelle Lösungen können dabei eine Rolle spielen, beispielsweise für Dauerkartenkunden, die die Zahlung des gesamten Betrages im Sommer finanziell überfordert.“

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