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  • Andreas Lindemeier ist seit sechs Jahren Hallensprecher der Hamburg Towers.
  • Foto: Daniel Reinhardt/dpa

520 Kilometer für jedes Spiel: Dieser Rentner macht die Towers trotz Corona heiß

Es gehört zu den Höhepunkten bei den Heimspielen der Hamburg Towers: das bunte und laute Einlauf-Spektakel. Es wird kurz dunkel in der Halle, bevor die Scheinwerfer angeschaltet werden und Richtung Kabinentrakt strahlen. Musik ertönt, die Cheerleaderinnen des Towers Dance Team stehen Spalier, und Sprecher Andreas Lindemeier stellt jeden Profi der Towers samt Trainerteam vor. Dann kann das Spiel in der Basketball-Bundesliga beginnen. Die Zuschauer johlen. Es herrscht Stimmung auf den Rängen. Eigentlich.

Jetzt ist alles anders. Zuschauer und Stimmung auf den Rängen? Fehlanzeige. Ruhe hat sich breitgemacht. Bis Lindemeier loslegt. Der Mann am Mikrofon ist wie immer mit Inbrunst dabei. „Ich begrüße das Publikum zum Spiel, heiße die Offiziellen willkommen, Schiedsrichter und Kommissar am Kampfgericht, stelle die gegnerische Mannschaft beim Einlaufen vor und präsentiere dann in einem musikalischen und optischen Rahmen die Spieler der Heimmannschaft“, erklärt er seinen Job.

Towers-Hallensprecher Lindemeier: auch ohne Publikum im Einsatz

Lindemeier tut das, was er immer getan hat, egal ob die Ränge voll sind oder entsetzliche Leere gähnt. So auch am Sonntag beim 89:72 über den Tabellenzweiten Merlins Crailsheim. Die Towers sind da keine Ausnahme. Sprecher beim Profisport in Hallen und Stadien sind bundesweit weiterhin im Einsatz.

Lindemeier, der in der Nähe von Göttingen wohnt und jedes Mal 520 Kilometer An- und Abfahrt in Kauf nimmt, soll trotz Corona-Beschränkungen den Spieltagsablauf für die Profis so realistisch wie möglich gestalten. Allerdings macht der 68-jährige Rentner kein Geheimnis aus seinem Gefühlsleben: „Es ist skurril, was wir zurzeit als Hallensprecher betreiben.“ 

Lindemeier fährt 520 Kilometer für jedes Towers-Heimspiel 

Zumal die Sprecher zunehmend zum Anheizer für das Heimpublikum geworden seien, wie er bekennt: „Ich sehe mich in erster Linie als Brückenbauer vom Publikum zu den Spielern, um zu pushen.“ Nur fragt er sich angesichts leerer Ränge: „Wen soll ich aktuell pushen? Die Spieler?“

Zumal Lindemeier, der ebenfalls eine Mund-Nasen-Maske tragen muss, Grenzen gesetzt sind. Die Profis darf er persönlich gar nicht ansprechen: „Ich bin Teil des Kampfgerichts und daher zur Neutralität verpflichtet.“

Towers-Hallensprecher Lindemeier – erreicht er die Basketball-Spieler?

Kommentierende Äußerungen zu Schiedsrichter-Entscheidungen oder Spielaktionen seien ihm untersagt, betont der frühere Lehrer und Schulleiter, der seit März 2015 die Towers begleitet. „Das einzige Mittel, was mir zur Verfügung steht, ist meine Stimmmodulation: das Heben und Senken der Stimme, die besondere Betonung, das Variieren der Lautstärke.“

Dabei hat er Zweifel, ob er die Towers-Profis trotz Stille mit seinen Ansagen erreicht. „Ich denke, eher nicht“, sagt er. Und so falsch liegt Lindemeier mit der Annahme nicht. „Man bekommt schon relativ viel mit. Aber wenn man mich hinterher fragt, könnte ich das nicht wiedergeben“, gibt Justus Hollatz zu.

Towers-Talent Hollatz: „Man merkt schon einen deutlichen Unterschied“

Der Point Guard ist einer der wenigen im Towers-Team, der die Stimmung in der ausverkauften Wilhelmsburger Halle kennt. Mit Blick auf Lindemeier und die aktuellen Umstände sagt er: „Man merkt schon einen deutlichen Unterschied.“ Aber das vermeintliche Einpeitschen fehle ihm nicht: „Ich würde es komisch finden, wenn er da die ganze Zeit Defense oder sonst etwas schreit.“

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Da Lindemeier derartige Anfeuerungen ohnehin vermeiden muss, hat sich eines für ihn nicht verändert. „Während die Fans ihre Anspannung rausschreien dürfen, muss ich meine Betroffenheit und meine Emotionen stark kontrollieren. Das kostet sehr viel Energie – auch ohne Publikum. Denn Spiel ist Spiel.“ (mp/dpa)

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