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  • Uruguays Pablo Dorado (nicht im Bild) überwindet Argentiniens Torwart Juan Botasso.
  • Foto: dpa

1600 Revolver, flankende Fotografen …: So verrückt war die erste Fußball-WM

Das WM-Turnier 1930 ist geprägt von Pleiten, Pech und Kuriositäten. Das Stadion wird nicht pünktlich fertig,  die Anreise dauert für die Europäer länger als zwei Wochen, der Winter macht den Spielern zu schaffen. Und schließlich krönt ein Einarmiger Gastgeber Uruguay zum Weltmeister.

Vor dem ersten WM-Finale  wird erst einmal abgerüstet: Weil Schiedsrichter John Langenus befürchtet, dass bei der Partie zwischen den Erzrivalen Argentinien und Uruguay die Emotionen hochkochen, verlangt er strenge Waffenkontrollen. Und tatsächlich werden am 30. Juli 1930 vor dem Anpfiff im Estadio Centenario in Montevideo rund 1600 Revolver von den Zuschauern eingesammelt. Trotzdem geht der Unparteiische auf Nummer sicher: Im Hafen wartet ein Boot, um ihn notfalls in Sicherheit zu bringen. 

Uruguay besiegt Argentinien – aber die Gaucho-Fans fehlen

Vor den unbewaffneten Fans schlägt Gastgeber Uruguay die Argentinier mit 4:2 und krönt sich zum ersten Weltmeister. Viele argentinischen Schlachtenbummler bekommen die Niederlage aber gar nicht mit: Sie sitzen auf Schiffen, die wegen des dichten Nebels nicht anlegen können, auf dem Río de la Plata fest.

Ohnehin klappt bei der ersten WM nicht alles auf Anhieb. Zwar gibt es keine Qualifikation – teilnehmen darf jeder, der will. Dennoch fällt es der FIFA schwer, genug Mannschaften zu begeistern. Die Teams aus Europa scheuen die mühsame Anreise über den Atlantik. 

Nur vier europäische Teams begeben sich auf die lange Reise

Gerade einmal 13 Nationalmannschaften machen schließlich mit – darunter nur vier aus Europa. Die Spieler aus Frankreich, Belgien und Rumänien reisen gemeinsam auf dem Linienschiff „Conte Verde“ an, später steigen auch noch die Brasilianer zu. Das jugoslawische Team fährt erst einmal drei Tage lang mit dem Zug nach Marseille und tritt von dort die zweiwöchige Atlantiküberquerung auf der „SS Florida“ an.

WM Uruguay 1

Das erste Finale der WM-Geschichte: Im überfüllten Stadion Centenario zu Montevideo treffen die Erzrivalen Uruguay und Argentinien aufeinander.  

Foto:

dpa

Zwar werden die Mannschaften im Hafen von Montevideo begeistert empfangen, schreibt Schiedsrichter Langenus, der stets korrekt in Knickerbocker und Krawatte aufläuft. Und neben seiner Tätigkeit als Unparteiischer  in Uruguay auch als Korrespondent für das Fachblatt „Kicker“ arbeitet. Allerdings frieren die Spieler erst einmal ganz ordentlich: Im Juli ist Winter auf der Südhalbkugel – die ersten Spiele werden im Schneegestöber ausgetragen. 

WM 1930 in Uruguay: Estadio Centenario ist nicht fertig

Das erste WM-Tor erzielt der Franzose Lucien Laurent im Spiel gegen Mexiko. „Nach meinem Tor, dem ersten des Turniers und gleichzeitig meinem ersten für die französische Nationalmannschaft, haben wir uns gegenseitig gratuliert, aber wir sind uns nicht in die Arme gesprungen, wie man es heute im Fußball oft macht“, erzählte er einmal.

Auch bei den Spielstätten hapert es zunächst. Heftiger Regen verzögert die Fertigstellung des neuen Estadio Centenario. Die ersten Partien zwischen Mexiko und Frankreich sowie Belgien und den USA werden deshalb in anderen Stadien in Montevideo ausgetragen. Erst fünf Tage nach den ersten Spielen ziehen alle Mannschaften dann feierlich ins Centenario ein.

WM-Halbfinale 1930 bringt den ersten Skandal der Historie

Der Weg ins Finale ist holprig für die Gastgeber. Beim Spiel gegen Frankreich kommt es zum ersten WM-Skandal, als der brasilianische Schiedsrichter Rego die Partie bei einer 1:0-Führung der Uruguayer sechs Minuten zu früh abpfeift. Im Halbfinale setzen sie sich zwar deutlich mit 6:1 gegen Jugoslawien durch – allerdings mit nicht gerade regelkonformer Schützenhilfe von der Seitenlinie. So sollen Polizisten oder Fotografen in einem Moment den Ball von der Außenlinie zurück ins Spielfeld geflankt haben, was zum dritten Tor führt. 

WM Uruguay 2

Uruguays Spieler feiern nach ihrem Final-Sieg über Argentinien den ersten Titel in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaft. 

Foto:

dpa

Im Finale scheint es zunächst, als würde Erzrivale Argentinien den Pokal mit nach Hause nehmen. Zur Halbzeit führen die Argentinier mit 2:1. Dann wendet sich das Glück allerdings – auch weil die Argentinier in deutlicher Unterzahl spielen. „Wir waren bereits nur noch zu zehnt und dann fielen noch zwei meiner Mitspieler mit Verletzungen aus. Auswechslungen gab es damals noch nicht, und zu acht waren wir chancenlos“, erzählte der Argentinier Francisco Varallo kurz vor seinem Tod 2010 in einem Interview. „Die Uruguayer, die nach der Pause deutlich stärker wurden, hatten den Sieg absolut verdient – aber für uns war es natürlich eine ganz bittere Niederlage.“

Der Siegtorschütze im Finale hat nur noch einen Arm

Den Siegtreffer zum 4:2-Endstand in der 89. Minute erzielt schließlich Héctor Castro. Für den 25-Jährigen war es auch ein persönlicher Triumph: 13 Jahre zuvor hat er bei einem Unfall mit einer elektrischen Säge einen Unterarm verloren. Trotz seines Handicaps schreibt er mit seinem historischen Treffer schließlich Fußballgeschichte. 

Die erste WM ist auch eine der Talente. Uruguays Trainer Alberto Suppici ist beim Titelgewinn gerade einmal 31 Jahre alt und damit bis heute der jüngste Weltmeistertrainer. Sein Rivale im Finale, der Argentinier Juan José Tramutola, ist zu dem Zeitpunkt sogar erst 27 Jahre alt.

Die WM wird zur Erfolgsgeschichte

Trotz des schwierigen Starts ist die erste WM der Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte. Haben sich wegen der befürchteten Kosten zunächst zahlreiche Länder aus dem Rennen um die Ausrichtung zurückgezogen, bleiben am Ende sogar noch 55000 Peso übrig – auch wenn sich zu der Partie zwischen Rumänien und Peru gerade einmal 300 Zuschauer in das Stadion verirren. 

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Heute gehört die WM alle vier Jahre zu den größten Sportereignissen der Welt. „Wir Europäer waren uns einig“, sagte der jugoslawische Verbandssekretär Mihailo Andrejevic noch Jahre nach der WM in Uruguay. „Jeder, der nicht dabei war, hat einen Fehler gemacht.“

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