Die titelgebende „Maschine“: ein treppenförmiges Schreibtisch-Ensemble mit verschiedenen Aufgaben-Bereichen.
  • Das ist sie, die titelgebende „Maschine“: ein treppenförmiges Schreibtisch-Ensemble mit verschiedenen Aufgaben-Bereichen.
  • Foto: Eike Walkenhorst

Schauspielhaus: Die 90 verrücktesten Theaterminuten seit Langem

Im Schauspielhaus geht eine künstliche Intelligenz dem Geheimnis eines Goethe-Gedichtes auf den Grund. Festhalten, bitte! Gedichte zu interpretieren ist für die meisten Schülerinnen und Schüler der Vorhof zur Hölle. Schlimmer vermutlich, als den tatsächlichen Schulhof als Strafaufgabe fegen zu müssen: Was fühlte der Autor oder die Autorin beim Dichten? Wie wird es in den Zeilen umgesetzt? Und was fühlst du dabei? Arrrrgh! 

In einem Hörspiel ironisierte der französische Autor Georges Perec vor mehr als 50 Jahren den technisch-wissenschaftlichen Ansatz, alle Dinge zu Tode zu analysieren. Und so setzte er eine „Maschine“ auf ein kleines, harmloses, wenngleich sehr berühmtes Gedicht Johann Wolfgang von Goethes an. Regisseurin Anita Vulesica holt den Spaß nun auf die Bühne des Schauspielhauses. Resultat: die 90 verrücktesten Theaterminuten seit Langem. Und ein Fest von Sprache und Schauspiel.

„Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh“

„Über allen Gipfeln ist Ruh“ hat unser Dichterfürst bei einem Ausflug in die Tür einer Berghütte geritzt. Naturpoesie mit Tiefgang. Kurz: In den Bäumen ist’s leise, sogar die Vögel „schweigen im Walde“, bald sind wir alle tot. Acht Zeilen, 24 Wörter, Reimschema ababcddc. Die einen bekommen ein wohliges Bauchgefühl beim Lesen oder Rezitieren, die anderen bleiben gleichgültig: Jo. Jo?

Das Ensemble nimmt das Goethe-Gedicht „Über allen Gipfeln“ auseinander. Eike Walkenhorst
Das Ensemble des Stücks „Die Maschine“ auf der Bühne.
Das Ensemble nimmt das Goethe-Gedicht „Über allen Gipfeln“ auseinander.

Auf der Bühne hat das Team ein treppenförmiges Schreibtisch-Ensemble installiert – die Maschine. Ganz oben sitzt Sandra Gerling als „Kontrolle“, darunter befinden sich die „Speicher“ alias Daniel Hoevels, Moritz Grove, Christoph Jöde und Camill Jammal. Ab und zu tritt Yorck Dippe nach vorn und gibt als Autor Georges Perec ein bisschen verklausulierten Kontext.

Ein Fest von Sprache und Schauspiel

Die Kontrolle dieser Maschine gibt ständig Anweisungen. Zum Beispiel: Was ist das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Substantiven in dem Gedicht? (1:5!) Rezitiert das Gedicht unter Auslassung jedes dritten Wortes! Lasst die Vokale weg! Sucht Synonyme für die Substantive! Und und und.

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Je lustvoller das Gedicht mit Sprache, mit Stottern, Schnauben, Schreien, Singen, mit Zischen und Tanzen zerfetzt wird, desto mehr verliert es an Sinn, Wert und Gehalt. Oder gewinnt es genau diese Qualitäten vielleicht? Darüber lässt sich nach der herausragenden Show ganz in Ruh’ sinnieren! (kam)

Schauspielhaus: 27.10. (16 Uhr), 7./11./16.11. (je 19.30 Uhr), 11-55 Euro, Tel. 248713, schauspielhaus.de

Plan 7 vom 25.Oktober 2024 MOPO
Plan 7 vom 25.Oktober 2024
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